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Mit digitalem Zwilling zu Patientengerechten Implantaten

Medica: Hüft- und Kniegelenkersatz
Mit digitalem Zwilling zum personalisierten Implantat

Mit digitalem Zwilling zum personalisierten Implantat
Modell am Computer zeigen physiologische Gelenkbewegungen anhand individueller muskuloskelettaler Menschmodelle (Bild: Fraunhofer IPA)
Forschende stellen personalisierte Implantate und Orthesen her. Dazu nutzen sie computergestützte Funktionsprüfungen und neuartige Menschmodelle. Für Betroffene bedeutet dies eine erhöhte Passgenauigkeit, was spätere Komplikationen minimiert.

Aktuelle Studien zeigen, dass die Zahl jüngerer Menschen mit künstlichen Gelenken wächst. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Sie reichen von rheumatischen Erkrankungen über vermehrtes Übergewicht, angeborene Skelettschädigungen und Fehlstellungen bis hin zu Schädigungen durch Tumore. Gleichzeitig steigt die Lebenserwartung, und die Betroffenen wünschen sich hohen Mobilität. Die Rate für eine erste Revision von Knie- und Hüftendoprothesen in Deutschland ist bei unter 65-jährigen am höchsten, sie liegt bei Männern bei 100 %, für Frauen bei 41 %. Die Herausforderungen an endo- aber auch an exoprothetische Lösungen sind also groß.

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Um diesen zu begegnen, entwickelt die Forschergruppe „In Silico Orthopedics“ am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA in Stuttgart eine neuartige In-Silico-Human-Modelling-Plattform. Sie ist konzipiert für die Forschung und Entwicklung von Medizinprodukten in der Orthopädie. Auf ihr haben die Forschenden zahlreiche manuelle Fertigungsschritte digitalisiert und in einen virtuellen Prozess überführt. Dadurch können sie nun mit der Simulationssoftware alle Arten von Gelenkersatz, Prothesen und Orthesen ganz auf den Patienten zugeschnitten herstellen – nachhaltig, schnell, passgenau und unter der Einhaltung hoher Qualitätsstandards.

Digitalisierung

Implantat am digitalen Zwilling testen

Dazu stellt die Software einen digitalen Zwilling des Patienten her, in dem sie quasi dessen Muskel-Sehnensystem mit allen Details modelliert. Sie greift dazu unter anderem auf weltweit einzigartige, individuelle muskuloskelettale Menschmodelle für die Orthopädie zurück. Diese werden aus medizinischen Bildgebungsdaten wie MRT und Ultraschall generiert. Mithilfe dieser 3D-Finite-Elemente-Modelle simuliert die Software die biomechanischen Eigenschaften der Muskeln, Sehnen und Bindegewebestrukturen mit realistischen physiologisch dynamischen Bewegungen – sowohl vor als auch nach dem Einsatz von Implantaten.

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Auch die Plastische Chirurgie profitiert von der neuen Lösung: Nach neuromuskulären Erkrankungen wie Zerebralparesen leiden Patienten oftmals unter muskulären Dysfunktionen des Sprunggelenks. Sind diese konservativ nicht mehr behandelbar, ist für die Sprunggelenkskorrektur ein Muskel- oder Sehnentransfer erforderlich. Dieser kann etwa von einem Zeh zu einem anderen erfolgen. Auch eine Sehnenverlängerung kann notwendig sein, um das sensitive muskuläre Gleichgewicht neu zu justieren.

Die Auswirkungen dieser Intervention kann der Chirurg vor dem Eingriff mit der In-Silico-Human-Modelling-Plattform testen. Dort kann er verschiedene Parameter wie Geometrie, Richtung, Positionierung, Belastung, Länge und vieles mehr variieren. So lässt sich beispielsweise eine Überkorrektur vermeiden.

Individuelle Orthese per 3D-Druck

„Durch die realistischen Simulationen erhalten die Chirurgen präzise Hinweise, wie sich einzelne Maßnahmen auswirken“, erläutert Dr. Okan Avci, Leiter des Virtual Orthopedic Lab am Fraunhofer IPA. „Auf diese Weise lässt sich das Wissen erfahrener Ärzte konservieren. Weniger geübte Chirurgen können mit der Software lernen. Es ist auch ein Weg, Standards zu verbessern, da wir ein nachvollziehbares System etablieren.“

Virtuelle klinische Studien für neue Implantate

Ein weiteres Anwendungsfeld der Software-Plattform sind virtuelle klinische Studien. Patientenspezifische Funktions- und Wirksamkeitsanalysen von Implantaten können derzeit in klinischen Studien nicht oder nur selten ermittelt werden, da sie zu teuer und zu aufwendig sind. Denn die Suche nach geeigneten Patientengruppen, so genannten Kohorten, gestaltet sich oftmals schwierig. Mehr als 50 Probanden finden sich häufig nicht.

Ein Herz für virtuelle Zwillinge

Laut einer neuen Verordnung für Medizinprodukte muss die Wirksamkeit von Prothesen jedoch künftig nachgewiesen werden. Dies ist nun durch die Menschmodelle und Simulationen möglich. Mit ihnen können Hersteller viele virtuelle Patientenkohorten erzeugen und unterschiedlichste Variationen an Implantaten berechnen.

„Unzählige Faktoren wie die Größe der Prothese, die Muskelkraft und vieles mehr lassen sich berücksichtigen“, sagt der Ingenieur. „Das wird die Evidenz vorantreiben, da man die Effekte analysieren kann.“

Medizintechnische Unternehmen und Kliniken können die gewünschten Menschmodelle künftig für ihre weitere Forschung und Entwicklung lizensieren. Aktuell arbeiten der Forscher und sein Team mit einem Implantathersteller an einem Menschmodell, um an diesem ein Knieersatzimplantat zu simulieren und zu analysieren, das bei Skelett-Tumoren Einsatz findet.

Die In Silico Human Modelling-Plattform hat das Forscherteam auf der Medica 2023 in Düsseldorf vorgestellt.

www.fraunhofer.de

www.ipa.fraunhofer.de

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