Immer mehr Menschen leiden an altersbedingten Sehstörungen. In vier von fünf Fällen wären diese laut der Weltgesundheitsorganisation vermeidbar, wenn sie frühzeitig diagnostiziert würden. Ein europäisches Wissenschaftlerteam unter Beteiligung des Jenaer Leibniz-Instituts für Photonische Technologien (Leibniz-IPHT) hat nun eine neue Methode erforscht, mit der Mediziner solche Erkrankungen der Augen künftig besser erkennen können.
Das optische Verfahren auf der Basis eines Lasers liefert in Sekundenschnelle detaillierte Informationen über das Gewebe der Netzhaut. So könnten Ärzte aggressive Formen altersbedingter Makuladegeneration künftig eher entdecken und neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer auf die Spur kommen.
Augenuntersuchung liefert molekulare Informationen über die Netzhaut
„Wir nutzen das Laserlicht, um umfassende molekulare Informationen über die Netzhaut und damit frühzeitig Hinweise auf Erkrankungen zu erhalten“, erläutert Clara Stiebing vom Leibniz-IPHT. Um herauszufinden, wie viel Laserkraft das Auge verträgt und welchen optischen Weg der Laser darin nimmt, hat die Forscherin Netzhaut-Proben untersucht und dafür einen Aufbau konstruiert, der die Gegebenheiten in menschlichen Augen nachbildet.
Wie intensiv der Laser sein darf, haben die Wissenschaftler anhand geltender Sicherheitsvorschriften genau berechnet. Das Ergebnis: ein Laserstrahl, der zwanzigmal schwächer ist als Laser, die die Forschenden sonst für ihre spektroskopischen Messungen verwenden. Mithilfe markierungsfreier, molekular empfindlicher Raman-Spektroskopie gelingt es ihnen, einen molekularen Fingerabdruck der Netzhaut zu gewinnen. Der verrät, wie hoch der Gehalt an Lipiden, Proteinen, Carotinoiden und Nukleinsäuren ist. So werden Veränderungen der Netzhaut sichtbar, anhand derer Mediziner Erkrankungen bereits in einem frühen Stadium erkennen können.
Kombination aus Raman-Spektroskopie mit OCT
Eine besondere Herausforderung für die Forschenden bestand darin, dass die Bedingungen im menschlichen Auge für optische Messungen nicht optimal sind. Die Partner der Medizinischen Universität Wien bauen derzeit ein Gerät, das die Raman-Spektroskopie mit der optischen Kohärenztomografie (OCT) kombiniert. Mithilfe der OCT lässt sich die Morphologie der Netzhaut sehr schnell darstellen und verdächtige Stellen identifizieren. Diese können dann mittels der Raman-Spektroskopie auf molekularer Ebene charakterisiert werden. „So erhalten wir hochaufgelöste Bilder aus allen Schichten der Netzhaut mitsamt den Informationen über ihre molekulare Zusammensetzung“, erläutert Prof. Jürgen Popp, wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-IPHT. „Dass wir die bisher in der Ophtamologie eingesetzte OCT nun mit der Raman-Spektroskopie ergänzen können, kann die Genauigkeit der Diagnosen entscheidend verbessern.“
Momentan arbeitet das europäische Forscherteam an der medizinischen Zulassung des Geräts. Sobald diese erfolgt ist, kann es an ersten Patienten getestet werden. Die würden sich dann vor das Gerät setzen, ihr Auge berührungsfrei abrastern lassen und wenige Minuten später eine verlässliche Diagnose erhalten – zum Beispiel ob bei ihnen eine altersbedingten Makuladegeneration vorliegt.
Kontakt:
Leibniz-Institut für Photonische Technologien e. V. IPHT
Albert-Einstein-Straße 9
07745 Jena
www.leibniz-ipht.de
http://moon2020.meduniwien.ac.at