Ein Kunststoff, härter als gängige Kunststoffe, nicht brennbar und im Besitz von Selbstheilungskräften. Bei Raumtemperatur in Wasser herstellbar, also energieeffizient und ohne giftige Lösungsmittel. Wie Kaugummi frei formbar, solange er nicht ausgehärtet ist – und beliebig oft umformbar und daher rezyklierbar, weil ein Wasserzusatz ihn wieder in seine „Kaugummi-Form“ überführt.
So ein Kunststoff – ein so genanntes Mineralplastik – haben Fachleute in der Arbeitsgruppe des Konstanzer Chemikers Helmut Cölfen entwickelt und schon 2016 vorgestellt. Die Industrie hatte Interesse, aber die Forscher störte es, dass der Werkstoff wegen seiner chemischen Zusammensetzung nur schwer biologisch abbaubar war.
Mineralplastik: Mit neuem Grundbaustein umweltverträglicher
„Bisher haben wir für die Herstellung unseres Mineralplastiks Polyacrylsäure verwendet“, erklärt Cölfen. Chemisch betrachtet besitze diese dasselbe Rückgrat wie Polyethylen. Dieses verursache in der Umwelt große Probleme, weil es kaum biologisch abbaubar ist. Die Chemiker um Cölfen und Ilesha Avasthi, Postdoc in Cölfens Labor, machten sich daher ans Werk und suchten einen anderen Grundbaustein, um ein umweltverträgliches Mineralplastik zu entwickeln. Dieses sollte die interessanten Eigenschaften des ursprünglichen Materials behalten.
An nachhaltigen Werkstoffen kommt auch die Medizintechnik nicht vorbei
Nun haben sie eine Lösung gefunden: Anstelle erdölbasierter Grundbausteine wie der Polyacrylsäure verwenden sie Polyglutaminsäure. Dieses natürliche Biopolymer ist problemlos in großen Mengen verfügbar. Es lässt sich sogar nachhaltig gewinnen, beispielsweise aus biotechnologischer Produktion durch Mikroorganismen. In einer aktuellen Publikation in der Fachzeitschrift Small Methods haben die Konstanzer diesen Ansatz vorgestellt.
„Unser neues Mineralplastik hat dieselben positiven Eigenschaften wie das alte, besitzt jedoch den entscheidenden Vorteil, dass sein Grundbaustein – die Polyglutaminsäure – mithilfe von Mikroorganismen hergestellt werden kann und vollkommen biologisch abbaubar ist“, so Cölfen.
Um zu zeigen, dass nicht nur die Ausgangskomponenten, sondern auch das Polymer Mineralplastik selbst abbaubar ist, holten sich die Chemiker Unterstützung von David Schleheck und Postdoc Harry Lerner vom Fachbereich Biologie der Universität Konstanz. Mikroorganismen, die beispielsweise in Waldböden zu finden sind, begannen bereits nach wenigen Tagen mit dem Abbau – und hatten nach 32 Tagen den Kunststoff vollständig abgebaut. Es ist den Forschenden also gelungen, das Mineralplastik mit all seinen positiven Materialeigenschaften zusätzlich nachhaltig und sehr gut biologisch abbaubar zu machen.