Längst hat die Junkfood-Welle aus den USA auch Mexiko überrollt. Hotdogs, Burger und Pommes frites, dazu Softdrinks und landestypisches Fastfood wie Tacos oder frittierte Schweineschwarten belasten die nationale Gewichtsbilanz. Sieben von zehn erwachsenen Mexikanern und jeder dritte Minderjährige sind übergewichtig – kein Wunder, dass ernährungsbedingte Krankheiten auf dem Vormarsch sind. Rund 10 % der Bevölkerung haben Diabetes.
Präsident Enrique Peña Nieto hat der „Epidemie von Übergewicht und Fettleibigkeit“ den Kampf angesagt. 2013 entwickelte seine Regierung eine nationale Strategie zur Prävention und Kontrolle von Übergewicht, Adipositas und Diabetes, die unter anderem auf eine Mehrwertsteuer für „comida chatarra“, weniger Junkfood in Schulen und mehr Sport setzt. Auch neue Diabetes-Kliniken gehören dazu. Insiderschätzungen zufolge haben die Folgen der falschen Ernährung den Gesundheitssektor allein 2017 umgerechnet mehr als 9 Mrd. Euro gekostet.
Chronische Krankheiten, eine höhere Lebenserwartung sowie mehr Versicherte im öffentlichen und im privaten System kurbeln die Nachfrage nach Gesundheitsleistungen an. Mexiko hat 123 Millionen Einwohner, jedes Jahr kommt mehr als eine Million hinzu. Nach Angaben der Deutsch-Mexikanischen Industrie- und Handelskammer (AHK Mexiko) wurde unter der aktuellen Regierung bereits rund 1 Mrd. Euro in den Bau und die Renovierung von mehr als 500 Krankenhäusern investiert. Beim Ausbau der Gesundheitsinfrastruktur setzt der Staat verstärkt auf Private-Public-Partnerships.
„Der Markt wächst überproportional und wird von einer stabilen Volkswirtschaft getragen“, sagt Dr. Johannes Tschepe, Senior Vice President Global Sales & Marketing bei der W.O.M. World of Medicine GmbH. Das Berliner Unternehmen fertigt und entwickelt Produkte für die minimal-invasive Chirurgie, die es in Mexiko über globale Markenanbieter vertreibt. Als führender OEM-Anbieter von CO2-Insufflatoren sowie Spül- und Saugpumpen für Anwendungen in der Endoskopie besitze WOM einen substanziellen Anteil am mexikanischen Markt.
Modernisierungsbedarf
an vielen Stellen erkennbar
Rund 80 % der Nachfrage nach Medizintechnik werden durch Importe bedient. Laut aktuellen Prognosen wird das Marktvolumen zwischen 2017 und 2019 von 4,9 auf 6,3 Mrd. US-Dollar anwachsen. Die medizinische Ausstattung der Gesundheitseinrichtungen ist vielerorts veraltet, Modernisierungsbedarf gibt es an allen Ecken und Enden.
Nach Brasilien ist Mexiko der zweitgrößte Markt für Medizinprodukte in Lateinamerika und somit ein profitables Zielgebiet für internationale Hersteller. Zwei Drittel der Lieferungen steuern die USA bei, Deutschland folgt hinter China an dritter Stelle. Hauptabnehmer ist mit einem Marktanteil von 70 bis 80 % der Staat. Bei Dentaltechnik dürfte der Anteil laut Germany Trade and Invest (GTAI) nur bei rund 50 % liegen, da das öffentliche Gesundheitssystem nicht alle Zahnbehandlungen abdeckt.
„Staatliche Investitionen in Dentaltechnologien sind in der Regel gering“, bestätigt Ernesto García, General Manager von Dentsply Sirona in Mexiko. Dentsply Sirona Inc., vor zwei Jahren aus der Fusion des US-Unternehmens Dentsply International und der ehemaligen Siemens-Dentaltechnik-Tochter Sirona hervorgegangen, gilt als weltweit größter Hersteller für Dentalprodukte und -technik. Sitz der International Headquarters ist in Wals bei Salzburg.
Dentsply Sirona hat in Mexiko eine duale Vertriebsstruktur aufgebaut: Verbrauchsmaterialien werden landesweit über 75 Händler vertrieben, Geräte direkt verkauft. „Unser Verkaufsteam für Verbrauchsmaterial und Ausstattung arbeitet landesweit eng zusammen, um Synergien zu nutzen und dem Kunden ganzheitliche Lösungen anzubieten“, sagt García.
Der Markt für Medizintechnik in Mexiko wachse beständig, aber langsam. Wirtschaftliche Aspekte und die Niedrigpreis-Konkurrenz seien Haupthindernisse, die es zu überwunden gelte, erklärt García. „Zudem gestaltet sich die Einführung neuer Produkte oder Aktualisierungen der bereits vermarkteten Produkte als schwierig.“ Auch die Instabilität der mexikanischen Währung ist ein Risiko, da die Produkte von Dentsply Sirona in ausländischer Währung bezahlt werden.
Die Registrierung bleibt eine Herausforderung
Das Geschäft mit den Anbietern öffentlicher Gesundheitsleistungen bleibe stabil. Der Verkauf an private Krankenhäuser und Praxen nehme in einigen Segmenten deutlich zu, sagt Johannes Tschepe. Obwohl der Zulassungsaufwand durch die Registrierungsbehörde Cofepris (Comisión Federal para la Protección contra Riesgos Sanitarios) harmonisiert wurde, sieht der Global-Sales-Experte von WOM in der Registrierung noch immer eine der wesentlichen Herausforderungen beim Verkauf von Medizinprodukten in Mexiko. Die Amtssprache Spanisch und eine intensive Auseinandersetzung mit dem Zulassungsverfahren seien unabdingbar.
Mexiko ist nicht nur ein wichtiger Abnehmer, sondern auch ein bedeutender Hersteller von Medizintechnik und ein interessanter Standort für Global Player wie B. Braun, Fresenius Medical Care oder Siemens. Medizintechnisches Gerät und Verbrauchsgüter werden überwiegend für den Export produziert. 2015 gingen nach Angaben von GTAI mehr als 90 % der Ausfuhren im Wert von 8,2 Mrd. US-Dollar in die benachbarten USA.
„Die USA sind und bleiben der weltweit führende Markt für Medizintechnik. Daher ist es für unsere Kunden wichtig, dass wir im nordamerikanischen Freihandelsraum kostenoptimiert produzieren“, sagt Theo Schwarz, Leiter des Produktsegments Healthcare Solutions bei der Bühler Motor GmbH. Das Nürnberger Unternehmen fertigt in Chihuahua Antriebe für die unterschiedlichsten Anwendungen, auch für den Bereich Healthcare Solutions.
In Mexiko wird unter anderem die Antriebseinheit für die Patch-Pumpe SC2Wear hergestellt, die eine Selbstmedikation unter ärztlicher Kontrolle ermöglicht. Der Standort mit 300 Mitarbeitern bedient hauptsächlich Kunden in Nordamerika und ist eines der Produktionswerke von Bühler Motor für kundenspezifische Antriebslösungen im stark wachsenden Markt der Drug Delivery Devices.
Das Werk in Chihuahua wurde 2017 nach der Medizinprodukte-Norm DIN EN ISO 13485:2012 zertifiziert und setzt damit auf die besondere Sicherheit bei der Anwendung von medizinischen Geräten. Neben einer ersten Produktionslinie im Sauberraum für die Antriebseinheit der SC2Wear sind bereits zwei weitere Produktionsanlagen in Planung.
Weitere Informationen
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