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Medizintechnik Studium: Erfahrungen beim Auslandsjahr in Seoul

Auslandsstudium: Korea
Medizintechnik studieren in Seoul

Medizintechnik studieren in Seoul
Der amtliche Name für die Hauptstadt Südkoreas lautet „Besondere Stadt Seoul“. 2015 hatte sie rund zehn Millionen Einwohner. Rundum leben im Ballungsraum Sudogwon lebten zu dieser Zeit über 25 Millionen Menschen. Seoul ist das Finanz-, Kultur- und Bildungszentrum Südkoreas Bild: anekoho/Fotolia
Ein Jahr des Medizintechnik-Studiums an der Hanyang University in Südkorea zeigte, dass das Lernen dort anders abläuft als in Deutschland. Die Lebensweise und die Stadt kennenzulernen, war eine spannende Erfahrung.

Anna Katharina Meier hat in Stuttgart Medizintechnik studiert und ist nach dem Master-Abschluss als Research Engineer tätig bei der Med-El GmbH in Innsbruck

Im Sommer 2013 brach ich auf, um ein Jahr in Seoul zu leben. Zu diesem Zeitpunkt hatte der koreanische Tourismusverband noch nicht angefangen, in Deutschland zu werben, die Olympischen Winterspiele in Pyeongchang waren noch sehr weit weg und die Fußball-WM 2002 in Seoul war auch schon zu lange her. Deshalb wurde mir oft die berechtigte Frage gestellt: Warum Seoul? Warum Südkorea?

Ja, warum jetzt eigentlich Seoul?

Die Antwort ist recht einfach: Weil es mir angeboten wurde. Ich hatte mich auf ein Auslandssemester in Singapur und Hongkong beworben. Da dort jedoch auf einen Austauschplatz 12 Bewerber kommen, standen die Chancen schlecht. Die Absage vom Internationalen Zentrum der Uni Stuttgart kam recht schnell. Aber mit einem wichtigen Zusatz: „Wir können dir jedoch einen Platz an der Hanyang-Universität in Seoul anbieten.“

Für mich war sofort klar, dass ich ihn annehmen würde. Zuerst musste ich jedoch nachschlagen, wie Seoul ausgesprochen wird, mindestens das, fand ich, sollte ich bei einer Zusage wissen. Die nächsten Wochen verbrachte ich damit, Reiseführer über Korea zu wälzen, ein bisschen die Sprache zu lernen und mich auf den Aufenthalt in einem Land vorzubereiten, von dem ich absolut keine Vorstellung hatte. Doch schon bei der Ankunft in Seoul, als ich mit dem Taxi den Han-Fluss überquerte und den Seoul-Tower sehen konnte, wurde mir klar, dass ich in dieser Weltmetropole für die nächsten Monate leben würde! Es war atemberaubend.

Einblicke ins Uni-Leben

Die Hanyang-Universität gehört zu den Top 5 Universitäten in Südkorea und ist mit 35000 Studenten auch eine der größten. Auf einem großen Platz steht ein Löwe aus Stein – das Maskottchen der Universität. Wenn man in der Bibliothek einen Fensterplatz zum Lernen bekommt, kann man über den Han-Fluss auf die Stadt blicken. Der Campus ist wie eine eigene kleine Stadt mit seinen Sportplätzen, Fitnessstudios, Restaurants, Cafés und, wie in Seoul üblich, vielen kleinen Supermärkten.

Hanyang University, offizielles Video (Englisch)

Der Fachbereich Medizintechnik ist hier an der Ingenieurwissenschaftlichen Fakultät angesiedelt. Die Forschung deckt einen breiten Bereich ab, von Kohlenstoffnanoröhrchen als künstliche Muskeln über die Erforschung der Psychophysik des Hörens bis hin zum Einsatz von VR bei der Behandlung von Patienten mit posttraumatischer Belastungsstörung (PTSD).

Die Vorlesungen werden zum Großteil auf Koreanisch gehalten. Jedoch müssen die Studenten 20 % ihrer Kurse auf Englisch hören. Deshalb gab es einige Kurse für mich zur Auswahl.

Flexibel bei der Kursauswahl

Trotzdem war Flexibilität höchstes Gebot, da ich mich zwar von Deutschland aus schon für Kurse angemeldet hatte, sich das Angebot aber vor Ort schon wieder verändert hatte. So war ein Kurs eher eine Hilfsstunde, um das Thema der für die Koreaner anstehenden Abschlussarbeit zu finden. In einem anderen wurde mir gesagt, dass der Kurs zwar in Englisch ausgeschrieben sei, er auf Grund des komplexen Themas jedoch zu Großteilen doch auf Koreanisch gehalten würde. Im Endeffekt fand ich trotzdem einen bunten Strauß spannender Kurse von Medizintechnik über Programmieren bis hin zu interkultureller Kommunikation und der UN.

Eine kleine Herausforderung war die C++ Vorlesung, deren Tutorium auf Koreanisch gehalten wurde. Zum Glück war der Code auf Englisch, so dass ich nach der Vorlesung noch herausfinden konnte, was ich an diesem Tag gelernt habe.

Zwischen 30 und 50 Studenten sitzen in den Vorlesungen, die zumeist sehr frontal gehalten werden. In den meisten Vorlesungen muss am Ende des Semesters ein Thema präsentiert werden, welches in den Wochen davor in Gruppen bearbeitet wurde.

Der größte Unterschied zu einem Studium in Deutschland liegt in der Art zu lernen. Während bei uns noch viel Wert daraufgelegt wird, dass Studierende den Stoff verstehen, müssen die koreanischen Studenten hauptsächlich auswendig lernen.

Kontakt zu anderen Nationen

Eine gute Möglichkeit, mehr Kontakt zu anderen Studenten zu bekommen, waren die Clubs, die jeden Nachmittag an der Universität stattfanden. Dabei gab es von Sport-Clubs, über Musik-Clubs bis hin zu Outdoor Clubs alles, was man sich vorstellen konnte. Neben dem Lauf-Club und dem Gitarren-Club, war ich Mitglied im  Club der Hanyang International Volunteer Association (Hiva), welcher den Austausch zwischen Koreanern und Austauschstudenten anregte und viele kulturelle Ausflüge organisierte.

Die meisten Clubs gingen in den ersten Semester Wochen auf ein Team-Building-Wochenende. Mit Hiva fuhren wir dafür aufs Land, wo der Club ein Haus gemietet hatte. Geschlafen wurde, wie in Korea üblich, auf dünnen Matten auf dem Boden. Das Wochenende verbrachten wir mit Tempelbesuchen, grillen und damit, typisch koreanische Spiele und natürlich Trinkspiele zu lernen.

Gyeongbokgung-Palast in Seoul
Am Gyeongbokgung-Palast in Seoul stehen Wachen in traditioneller Kleidung. Er ist der erste und größte unter fünf Palästen, die während der rund 500 Jahre dauernden Herrschaft der Joseon-Dynastie errichtet wurden – und eine der Hauptattraktionen für Touristen. Rechts im Bild: Autorin Anna Katharina Meier (Bild: Meier)

Das wahre Sozialleben, und somit den größten kulturellen Austausch, erlebten wir allerdings bei Nacht. Die Nächte in Seoul können bei Weilen sehr lang werden. Meistens starteten sie in einem der vielen Korean BBQ Restaurants. Während wir das Fleisch in der Mitte des Tisches brieten, teilten wir uns die erste Flasche Soju. Während wir das Fleisch zusammen mit Reis und Soßen in Salatblätter wickelten und aßen, philosophierten wir über die großen und kleinen Herausforderungen des koreanischen Lebens, oder wir planten den Rest des Abends.

Seoul hat ein sehr lebhaftes Nachtleben. Ein paar der besten Clubs der Welt sind hier. Aber egal, ob es einen in die großen Clubs in Gangnam oder in die Studentenbars von Hongdae oder Sinjeon zieht, nirgends kommt man darum herum, bei einer weiteren geteilten Flasche Soju im Convenience Store um die Ecke und einer Portion Toppokki (Reiskuchen in einer scharfen Soße) wieder Kraft für den Rest der Nacht zu sammeln. Hatten wir keine Lust (mehr) auf Clubs, bot Seoul die perfekte Alternative: Karaoke. Anders als bei uns werden hier kleine private Räume mit Sofas, Diskobeleuchtung und einem Fernseher mit Karaoke-Maschine, vermietet. So privat traut sich dann fast jeder, zuerst sehr zaghaft und mit fortschreitendem Abend laut, Klassiker von Robbie Williams und den Backstreet Boys zu „singen“. Die meisten Nächte endeten früh morgens im Convenience Store bei einer Packung Instantnudeln.

Karaoke in Seoul
Um Karaoke kommt man in Seouls Nachtleben nicht herum (Bild: BillionPhotos.com/Fotolia)

Seoul – Spagat zwischen Moderne und Tradition

Seoul ist eine unglaublich moderne Stadt. Das U-Bahn-System ist eines der modernsten der Welt, im Businesszentrum überbietet ein Hochhaus das andere und in einigen U-Bahnstationen gibt es virtuelle Supermärkte. Andererseits hat sich dieses Land so schnell entwickelt, dass ich mir in einigen älteren Viertel vorkam, als sei ich in einer anderen Stadt. Außerdem ist es nicht selten, an , modernen Prunkbauten vorbeizukommen und dann plötzlich an einem Tempel aus dem Jahre 1400 zu stehen, mit seinem bunten Dach und dem Duft nach Weihrauch. Dieses Zusammentreffen von Moderne und Tradition macht den Charme von Seoul aus. Die kleinen Straßenstände vor den großen modernen Hochhäusern, in denen meist etwas ältere Koreaner traditionelle Snacks anbieten. Sowie das Viertel aus Hanok (traditionellen koreanischen Häusern), dass direkt an das Businesszentrum anschließt. An vielen Stellen trifft man auf diesen Widerspruch, der hier keiner zu sein scheint.

Traditionelle Hanok und moderne Architektur liegen in Seoul nicht weit auseinander
Traditionelle Hanok und moderne Architektur liegen in Seoul nicht weit auseinander (Bild: atakorn/Fotolia)

 

Ich habe in diesem Jahr in Seoul viele großartige und spannende Menschen kennenlernen dürfen, bin in eine ganz neue Kultur eingetaucht und durfte viele große und kleine Abenteuer erleben. Ich habe viel mitgenommen und denke immer wieder gerne an die Zeit zurück.

Mehr über die Hanyang University im offiziellen Video:

http://www.hanyang.ac.kr/web/eng/official-promotional-video

 

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