Sind wir krank, helfen uns meist Medikamente, die wir in Form von Tabletten oder Tropfen einnehmen oder als Salbe auf die Haut auftragen. Das heißt: Wir führen sie unserem Körper von außen zu. Wie wäre es, wenn die heilenden Wirkstoffe auf unsere Bedürfnisse maßgeschneidert direkt im Körper produziert und freigesetzt werden könnten, noch dazu genau dort, wo sie wirken sollen? Diese Frage stellten sich auch die Forschenden des Leibniz Wissenschaftscampus (LWC). Sie entwickelten Implantate, in denen in Hydrogele eingeschlossene, speziell programmierte lebende Materialien wie Bakterien oder Pilze medizinische Wirkstoffe produzieren. Diese können sie bedarfsgerecht in den Körper abgeben werden.
Da die Lebenden Therapeutischen Materialien (LTM) ihre Wirkstoffe genau dort produzieren und freisetzen, wo sie therapieren sollen, gibt es so gut wie keinen Wirkstoffverlust. Diese „Zero-Waste“-Eigenschaft macht sie sowohl ökonomisch als auch ökologisch attraktiv.
Engineered Living Materials: Das beste aus zwei Welten im Werkstoff kombiniert
Ein besonders eindrucksvolles Beispiel ist die im LWC entwickelte selbstbefeuchtende Kontaktlinse. Diese Linse enthält LTM, die Hyaluronsäure produzieren – ein bewährtes Mittel zur Behandlung des trockenen Auges, das üblicherweise in Form von Augentropfen verabreicht wird. Beim Tropfen gelangen allerdings weniger als 5 % des Medikaments tatsächlich ins Auge. Die restlichen 95 % gehen verloren.
Transfer in die Anwendung – aber Organismen müssen unter Kontrolle bleiben
Aktuell bewegen sich die Wissenschaftler des LWC mit ihrer Forschung noch weitestgehend im Labor. Im Mittelpunkt der Weiterförderung steht die Vorbereitung des Transfers ihrer Technologie in die Anwendung. Dabei werden sie vom Innovations-Zentrum des Leibniz-Institut für Neue Materialien (INM) unterstützt.
Die Wissenschaftler sollen dazu konkrete medizinische Szenarien bewertet, in denen die LTM eine sinnvolle Alternative zum bisher üblichen Weg der Wirkstoffgabe darstellen. Genauer auf den Prüfstand müssen noch die Übergänge zwischen LTM-Implantat und Körper. Es muss gewährleistet sein, dass ausschließlich die Wirkstoffe in den Körper gelangen, keinesfalls aber die wirkstoffproduzierenden Organismen.
Tissue Engineering: Lebende Ersatzteile kommen aus dem Labor
Bis zur Zulassung der LTM gilt es noch einige regulatorische Hürden zu überwinden. Dazu sind die Partner bereits mit Zulassungsbehörden und Industrie im Gespräch.
An der Umsetzung der Ziele des LWC wirken mit
- das Leibniz-Institut für Neue Materialien (INM),
- die Universität des Saarlandes (UdS) und
- das Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS).
Das sind neben den 19 wissenschaftlichen Leitern aus den Partnerinstitutionen drei Forschungsgruppen und 21 Doktoranden.
Fördermittel aus mehreren Quellen
Die Leibniz-Gemeinschaft und das Saarland beteiligen sich mit insgesamt 1,6 Mio. Euro an der Finanzierung für die gemeinsame Erforschung neuer Materialien für die personalisierte Verabreichung von Biotherapeutika auf dem Saarlandcampus. Neben der Förderung durch die Leibniz-Gemeinschaft und das Saarland leistet das INM aus eigenen Mitteln einen Beitrag in Höhe von 600 000 Euro für das Projekt. Auch die Universität des Saarlandes sowie das HIPS beteiligen sich mit jeweils 400 000 Euro, sodass insgesamt 3 Mio. Euro für die Forschung im Forschungsverbund zur Verfügung stehen.
Kontakt:
LWC Lebende Therapeutische Materialien
Prof. Dr. Aránzazu del Campo
Wissenschaftliche Geschäftsführerin und CEO
Telefon: +49 (0)681 9300 510
E-Mail: Aranzazu.delCampo@leibniz-inm.de