Die Idee ist simpel: Wenn ein Schlauch sich verengt und droht zu verstopfen, wird er geweitet und zur Stabilisation ein zweiter Schlauch eingesetzt. So funktioniert im Groben ein Stent. Das Prinzip lässt sich auf alle schlauchförmigen Organe wie Gefäße anwenden: von den Adern bis hin zur Speiseröhre oder dem Darm. Die Umsetzung dieser Idee ist jedoch alles andere als einfach. Das Material muss gut verträglich sein und es muss verhindert werden, dass sich im Inneren dieser Endoprothese erneut Verengungen bilden, zum Beispiel durch Ablagerungen. Inzwischen gibt es eine Vielzahl von Einsatzgebieten und eine dementsprechende Vielfalt an Stents. Einer der kleinsten misst rund 1 mm, einer der größten etwa 20 cm in der Länge.
Der erste Stent und das Motto vom Klempner
Die Idee zu einem Stent kam dem Radiologen Dr. Charles Dotter in den 1960er Jahren. Er hatte als erster in einer amerikanischen Uniklinik in Oregon 1964 gezielt einen Arterienverschluss mit einem Katheter gelöst – und rettete so das Bein einer Patientin mit Durchblutungsstörungen. Doch sein Motto „wenn ein Klempner es mit Rohren kann, kann ich es mit Blutgefäßen“ trug wenig zu seiner Reputation in der Ärzteschaft bei. Zehn Jahre später weitete der deutsche Kardiologe Dr. Andreas Grüntzig ein verengtes Herzkranzgefäß mit einem selbst entwickelten Ballonkatheter. Mehr als weitere zehn Jahre später, 1986, setzte der deutsche Kardiologe Dr. Ulrich Sigwart in Lausanne die ersten Stents in eine menschliche Koronararterie ein.
In dieser Rolle kennen die meisten Menschen die Stents auch: als Helfer bei verengten Gefäßen des Herzens oder des Gehirns. Sie können aber auch als Schutz vor Hirnblutungen bei „ausgeleierten“ Adern, so genannten Aneurysmen, verwendet werden, wie sie auch an der Bauch- und der Brustaorta auftreten können.
Stents können mehr als Gefäße aufweiten
Weniger bekannt sind Stents gegen die Verengung des Gallengangs, bei Speiseröhren- und Darmkrebs. Erst seit kurzem kommen Mini-Stents zum Einsatz, zur Vorbeugung bei Grünem Star, der durch erhöhten Augeninnendruck ausgelöst wird. Die winzigen, nur 1 mm langen Implantate dienen quasi als Abflussrohr für das Kammerwasser des Auges.
Die meisten Stents werden aber tatsächlich in Adern eingesetzt, Tendenz steigend: Laut der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e.V. (DGK) nimmt die Zahl implantierter Stents zum Offenhalten von Blutgefäßen stetig zu. Hochgerechnet gab es im Jahr 2014 in Deutschland 323828 solcher Eingriffe. Im Vergleich zu anderen Ländern werden in Deutschland besonders häufig Stents eingesetzt.
Per Katheter gelangt der Stent an seinen Zielort
Die Stents werden in der Regel per Katheter an den Einsatzort gebracht. Also quasi durch ein Werkzeug in einem Schlauch, in dem gleichzeitig der Stent enthalten ist. Der Eingriff erfolgt über die Blutbahn oder im Fall von Darm und Speiseröhre über ein Endoskop. Das ist im Vergleich zu einer offenen Operation schonender für den Patienten und verkürzt die Zeit, die er im Krankenhaus verbringen muss. Um gut zum Beispiel durch die Blutbahn zu kommen, müssen Stents klein zusammengefaltet werden. Am Einsatzort entfalten sie sich selbst oder müssen per Ballonkatheter aufgedrückt werden.
Unbeschichtete Metallstents – Bare Metal Stents oder kurz BMS – bestehen meist aus Magnesium- oder Eisenlegierungen. Seit 2002 sind aber auch so genannte „drug eluting stents“ (DES) im Einsatz, die kleine Mengen von Arzneistoffen freisetzen, um die Zellneubildung zu hemmen. DES entwickeln sich in Deutschland zum Standard bei der Behandlung verengter Herzkranzgefäße – bereits 2013 waren es laut Deutschem Herzbericht 79 % aller derartigen Eingriffe.
Stents – kein Fall für die Ewigkeit
Stents aus biologisch resorbierbarem Material werden Bioresorbable Vascular Scaffolds (BVS) genannt. Sie bestehen meist aus Milchsäure, die sich nach 6 bis 18 Monaten im Körper auflöst. Auch aus Magnesiumverbindungen lassen sich resorbierbare Stents herstellen. Der Vorteil solcher Varianten: Das stabilisierte Gefäß kann ohne den Stent wieder elastisch reagieren.
Und woher kommt eigentlich die Bezeichnung? Es gibt drei Erklärungsansätze: Einige Kardiologen und Herzchirurgen führen den Begriff auf das englische Wort „stenting“ zurück, was so viel wie Verstärken oder Einsteifen von Textilien heißt. Es könnte aber auch sein, dass der englische Zahnarzt Charles Stent Namensgeber war. Er entwickelte im 19. Jahrhundert ein Material, mit dem es erstmals möglich war, Zahn- und Kieferabdrücke zu nehmen. Und dann gibt es noch das altgriechische Wort „stenosis“, das „Verengung“ bedeutet – und als Stenose wird in der Medizin die Verengung von Blutgefäßen und anderen Hohlorganen benannt. Die ja Anlass für den Einsatz von Stents sein kann.