Künstliche Intelligenz (KI) schickt sich an, die Medizin zu revolutionieren. Auch auf dem Campus der Hochschulmedizin Dresden: Hier sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf dem besten Weg, mit dem Einsatz eines KI-basierten Softwaresystems das Personal in Pathologischen Instituten zu entlasten. Bedarf dafür gibt es. Allein die Ausweitung des Tumorscreenings erhöht seit Jahren die Zahl der untersuchten Fälle. Innovationen in der Krebstherapie machen die Diagnostik komplexer, und das Fachpersonal muss entsprechende Qualifikationen haben.
Künstliche Intelligenz: Medizinische Bilddaten schnell analysieren
Systeme mit künstlicher Intelligenz könnten vor allem in der Bildanalyse helfen, diesen Herausforderungen zu begegnen. Mit ihrer Hilfe könnten Gewebemerkmale automatisiert schnell analysiert werden, auch Strukturen lassen sich quantifizieren, um daraus diagnostische Parameter zu berechnen – die wiederum die Auswahl der Therapien optimieren.
Aktuell läuft so eine Untersuchung noch manuell ab. Pathologinnen und Pathologen oder entsprechend geschultes medizinisches Personal zählen hierfür sichtbar gemachte Tumormarker-Signale in rund 20 Zellkernen von mikroskopiertem Gewebe repräsentativ stichprobenartig aus. Daraus lassen sich Rückschlüsse auf das Tumorwachstum ziehen. Die Erfolgsquote wird regelmäßig in Ringversuchen getestet. Bei Unklarheiten im Auszählungsprozess wird zusätzliches Fachpersonal konsultiert und die Analyse gegebenenfalls wiederholt, teilweise auch mit einer höheren Anzahl an Zellkernen.
Kontrollen in manuellen Verfahren sind gut – KI könnte es besser
Dieses Kontrollverfahren senkt zwar die Gefahr individueller Fehler, erhöht den Zeit- und Personalaufwand jedoch massiv. Eine KI-basierte Auswertung würde das Prozedere beschleunigen und potenziell verlässlicher gestalten.
Das Universitätsklinikum Dresden und das Dresdner Start-Up Asgen arbeiten derzeit daran, eine solche KI in der Diagnostik von Brust- und Magenkarzinomen einzusetzen. Innerhalb weniger Minuten sollen mikroskopische Aufnahmen ganzer Tumorareale automatisch analysiert werden. Das dafür von Asgen entwickelte System trägt den Namen Paikon. Mit diesem als Her-2-Fish-Analyse bezeichneten Verfahren wird die Ausprägung von Tumormarkern untersucht, die für Brust- und Magentumore relevant sind.
KI grenzt Bereiche ein – Pathologen können eingreifen
Paikon grenzt zu analysierende Bereiche (ROI: Region of interest) ein, und Zellkerne sowie darin enthaltene Tumormarker lassen sich automatisch erkennen. Auswahl der ROI und Segmentierung der Zellkerne können dabei sowohl vollautomatisch als auch manuell ablaufen, Pathologinnen und Pathologen können also jederzeit intervenieren.
Prof. Gustavo B. Baretton, Direktor des Institutes für Pathologie am Universitätsklinikum in Dresden, hält eine Co-Existenz von KI sowie Pathologinnen und Pathologen für erforderlich: Das schaffe Akzeptanz und ermögliche es, KI als Assistenz und nicht als Ersatz für die eigene Arbeit zu begreifen. „Dennoch befinden wir uns in einer Phase, in der KI-Lösungen eine immer wichtigere Rolle für die Zukunftsfähigkeit der Pathologie spielen“, sagt Prof. Baretton. „Als Institut sind wir offen für entsprechende Anwendungen und freuen uns über die Zusammenarbeit mit Asgen und das weltweite Interesse an solchen Lösungen.“
Leuchtturmprojekt Empaia: Mehr KI für pathologische Institute
Sowohl das Start-up als auch das Institut für Pathologie des Universitätsklinikums Dresden sind in Empaia vertreten. Dieses KI-Leuchtturmprojekt des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) wurde als eines von 16 Verbundprojekten aus ursprünglich 130 Einreichungen ausgewählt. Mit einer Förderung von 11 Mio. Euro über drei Jahre und weiteren 6,2 Mio. Euro von Industriepartnern wie Philips oder Roche soll Empaia schnell dazu führen, das ein Ökosystem entsteht, in dem KI-Lösungen für pathologische Institute in ganz Deutschland entwickelt werden können.
Neben Partnern aus Industrie und Verbänden besteht das Konsortium aus einer Reihe von klinischen Referenzzentren, in denen innovative KI-Produkte vorab getestet werden sollen. Aktuell läuft im Institut für Pathologie des Dresdner Uniklinikums vor diesem Hintergrund die Validierungsphase von Paikon.
Einfluss der KI und Einfluss von Individuen erkennen
Mit Hilfe des Fachwissens am Institut wird die KI-Lösung trainiert. Die Datensätze dafür stammen aus Aufzeichnungen von Markierungen und Klassifizierungen von Zellkernen durch viele unabhängige Pathologinnen und Pathologen. So soll kollektives Wissen gebündelt werden. Gleichzeitig soll sich zeigen, ob und wie das Softwaresystem die Qualität und Geschwindigkeit pathologischer Untersuchungen beeinflusst und wie groß ein möglicher Einfluss auf individueller Ebene ist.
Um die KI in den klinischen Alltag zu bringen, ist im Rahmen des Aufbaus des Else-Kröner-Fresenius-Zentrums (EKFZ) für Digitale Gesundheit auch eine Professur für Clinical Artificial Intelligence (AI) ausgeschrieben. Prof. Jochen Hampe, wissenschaftlicher Sprecher des EKFZ für Digitale Gesundheit, sagt: „Künstliche Intelligenzen spielen am Campus Dresden eine immer größere Rolle und werden immer gewinnbringender eingesetzt.“ Am EKFZ für Digitale Gesundheit wurden auch Fördermittel vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) eingeworben, mit denen Zulassungsprozesse von Medizinprodukten durch KI sicherer und transparenter gestaltet werden sollen.
Weitere Projektvorhaben sind bereits eingereicht, und Paikon soll bei positivem Befund der Validierung bereits ab Ende des Jahres routinemäßig bei der Brustkrebsanalyse eingesetzt werden.
Mehr zum Institut unter: www.ukdd.de/pat