Die wirtschaftliche Lage deutscher Krankenhäuser hat sich im Jahr 2018 erneut verschlechtert. 13 Prozent der Häuser lagen im „roten Bereich“ mit erhöhter Insolvenzgefahr. Die Erträge sind ebenfalls gesunken, wohl auch aufgrund der weiter gesunkenen Anzahl stationärer Fälle. In diesem Jahr könnten die verschiedenen Stützungsmaßnahmen aus dem Covid-19-Gesetz zwar wohl zu einem positiven Netto-Effekt für die Kliniken führen, der jedoch im Jahr 2021 voraussichtlich größtenteils wieder entfällt. Zu diesen und vielen weiteren Ergebnissen kommt die sechzehnte Ausgabe des „Krankenhaus Rating Report“, der im Rahmen des „Hauptstadtkongress 2020 – Medizin und Gesundheit“ der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.
Datengrundlage des „Krankenhaus Rating Report 2020“ sind 515 Jahresabschlüsse von Krankenhäusern aus dem Jahr 2017 und 525 aus dem Jahr 2018. Sie umfassen insgesamt 942 Krankenhäuser mit einem am Umsatz gemessenen Marktanteil von 71 Prozent. Der Report wird gemeinsam vom RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung und der Institute for Healthcare Business GmbH (HCB) in Kooperation mit der Bank im Bistum Essen (BIB) und der Healthcare Information and Management Systems Society (Himss) erstellt.
Die wichtigsten Ergebnisse zum Krankenhaus-Rating und dem Status quo:
- Dass sich im Jahr 2018 die wirtschaftliche Lage deutscher Krankenhäuser verschlechtert, zeigt sich an der Zunahme der Häuser, die erhöhte Insolvenzgefahr signalisieren. 2017 wurden elf Prozent dem „roten Bereich“ zugeordnet, 2018 waren es 13 Prozent. Knapp zwei Drittel der Krankenhäuser (64 Prozent) fielen 2018 allerdings auch in den „grünen Bereich“. Die Ertragslage hat sich 2018 auch etwas verschlechtert: 29 Prozent der Krankenhäuser schrieben auf Konzernebene einen Jahresverlust, 2017 waren es noch 27 Prozent.
- Als ausschlaggebend für die schlechtere wirtschaftliche Lage nennen die Autoren der Untersuchung auch den erneuten Rückgang der stationären Fallzahl im Jahr 2018 um 0,1 Prozent . Gründe hierfür könnten der zunehmende Fachkräftemangel und intensivere Prüfungen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) sein, verbunden mit einer zunehmenden Ambulantisierung der Medizin. Im Jahr 2019 dürfte sich diese Entwicklung fortgesetzt haben.
- Große Krankenhäuser haben typischerweise ein besseres Rating als kleine, ein hoher Grad an Spezialisierung beeinflusst das Rating und die Patientenzufriedenheit positiv. Kliniken in freigemeinnütziger und privater Trägerschaft schneiden durchschnittlich besser ab als kommunale Kliniken.
- Regional fällt das Rating am schlechtesten in Baden-Württemberg, Hessen und Bayern aus, signifikant besser in Ost-Deutschland.
- Die Krankenhausstrukturen haben sich dynamisch weiterentwickelt. Viele Landkreise befassen sich inzwischen intensiv mit der Frage, wie sie eine nachhaltig stabile Struktur schaffen und dabei die flächendeckende Grundversorgung gewährleisten können. Vielfach wird im Zentrum einer Region eine leistungsfähige moderne Medizin mit hoher Qualität für die Bevölkerung angeboten. Die Peripherie wird durch solide ambulante und telemedizinische Angebote an das Zentrum angedockt. Gleichwohl zeigt eine Sonderanalyse, dass schätzungsweise 40 Prozent der Landkreise instabile Krankenhausstrukturen aufweisen und sie damit in den kommenden Jahren Handlungsbedarf haben.
- Auch im vertragsärztlichen Bereich gibt es große Veränderungen. Zwar arbeiten dort immer mehr Ärzte, allerdings hat der Anteil derjenigen mit Teilzeittätigkeit in einem Zeitraum von zehn Jahren deutlich zugenommen: von acht Prozent im Jahr 2009 auf 36 Prozent im Jahr 2019. Überdies arbeiten immer mehr ambulant tätige Ärzte in einem Angestelltenverhältnis. Im Jahr 2008 waren es sechs Prozent, im Jahr 2019 schon 22 Prozent.
- Erstmals wurden im Report mehrere Einflussfaktoren auf die Zufriedenheit der Patienten mit der ärztlichen und pflegerischen Versorgung sowie die Frage nach einer Weiterempfehlung untersucht. Insgesamt fallen die Zufriedenheitswerte hoch aus, am besten sind sie in Ostdeutschland, gefolgt von Süddeutschland. Freigemeinnützige Träger schneiden bei der Zufriedenheit mit der pflegerischen Betreuung besser als öffentlich-rechtliche und private Träger ab. Sie punkten auch bei der „Weiterempfehlung“. Der Stadt-Land-Vergleich zeigt: In städtisch geprägten Gebieten fällt die Zufriedenheit mit der ärztlichen Versorgung besser, mit der pflegerischen Betreuung indessen schlechter aus.
Investitionen: Fördermittel gesunken, Ausgleich schwierig
Die Fördermittel nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) lagen im Jahr 2018 bei 3,04 Milliarden Euro. Gegenüber dem Vorjahr lagen sie damit um ein Prozent, gegenüber dem Jahr 2016 um 7,4 Prozent höher. Im langfristigen Trend sind sie aber zurückgegangen. Bezogen auf den Krankenhausumsatz beliefen sie sich im Jahr 2018 auf nur 3,4 Prozent (1991: rund zehn Prozent). Zum Erhalt der Unternehmenssubstanz sollten jährlich sieben bis acht Prozent des Umsatzes in Investitionen fließen. Krankenhäuser schließen diese Lücke zum Teil aus eigener Kraft, was ihnen in jüngster Zeit aufgrund ihrer schwierigeren Ertragslage immer schlechter gelingt. Besonders freigemeinnützige Träger haben ein geringes Sachanlagevermögen.
Auch einen Blick in die Zukunft kann man aus den Informationen ableiten. Die Projektionen:
- Die Gesundheitspolitik legt ein hohes Tempo bei der Reform des Gesundheitswesens vor. Im Durchschnitt wurde in der laufenden Legislaturperiode fast jeden Monat ein neues Gesetz beschlossen. Gegenüber dem Jahr 2018 ist für 2019 in der Summe über alle Maßnahmen der einzelnen Gesetze für Krankenhäuser ein finanzieller Netto-Effekt von etwa null zu erwarten. In diesem Jahr könnten die verschiedenen Stützungsmaßnahmen aus dem Covid-19-Gesetz – Stand 30. April 2020 – zu einem positiven Netto-Effekt führen, der jedoch im Jahr 2021 voraussichtlich größtenteils wieder entfällt, sodass spätestens 2022 wieder das „Normalniveau“ erreicht wird. Für einzelne Krankenhäuser kann der Effekt jedoch sehr unterschiedlich ausfallen.
- Die Ambulantisierung der Medizin dürfte sich beschleunigen. Die mit dem MDK-Reformgesetz initiierte Überarbeitung des Katalogs „ambulantes Operieren“ und künftig mögliche sektorenübergreifende Vergütungsmodelle dürften neben Fortschritten in der Medizin dazu beitragen. Unter anderem weil die Arbeitsplatzsicherheit im Gesundheitswesen im Vergleich zu anderen Wirtschaftsbranchen während und nach der Covid-19-Pandemie steigen dürfte, könnte sich der Personalmangel im Krankenhausbereich mittelfristig vorübergehend entschärfen. Langfristig bleiben die mit dem rückläufigen Nachwuchs verbundenen Herausforderungen indessen bestehen.
- Bei den Fallzahlen ist für dieses Jahr wegen der Verschiebung von elektiven (aufschiebbaren) Fällen ein spürbarer einmaligen Rückgang von mindestens sechs Prozent zu erwarten. Annahme ist, dass nur 50 Prozent der verschobenen Elektivfälle im stationären Bereich dieses und kommendes Jahr nachgeholt werden. Spätestens ab 2022 ist hinsichtlich der Fallzahlen von einer Rückkehr zum Status 2019 auszugehen. Demografisch bedingt dürfte es bundesweit bis zum Jahr 2025 etwa vier Prozent mehr Fälle geben. Würde das ambulante Potenzial ab 2019 schrittweise gehoben, wäre bis 2030 dagegen kaum noch mit einer Änderung der stationären Fallzahl zu rechnen. Bis zum Jahr 2030 dürfte zudem die Verweildauer weiter zurückgehen, sodass der Bedarf an Krankenhausbetten sinken würde.
- Bei Fortschreibung des Status quo, eines steigenden Orientierungswertes und einem stärkeren Wachstum der Löhne würde der Anteil der Krankenhäuser im grünen Rating-Bereich von 64 Prozent bis 2025 auf 54 Prozent sinken. Eine vorübergehende wirtschaftliche Erholung könnte in den durch die Pandemie geprägten Jahren 2020 und 2021 zu erwarten sein.
Weitere Trends und Herausforderungen sind:
- Die Covid-19-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig es ist, ein Gesundheitswesen so aufzustellen, dass es im Falle eines selten eintretenden katastrophalen Ereignisses die vorhandenen Ressourcen rasch umwidmen und weitgehend unabhängig von anderen Staaten agieren kann. Dazu braucht es konsequent durchdachte Konzepte für verschiedene Katastrophenfälle. Darin muss geklärt sein, wie die knappen Ressourcen des Gesundheitswesens zugeteilt werden, wie das „Katastrophen-Controlling“ erfolgt und welche Versorgungsdaten dazu erforderlich sind, wie Ausfallkonzepte aussehen und wer welche Verantwortung trägt.
Darüber hinaus müssen Lieferketten so gestaltet werden, dass sie nicht allein auf einem Zulieferunternehmen und einer Weltregion aufsetzen. Zudem muss es im Katastrophenfall umgehend möglich sein, die heimische Produktion derart umzustellen, dass sie wichtige Güter zur Bewältigung der Katastrophe herstellen kann. Ebenso ist ein deutlicher Ausbau der Telemedizin anzustreben. In all diesen Punkten sollten die Erfahrungen der aktuellen Pandemie für weitere Verbesserungen genutzt werden. - Die Gestaltungsfreiheit auf regionaler Ebene sollte erhöht und die Detailregulierung vermindert werden, um innovativen und effizienzsteigernden Versorgungsansätzen einen größeren Raum zu geben. Insbesondere sollten sektorenübergreifende Versorgungs- und Vergütungsmodelle die Ambulantisierung in der Medizin unterstützen. Dazu könnten vor allem in ländlichen Gegenden regionale Gesundheitsbudgets erprobt werden. Für die dazu nötige Anpassung von Versorgungsstrukturen braucht es außerdem Investitionsmittel.
„Spätestens nach der Bundestagswahl im Herbst 2021 werden die massiven finanziellen Belastungen aus der Covid-19-Pandemie im gesamten Gesundheitswesen zu spüren sein“, sagt RWI-Gesundheitsexperte Prof. Dr. Boris Augurzky. Umso wichtiger sei es, die Gesundheitsversorgung effizient und demografiefest zu gestalten. „Die Covid-19-Pandemie hat der Digitalisierung des Gesundheitswesens einen Schub verliehen, den es zu nutzen gilt“, ergänzt Sebastian Krolop von der Healthcare Information and Management Systems Society.
Zur Bestellung des Krankenhaus Rating Report 2020