Frau Kang, Südkorea ist auf Importe von Medizintechnik angewiesen. Deutschland und die Schweiz sind neben den USA und Japan die wichtigsten Lieferländer. Wie nähert sich ein Unternehmen dem Markt am besten an?
Eine Grundlage für den Geschäftserfolg sind gute Beziehungen zu den Entscheidungsträgern. Die häufig gewählte Einstiegsvariante in den koreanischen Markt erfolgt über Vertriebspartner, die in Korea ansässig sind. Dafür müssen in Korea nicht ansässige Unternehmen einen Vertriebspartner im Besitz einer Importlizenz benennen, der das nach Korea exportierende Unternehmen in allen Geschäften mit dem MFDS, dem Ministry of Food & Drug Safety, rechtlich vertritt. Auch unterliegen Lizenznehmer einem Audit der Guten Herstellungspraxis, GMP, das den Anforderungen von ISO 13485 im Allgemeinen entspricht.
Welche Produkte sind besonders gefragt?
In-vitro-Diagnostika dominieren derzeit den koreanischen Markt für Medizinprodukte mit einem Marktanteil von 35 Prozent. Dies ist auf die steigende Zahl an hochbetagten Menschen mit verschiedenen chronischen Gesundheitsproblemen zurückzuführen. Für den heimischen Markt für Smart Healthcare wird mit einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von 12,5 Prozent gerechnet. Der Markt für chirurgische und medizinische Instrumente wächst mit einer jährlichen Wachstumsrate von 7,2 Prozent. Grund dafür ist die wachsende Nachfrage nach Geräten zur Behandlung von Behinderungen und chronischen Krankheiten sowie zur Verkürzung der Genesungszeiten. Auch Analyse- und Behandlungsgeräten für nicht- oder minimal-invasive Eingriffe vor allem bei hochbetagten Bürgern werden aussichtsreiche Absatzmöglichkeiten bescheinigt. Im Bereich des boomenden Marktes für Schönheitschirurgie, bei dem auch der Medizintourismus eine Rolle spielt, sind Dermalfiller und Zahnimplantate sehr gefragt.
Welche Rolle spielt neben der Qualität der Preis?
Ein zunehmender Kostendruck im Bereich des koreanischen Gesundheitssystems bereitet Medizintechnikanbietern Sorgen. Diese Entwicklung verschärft den Wettbewerb, was teils mit einem Preisverfall einhergeht. Der preislichen Wettbewerbsfähigkeit muss daher im koreanischen Markt eine erhebliche Rolle beigemessen werden. Insgesamt zeichnet sich der Markt durch eine geringe Preiselastizität bei hohen Marktbarrieren aus, sodass Faktoren wie Markenstärke und Produkterkennung eine besonders hohe Bedeutung zukommt. Die Kunden – hauptsächlich staatliche Krankenhäuser, es gibt noch nicht so viele private Einrichtungen – sind es gewohnt, auf bekannte Produkte zurückzugreifen. Dem liegt vermutlich die Tendenz zugrunde, insbesondere die Zuverlässigkeit und Sicherheit von Produkten prioritär zu behandeln. Vor dem Inverkehrbringen des Produkts verlangt die koreanische Regierung Prüfberichte über Sicherheit und Wirksamkeit. Zusätzlich müssen Unternehmen Preiskonditionen mit dem Korean Health Insurance Review & Assessment Service aushandeln.
Was sind weitere Erfolgsfaktoren?
Ein guter After-Sales-Service ist ein wichtiges Kriterium für den geschäftlichen Erfolg und den Aufbau und Erhalt einer guten Reputation im Markt. Im Regelfall wird der Kundendienst von den Ingenieuren des Vertriebspartners ausgeführt, die durch den Hersteller gut geschult sind.
Wie wirkt sich das Freihandelsabkommen mit der EU auf die Einfuhr von Medizintechnik aus?
Das seit Juli 2011 in Kraft gesetzte Freihandelsabkommen zwischen Korea und der EU hat nach sieben Jahren Zölle für Medizinprodukte komplett abgeschafft. Der hierbei erhobene Präferenzzollsatz „EU“ wird jedoch nur für Ursprungswaren aus der EU angewendet.
Was ist bei der Zulassung sonst noch zu beachten?
Medizinprodukte werden in Korea je nach Risikograd einer von vier Klassen zugeordnet. Mit Ausnahme von Geräten der Klasse I erfordern alle medizinischen Geräte die Zulassung des Ministry of Food & Drug Safety. Für Geräte der Klassen II, III und IV, die neue Technologietypen oder einen neuen Verwendungszweck beinhalten, verlangt das MFDS die Vorlage eines technischen Dossiers und klinische Studien als Grundlage für eine Sicherheits- und Wirksamkeitsprüfung. Das MFDS prüft diese Dokumentation für Geräte der Klassen III und IV, während vom MFDS zugelassene Dritte die technische Dokumentation für Geräte der Klasse II prüfen können. Von MFDS-zugelassenen Prüflabors erstellte Prüfberichte über die Funktion, Sicherheit und Wirksamkeit des Medizinprodukts sind ebenfalls vorzulegen.
Wie beurteilen Sie die Rahmenbedingungen insgesamt?
Im Rahmen der Zulassungen wird mitunter ein nicht vollständig nachvollziehbares und transparentes Vorgehen bemängelt. Länderspezifische Standards können in einigen Fällen zu einem erhöhten finanziellen wie zeitlichen Aufwand führen. Die GMP-Vorschriften verschärfen sich, entsprechen aber zunehmend internationalen Standards und nähern sich den europäischen Vorschriften an. Aufgrund der Verschärfung der europäischen Vorschriften dürften die koreanischen dieser Tendenz folgen. Insgesamt sollte der Aufwand für die Vorbereitung von Dokumenten und klinischen Studien daher geringer sein als zuvor.
Wie wird sich der Markt voraussichtlich weiterentwickeln?
Die Industrie erhofft sich positive Impulse durch die von der Regierung um Präsident Moon Jae-In verabschiedete Initiative „Moon Care“, die den von der nationalen Krankenversicherung abgedeckten Leistungsumfang deutlich erweitern möchte. Dafür wird bis 2022 ein Budget von etwa 27 Mrd. US-Dollar vorgesehen. Die Nachfrage nach innovativen Medizinprodukten wächst weiter. Der Bedarf an Technologien, die die Dauer von Krankenhausaufenthalten minimieren oder die Sicherheit erhöhen, wird steigen. Auch möchte die koreanische Regierung künftig die Nutzung von Medizintechnik, die auf Künstlicher Intelligenz und Virtual Reality basiert, stärker fördern. Die regulatorischen Rahmenbedingungen im Medizintechniksektor sollen erleichtert werden. Dadurch wird sich die Marktzulassung eines Produkts signifikant beschleunigen.
Weitere Informationen
Die Deutsch-Koreanische Industrie- und Handelskammer (AHK Korea) mit Sitz in Seoul berät, unterstützt und repräsentiert deutsche Unternehmen bei der Entwicklung oder Erweiterung ihrer Unternehmensaktivitäten in Korea. Über ihre Servicetochter DE international Ltd. bietet die AHK Korea ein weites Spektrum an Dienstleistungen an, wie beispielsweise Marktstudien, Geschäftspartnervermittlung, Terminorganisation und Personalsuche.