Schon heute produzieren Spezialisten der regenerativen Medizin individualisierte Implantate und orthopädische Hilfsmittel mittels 3D-Druck. Und für die Zukunft erwarten sie vielfältige neue Einsatzmöglichkeiten, unter anderem in der Gewebezüchtung, dem Tissue Engineering. In klassischen Verfahren der Gewebezüchtung werden 3D-Gerüste mit Zellen besiedelt, um daraus Ersatz für irreparabel geschädigtes Gewebe reifen zu lassen. Im Unterschied dazu liefert die sogenannte Biofabrikation mit Hilfe neuester 3D-Drucktechniken aus Zellen und Gerüstmaterialien Strukturen, die dem natürlichen Gewebe im Aufbau nachgeahmt sind. Dadurch soll eine schnellere und bessere Ausbildung von funktionalem menschlichem Gewebe erreicht werden.
Kontrolle im laufenden 3D-Druckprozess
Allerdings: „Die Biofabrikation steckt als Forschungsfeld noch in den Kinderschuhen. Dem hohen Potenzial und ersten Erfolgen mit einfachen Strukturen stehen grundlegende Herausforderungen gegenüber“, sagt Prof. Jürgen Groll. Dazu gehört beispielsweise die Tatsache, dass derzeit keine Methoden zur Charakterisierung der Strukturen sowohl direkt während des Drucks als auch während der Gewebereifung existieren.
Jürgen Groll ist Inhaber des Lehrstuhls für Funktionswerkstoffe der Medizin und der Zahnheilkunde der Universitätsklinik Würzburg. In dem Forschungsprojekt „Photon Control“ sucht er in den kommenden zwei Jahren gemeinsam mit Dr. Gereon Hüttmann vom Institut für Biomedizinische Optik der Universität Lübeck nach einem geeigneten Verfahren zur Qualitätskontrolle für künstliche Gewebeimplantate.
Zerstörungsfreie Messung des Gewebes gesucht
„Die Qualitätskontrolle während des Druckprozesses bedeutet eine große Herausforderung“, erklärt Jürgen Groll. Schließlich müssten diese Messungen zerstörungsfrei ablaufen und auf den Einsatz spezieller Marker verzichten. „Wir können beispielsweise keine chemischen Farbstoffe verwenden, da diese die Gewebereifung der gedruckten Konstrukte beeinflussen können“, so Groll. Es gehe darum, die relevanten chemischen, biochemischen und morphologischen Informationen zu erfassen. Wegen der teilweise langen Druckzeiten sei außerdem eine Charakterisierung bereits während des Druckens wünschenswert.
Zwei Techniken sind nach Ansicht der Wissenschaftler geeignet, diesen Anforderungskatalog zu erfüllen: die optische Kohärenztomographie (OCT) und die Raman-Spektroskopie (Raman). Beide Verfahren kommen ohne Farbstoffe als Marker aus und sind nicht invasiv, das heißt, sie schädigen das Gewebe nicht. In ihren Eigenschaften ergänzen sie sich gut: OCT ermöglicht eine strukturelle Bildgebung in Echtzeit und kann mechanische Eigenschaften quantitativ messen; Raman liefert molekulare Informationen zur chemischen und biochemischen Charakterisierung dreidimensionaler Gewebestrukturen.
Forschungsarbeiten sollen fortgesetzt werden
Im neuen Forschungsprojekts „Photon Control“ werden die beteiligten Forscher nun die von ihnen 3D-gedruckten Thermoplaste und Hydrogele zunächst mit klassischen Methoden und anschließend mittels OCT und Raman untersuchen. Die Ergebnisse dieser Arbeit könnten in ein weiterführendes Verbundprojekt münden, das die Umsetzung in eine Systemlösung aus optischen Messverfahren wie OCT und Raman und 3D-Drucktechnologie verfolgt. Damit soll es möglich sein, Druckprozesse zu steuern, regeln und überwachen sowie die lebenden Zellen in diesen Produkten zu kontrollieren.