Hunderte Millionen Tonnen Kunststoffabfall fallen jährlich weltweit an. Diese zu recyceln, schont die Umwelt. Doch bisher werden Kunststoffabfälle vor allem mechanisch rezykliert: zerkleinert und dann eingeschmolzen. Daraus entstehen zwar neue Kunststoffprodukte, aber die Qualität der Produkte nimmt von Recyclingschritt zu Recyclingschritt drastisch ab.
Eine Alternative ist das chemische Recycling, das qualitativ hochwertige Produkte hervorbringt. Langfristiges Ziel von Forschenden der ETH Zürich ist es, Polymere chemisch in Monomere zu zerlegen. Aus diesen könnten dann wieder neue, hochwertige Kunststoffe hergestellt werden und ein echter nachhaltiger Kreislauf entstehen.
Treibstoffe aus Kunststoffmüll
Zunächst geht es bei der Entwicklung des chemischen Recyclings aber darum, die langen Polymer-Ketten erst einmal in kürzerkettige Moleküle aufzuspalten, die sich zum Beispiel als Flüssigtreibstoff oder Schmiermittel verwenden lassen. Der Plastikabfall erhält so ein zweites Leben als Benzin, Kerosin oder Motorenöl. Für die Entwicklung dieses Prozesses haben Forschende der ETH Zürich nun wertvolle Grundlagen erarbeitet. Diese ermöglichen es, das Recycling gezielt zu entwickeln.
Die Forschenden der Gruppe von Javier Pérez-Ramírez, Professor für Katalyse-Engineering, untersuchten die Spaltung von Polyethylen und Polypropylen mit Wasserstoff. Auch dabei wird der Kunststoff zuerst in einem Stahltank geschmolzen. Anschließend wird der gasförmige Wasserstoff in die Kunststoffschmelze geleitet.
Wichtig sind zudem pulverförmige Katalysatoren, die die Chemiker beifügen, zum Beispiel solche, die das Metall Ruthenium enthalten. Durch die Wahl eines geeigneten Katalysators erhöhen die Forschenden die Effizienz der chemischen Reaktion. Auch können sie damit beeinflussen, dass vor allem Moleküle einer bestimmten gewünschten Kettenlänge und möglichst wenig Nebenprodukte wie Methan oder Propan entstehen.
Drehzahl und Geometrie sind für das Recycling entscheidend
„Die Kunststoffschmelze ist tausendmal dickflüssiger als Honig. Entscheidend ist, wie man sie im Tank umrührt, damit das Katalysatorpulver und der Wasserstoff wirklich überall hinkommen“, erklärt Antonio José Martín, Wissenschaftler in Pérez-Ramírez’ Gruppe. In Experimenten und in Computersimulationen zeigte das Forscherteam: Die Kunststoff-Masse wird am besten mit einem Flügelrad gerührt, dessen Flügel parallel zur Achse liegen.
Im Vergleich zu einem Propeller mit abgewinkelten Flügeln oder einem Rührer in Turbinenform führt dies zu einer gleichmäßigeren Durchmischung und zu weniger Strömungswirbeln. Sehr wichtig ist außerdem die Rührgeschwindigkeit. Sie darf nicht zu langsam und nicht zu schnell sein. Die ideale Drehzahl liegt nahe bei 1000 Umdrehungen pro Minute.
Chemisches Recycling in einer Formel beschrieben
Den Forschenden ist es gelungen, den gesamten Prozess des chemischen Recyclings mit all seinen Parametern in einer mathematischen Formel zu beschreiben. „Es ist der Traum eines jeden Chemieingenieurs, eine solche Formel für seinen Prozess zur Hand zu haben“, sagt Pérez-Ramírez. Alle Wissenschaftler im Forschungsfeld können damit nun den Einfluss der Rührer-Geometrie und der Drehzahl präzise berechnen.
In künftigen Experimenten können sie verschiedene Katalysatoren gezielt vergleichen; den Einfluss des Mischens auf den Prozess haben sie dabei unter Kontrolle. Außerdem sind die erarbeiteten Grundlagen wichtig, um die Technologie künftig vom Labormaßstab auf große Recyclinganlagen hochzuskalieren. „Doch im Moment konzentrieren wir uns auf die Erforschung besserer Katalysatoren für das chemische Kunststoffrecycling“, sagt Martín.
https://doi.org/10.1038/s44286–024–00108–3