Künstliche Hüft- und Kniegelenke sind in Deutschland der häufigste Grund für Rehamaßnahmen. Um sich schnell wieder normal bewegen zu können, müssen die Patienten an einer ausgedehnten stationären Rehabilitation teilnehmen. Das Problem: In strukturschwachen Regionen stehen oft nicht ausreichend Angebote zur Verfügung. Gleichzeitig werden gebuchte Gesundheitsprogramme nicht wahrgenommen, weil die Termine mit den Arbeitszeiten kollidieren oder die Anfahrtswege zu lang sind. „Eine Herausforderung insbesondere für Berufstätige in ländlichen Regionen. Internetbasierte telemedizinische Angebote können hier eine sinnvolle Ergänzung sein“, sagt Dr. Michael John vom Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme (Fokus) in Berlin.
Wirksamkeit bereits nachgewiesen
Im Projekt „Remove-It“ haben die Berliner Forscher zusammen mit Reha-Kliniken, Sportmedizinern und Rehabilitations-Wissenschaftlern eine telemedizinisch gestützte Bewegungstherapie nach Hüft- oder Kniegelenkersatz entwickelt. Sie basiert auf dem System Meine Reha des Fraunhofer Fokus. Die Partner haben in einer repräsentativen Studie ihre Wirksamkeit nachgewiesen und wollen es ab 2019 als Medizinprodukt für stationäre und ambulante Reha-Einrichtungen anbieten.
Auf den Patienten zugeschnittene Videos
Kern der telemedizinisch gestützten Bewegungstherapie sind Videos, auf denen der Therapeut die verschriebenen Übungen ausführt und der Patient diese vor dem Bildschirm nachahmt. Die Videos sind vom jeweiligen Therapeuten selbst eingespielt und auf jeden Patienten individuell zugeschnitten. Es sind stehende, sitzende und liegende Übungen möglich. Noch während der Bewegungsausführung erhält der Patient Korrekturhinweise, falls sie nicht den medizinischen Vorgaben entspricht. Nachdem er die Übung absolviert hat, erhält der Patient eine Rückmeldung zur ausgeführten Qualität in Form von Rot- und Grün-Markierungen, die den einzelnen Körperbereichen Oberkörper, Arme und Beine zugeordnet sind.
Arzt erhält Bewegungsdaten via Internet
Im Anschluss an die Therapiesitzung bekommt das medizinische Personal in der Klinik die während des Übungsablaufs dokumentierten Bewegungsdaten via Internet zugesendet. Der betreuende Arzt und Therapeut haben dadurch einen Überblick über Leistungsstand und -entwicklung des Patienten, können den Therapieplan optimal an dessen Therapiefortschritt anpassen. Mit Hilfe von Text-, Audio- und Videonachrichten bleiben behandelnder Arzt, Therapeut sowie Patient kontinuierlich miteinander in Kontakt. Patienten müssen dafür eine kleine 3D-Kamera mit Internetzugang und die entsprechende Software erwerben sowie über einen handelsüblichen TV-Bildschirm verfügen. Vorab werden sie durch Therapeuten in die Benutzung des Systems eingeführt.
„Bis 2019 planen wir, ein Medizinprodukt anzubieten, dass zwischen 29 und 49 Euro im Monat kostet. Gleichzeitig prüfen wir dessen Einsatz für andere Volkskrankheiten, die mit Bewegungstherapie behandelt werden können: zum Beispiel Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Parkinson“, sagt John.