Wie sieht es in Europa mit der Aufbereitung von Medizinprodukten aus, seit die Medical Device Regulation in Kraft getreten ist? Kurz gesagt: Es ist im Rahmen der regulatorischen Vorgaben legal, Einmal-Medizinprodukte für eine erneute Verwendung aufzubereiten. Allerdings kann von einer europaweit einheitlichen Lage nicht die Rede sein.
Dabei war das eines der Ziele, die mit der Medical Device Regulation – kurz als EU-MDR bezeichnet – erreicht werden sollte. Diese im deutschen Sprachgebrauch unter EU-Medizinprodukteverordnung bekannte Regelung trat am 26. Mai 2021 in Kraft, mit einer pandemiebedingten Verspätung von einem Jahr. Und die europäische EU-MDR enthält tatsächlich erstmals auch europäische Vorgaben für die Aufbereitung von Einmal-Medizinprodukten.
Wiederaufbereitung von Medizinprodukten schont Klima und Ressourcen
Aufbereitung ist laut EU-MDR möglich, aber nicht überall erlaubt
Es gibt jedoch ein „Aber“: Die Aufbereitung, das Medical Remanufacturing, ist nur zulässig, wenn der jeweilige Mitgliedsstaat die Aufbereitung für sein Staatsgebiet erlaubt. Für entsprechende Regelungen lässt die EU-MDR den Mitgliedstaaten weiterhin erheblichen gesetzgeberischen Freiraum. Als Resultat bedeutet das laut Dr. Christian Jäkel, Arzt und Fachanwalt für Medizinrecht in Lübben: „Die Aufbereitung und Wiederverwendung von Einmalprodukten ist in einem Land erst dann zulässig, wenn sie nach nationalem Recht gestattet ist und wenn die Vorgaben des Artikels 17 EU-MDR eingehalten werden.”
Die Vorgaben des Artikels 17 bieten für das Medical Remanufacturing zwei verschiedene Optionen:
- Die Aufbereitung von Einmalprodukten, die mit neuem CE- Kennzeichen vom Aufbereiter in Verkehr gebracht werden – was kurz als CE-Aufbereitung bezeichnet wird – und
- die Aufbereitung von Einmalprodukten als Dienstleistung für den Eigentümer, also beispielsweise das Krankenhaus, wobei die Vorgaben der Common Specifications einzuhalten sind – was dann als CS-Aufbereitung bezeichnet wird.
So läuft die CE-Aufbereitung ab
Die Medizinprodukteverordnung lässt im Hinblick auf die Vorgaben für die Aufbereitung keinen Zweifel: Jeder, der ein Einmalprodukt so aufbereitet, dass es für eine weitere Verwendung in der EU geeignet ist, gilt als dessen Hersteller. Für ihn sind alle Herstellerpflichten inklusive der Rückverfolgbarkeit der jeweiligen Produkte bindend. So gibt es Artikel 17 Absatz 2 der EU-MDR vor. Was letztlich heißt, dass der Aufbereiter auch im Sinne der Produkthaftungsrichtlinie als Hersteller gilt. Für Spezialisten in der Aufbereitung von Medizinprodukten wie die Berliner Vanguard AG bedeutet das, sie sind rechtlich und regulatorisch einem Original Equipment Manufacturer (OEM) gleichgestellt.
Hat also das Einmal-Medizinprodukt alle Schritte der Aufbereitung durchlaufen, erhält es als eindeutige Kennzeichnung eine Produkt- sowie Identifikationsnummer, die dauerhaft auf dem Medizinprodukt angebracht wird. Dieses Verfahren ermöglicht die lückenlose Nachverfolgung über alle Anwendungen und Aufbereitungen im Verlauf des Produktlebenszyklus.
„In Deutschland sind wir derzeit für den CE-Standard der einzige Anbieter auf dem Markt“, sagt die Vanguard-Vorstandsvorsitzende Ulrike Marczak. Nach diesem Standard behandeln die Berliner etwa die Hälfte aller Produkte, die die Aufbereitung durchlaufen.
Einkäufer will wissen, ob sich ein Medizinprodukt aufbereiten lässt
Die Bundesrepublik ist aber nicht der einzige Mitgliedsstaat, der die Aufbereitung erlaubt. Auch Irland, Belgien, Spanien und die Niederlande stimmen der Aufbereitung von Einmal-Medizinprodukten nach CE-Standard zu.
Übergangsbestimmungen, Benannte Stellen und die Aufbereitung gemäß EU-MDR
Das Inkrafttreten der EU-MDR stellt alle Hersteller von Medizinprodukten vor Herausforderungen. Produkte, die schon vor Geltungsbeginn der EU-MDR mit einem CE-Zeichen gekennzeichnet werden durften, werden Legacy Devices genannt – für sie hat der Gesetzgeber die Übergangsbestimmungen erlassen. Übergangsfristen für deren Umstellung auf die neuen Anforderungen werden sowohl den OEM als auch den Remanufacturern gewährt.
Für Einmalprodukte, die erst nach Geltungsbeginn in die CE-Aufbereitung aufgenommen werden, gilt selbstverständlich, dass sie sofort nach den gültigen Regeln der EU-MDR zu bewerten sind – was nach Angaben von Vanguard auch für aufbereitete Produkte ein sehr zeit- und arbeitsaufwendiger Prozess ist. Denn die Beteiligung von Benannten Stellen ist dabei gemäß der gesetzlichen Vorgaben erforderlich.
Weil jedoch die Kapazitäten der Benannten Stellen knapp sind und es bereits zu Lieferengpässen kam, wurden die Übergangsfristen für Legacy Devices verlängert. Das regelt die Verordnung (EU) 2023/607. Legacy Devices der Risikoklasse III sowie größere implantierbare Produkte der Klasse IIb dürfen demnach noch bis zum 31.12.2027 in Verkehr gebracht werden. Für Produkte der niedrigeren Risikoklassen ist die neue Deadline der 31.12.2028. Alle Produkte müssen dafür aber bestimmte Voraussetzungen erfüllen.
MDR: Die CS-Aufbereitung gemäß der Common Specifications
Als zweite Aufbereitungsoption für Einmal-Medizinprodukte sieht die MDR vor, dass es im nationalen Recht Regelungen geben darf, die das Aufbereiten auch ohne vollständige Herstellerpflichten ermöglichen. Das gilt sowohl für Gesundheitseinrichtungen, die ihre Produkte in einer Aufbereitungseinheit für Medizinprodukte, kurz AEMP, selbst aufbereiten, als auch für externe Aufbereiter wie die Vanguard AG. Im Falle externer Aufbereiter muss das Produkt nach der Aufbereitung an dieselbe Gesundheitseinrichtung zurückgegeben werden, aus der es stammt.
Wie genau die Aufbereitung von Einmalprodukten unter diesen Bedingungen auszusehen hat, ist in der Durchführungsverordnung (EU) 2020/1207 festgelegt. Die Europäische Kommission legt darin detaillierte, gemeinsame Spezifikationen (englisch common specifications) fest.
Neben diesen Vorgaben gelten in Deutschland für die Aufbereitung zusätzlich
- die Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV) und
- die gemeinsame Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention am Robert Koch-Institut (Krinko) und des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte (Bfarm),(kurz: Krinko/Bfarm-Empfehlung): Diese beschreibt die Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten.
Die CS-Aufbereitung ist derzeit in Deutschland, Kroatien, Belgien, Spanien und Schweden zulässig.
Zwar gelten für die CS-Aufbereitung eine Reihe von Vorgaben über die EU-MDR hinaus. Dafür entfallen aber für den Aufbereiter bestimmte Herstellerpflichten, die nur im Falle der CE-Aufbereitung zu erfüllen sind.
Engpass bei der Zertifizierung nach CS-Aufbereitung
Dass alle Vorgaben für die CS-Aufbereitung eingehalten sind, soll eine entsprechende Zertifizierung nachweisen. Doch auch hier gibt es bisher noch Engpässe. „In Deutschland gibt es derzeit keine Benannte Stelle, die von der Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten, der ZLG, zur Zertifizierung anerkannt wurde”, erläutert Vanguard-Vorstand Ulrike Marczak das bürokratische Problem.
Jedoch sei auch hier nach den Vorschriften der EU-MDR eine befristete Duldung „sonstiger Nichtkonformität“ durch die Überwachungsbehörde möglich. Voraussetzung: Der Aufbereiter muss nachweisen, dass kein unvertretbares Risiko für die Gesundheit oder Sicherheit der Patienten und Anwender besteht.
Keine Harmonisierung trotz MDR: Viele Länder, viele Regeln für die Aufbereitung
Den sieben genannten EU-Ländern, in denen die eine oder andere Form der Aufbereitung zulässig ist, stehen mehr als doppelt so viele gegenüber, in denen Remanufacturing von Medizinprodukten nicht erlaubt ist. Weitere sieben Länder haben sich noch nicht endgültig dafür oder dagegen entschieden.
Ulrike Marczak betont, dass die Aufbereitung einen Beitrag zur Nachhaltigkeit des Gesundheitswesens leisten kann, und kritisiert, dass die Vorgaben der MDR noch nicht grün genug seien. „Wenn wir die EU-Klimaziele erreichen wollen, muss das Gesundheitswesen an ein paar mehr Stellschrauben drehen. Dazu gehört auch, das Remanufacturing EU-weit zum Standard zu machen und die Produkte kreislauffreundlicher herzustellen.“
Über den Aufbereiter Vanguard
Mit dem Medical Remanufacturing führt die Vanguard AG ein gebrauchtes Medizinprodukt wieder ins System zurück: Es kann erneut eingesetzt werden. Dafür muss es ebenso sicher, hygienisch einwandfrei sein wie das entsprechende Neuprodukt – und es muss die gleichen Funktionalitäten bieten. Derzeit sind mehr als 200 Beschäftigte am Berliner Hauptsitz und in den Produktionsstätten tätig.