Münchner Marienplatz, kurz vor Ladenschluss: Eine Person bricht zusammen, liegt bewusstlos am Boden und atmet nicht mehr. Dieses Szenario beschreibt einen akuten Kreislaufstillstand, bei dem es nur eine richtige Reaktion gibt: Umgehend mit der Herzdruckmassage zu beginnen. Bei einem Kreislaufstillstand zählt jede Minute. Doch nach Angaben der Gesellschaft für Anästhesiologie sehen sich nur 15 % der Deutschen in der Lage zu einer solchen Sofortmaßnahme, ohne die die Überlebenschance des Patienten gering ist. Die Folge: Rund 10 000 Menschen sterben hierzulande jährlich in Folge eines Herz-Kreislaufversagens, obwohl sie gerettet werden könnten.
Überlebensrate lässt sich durch Herzdruckmassage deutlich verbessern
„Aus Angst vor Fehlern unternehmen viele gar nichts oder führen die Herzdruckmassage zu zaghaft aus“, sagt Dr. Holger Böse, wissenschaftlich-technischer Leiter des Center Smart Materials am Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC in Würzburg. Mit Rescue Aid, einer neuartigen Reanimationsmatte, möchte der Physiker Ersthelfern die Scheu vor der Rettungsmaßnahme nehmen.
„Die Überlebensrate lässt sich durch eine korrekte Herzdruckmassage deutlich verbessern. Rescue Aid vereinfacht die Reanimation“, so Dr. Böse. Zudem wird der direkte Körperkontakt vermieden, die Hemmschwelle und die Berührungsangst des Helfers sinken. Entwickelt wurde die Matte aus Silikon im Fraunhofer-Designwettbewerb „Form Follows Future“, der Wissenschaft und Design vernetzt: Die Gestaltung übernahmen Studierende der Hochschule für angewandte Wissenschaften in München mit Unterstützung der SYN-Stiftung.
Verformungssensoren messen die Drucktiefe bei der Herzdruckmassage
Die Reanimationsmatte, die dem menschlichen Torso nachempfunden ist, wird auf den Oberkörper aufgelegt. In der Matte integrierte, sternförmig angebrachte Verformungssensoren aus Silikon messen die Drucktiefe. „Durch den Druck der Hand verformen sich die Sensoren, diese registrieren den Verlauf des Druckvorgangs“, erläutert Böse. Die Sensoren sind per Kabel mit einer Elektronik und LEDs verbunden, die sich in einem Kästchen am oberen Mattenrand befinden und durch einen Lichtcode anzeigen, ob ausreichend gedrückt wird.
Dies ist der Fall, wenn die grünen LEDs aufleuchten. „Je stärker der Druck ausfällt, desto mehr Lampen leuchten auf. Verschiedene rote LEDs signalisieren, dass der Druck zu stark war. Die Elektronik steuert die LEDs“, erklärt der Forscher. So kann der Helfer die Drucktiefe seiner Hände permanent überprüfen und gegebenenfalls korrigieren. Ein akustisches Signal gibt zudem den Rhythmus der Kompression vor.
Rescue Aid als Bestandteil von Erste-Hilfe-Sets
In Tests mit einer Puppe, die für Wiederbelebungstrainings verwendet wird, konnten der Forscher und sein Team nachweisen, dass Rescue Aid funktioniert. Die Matte liegt als Demonstrator vor, sie soll optimiert und an unterschiedliche Personengrößen angepasst werden.
Aufgrund des technologischen Ansatzes und der einfachen Elektronik lässt sich die Reanimationsmatte kostengünstig fertigen. „Wir können uns gut vorstellen, dass Rescue Aid künftig fester Bestandteil eines Erste-Hilfe-Sets ist“, sagt Böse.