Herr Loerke, japanische Patienten gelten als besonders anspruchsvoll und aufgeschlossen gegenüber neuen Hightech-Lösungen: Wie sehen Sie das?
Als Patient bin ich eher enttäuscht darüber, dass Neuerungen im medizintechnischen Bereich nur langsam vorankommen. Innovationen, von denen es bisher kein Vergleichsprodukt in Japan gibt, kommen nicht nur regulatorisch sehr schwer auf den Markt, sie werden auch nur langsam von Ärzten und Patienten angenommen. Oft dauert es Jahre, bis in Japan eine neue Behandlungsmöglichkeit zur Verfügung steht, während diese in Europa oder den USA schon länger Standard ist.
Japan gilt als Markt mit hohen regulatorischen Anforderungen: Worauf müssen sich europäische Hersteller beim Export von Medizinprodukten einstellen?
Generell müssen sie sich auf einen teilweise langen und kostspieligen Zulassungsprozess einstellen. Bevor ein Hersteller nach Japan exportieren kann, braucht er eine so genannte Foreign Manufacturer Registration. Das ist aber noch das kleinste Problem.
Und wo liegen die größeren Hürden?
Wenn ein Hersteller ein Medizinprodukt auf den japanischen Markt bringen möchte, muss es zuerst klassifiziert werden. Es gibt vier Produktklassen. Oft stimmt die Klassifizierung mit der europäischen überein, oft aber auch nicht. Ein Produkt, das in Europa Klasse IIa ist, kann in Japan Klasse I sein. Ein Produkt, das in Europa Klasse I ist, kann in Japan höher eingestuft werden. Wichtiger als die Klassifizierung ist jedoch die Frage, ob es bereits Referenzprodukte im Markt gibt oder nicht.
Was bedeutet das in der Praxis?
Es gibt drei verschiedene Kategorien. Gibt es bereits ein Vergleichsprodukt auf dem Markt, dann kann im Zulassungsantrag damit verglichen werden und die Zulassung wird leichter ausgesprochen. Hat das Produkt jedoch bisher noch nicht in Japan auf dem Markt befindliche Funktionen, dann müssen gegebenenfalls klinische Testreports eingereicht werden. Im Einzelfall akzeptiert die PMDA, die Pharmaceuticals and Medical Devices Agency, auch europäische klinische Tests. Dafür gibt es aber keine Garantie: Jeder Fall ist ein Einzelfall. Handelt es sich um ein gänzlich neues Produkt, dann müssen Sie klinische Tests in Japan durchführen lassen. Das kann ein langwieriger und kostspieliger Prozess sein.
Was kommt nach der Klassifizierung?
Es gibt eine JMDN-Codeliste – JMDN steht für Japan Medical Device Nomenclature –, bei der alle Produktkategorien gelistet sind, die bereits in Japan verkauft werden. Wenn Sie den entsprechenden JMDN-Code ermittelt haben, kann der Zulassungsantrag erstellt und eingereicht werden.
Wer ist für die Zulassung zuständig?
Zulassungsbehörde ist das MHLW, das Ministry of Health and Welfare, beziehungsweise die PMDA. Klasse-I-Produkte sind in Japan nur als Notification eingestuft. Das heißt, man „benachrichtigt“ oder „listet“ das Produkt beim Ministerium. Klasse-II-Produkte und teilweise auch Klasse-III-Produkte können über Third Party Authorities in Japan zugelassen werden. Die meisten Klasse-III- und alle Klasse-IV-Produkte werden bei der PMDA eingereicht.
Wie nähert sich ein Unternehmen dem Markt an?
In Japan basiert das Geschäft sehr stark auf Networking. Oft entstehen Geschäfte über bestehende Kontakte und durch Weiterempfehlungen. Kaltakquise gibt es viel auf Messen oder Kongressen, wo ein Hersteller auf japanische Firmen zugehen kann und umgekehrt.
Was sollten europäische Hersteller berücksichtigen, bevor sie den Schritt nach Japan unternehmen?
Hersteller sollten berücksichtigen, wie viel Rechte sie am eigenen Produkt in Japan haben möchten. Wenn Sie eine Niederlassung gründen und die Produktzulassungen selber halten wollen, brauchen Sie eine Akkreditierung der japanischen Regierung. Diese heißt grob übersetzt MAH oder Marketing Approval Holder. Hierzu müssen Sie mindestens drei Personen anstellen, die für Good Quality Practice, Good Vigilance Practice und Marketing Supervision verantwortlich sind. Diese Personen kosten viel Geld. Damit haben Sie aber alles Inhouse und können die eigene Vertriebsstruktur in Japan aufbauen.
Und wenn ich keine Niederlassung gründen will?
Dann haben Sie zwei Möglichkeiten. Erstens: Sie überlassen dem japanischen Vertriebspartner die Zulassung der Produkte. Das heißt aber, dass Sie dem Händler viele firmeninterne Informationen preisgeben müssen. Dieser wiederum lässt das Produkt unter seinem Namen zu, so dass Sie hinterher kaum eine Möglichkeit haben, Ihren Vertrieb neu auszurichten und den Vertriebspartner zu wechseln.
Was ist die Alternative?
Eine sehr gute Alternative ist die Nutzung eines DMAH oder Designated Marketing Approval Holder, wie AJMD K.K. Wir arbeiten im Auftrag der ausländischen Firmen, reichen die Applikation im Namen des Herstellers bei den Behörden ein und garantieren somit, dass der Hersteller die Produktzulassung auch ohne eigene Niederlassung bekommt. Natürlich hat der Hersteller eine Anfangsinvestition, aber die Kosten sind hier weitaus geringer als bei der Gründung einer Niederlassung.
Sie leben und arbeiten seit neun Jahren in Japan: Was ist wichtig, um dort erfolgreich zu sein?
Für mich ist die japanische Sprache ausschlaggebend. Sprache öffnet Türen und schafft Vertrauen. Und man muss hartnäckig und geduldig bleiben, denn Entscheidungsprozesse in japanischen Firmen finden oft sehr langsam statt. Wer die Geduld und Hartnäckigkeit aufbringen kann, lange zu verhandeln, wird in der Regel nach Vertragsabschluss ein langfristiges und stabiles Geschäft aufbauen können. Geben Sie den Japanern zu verstehen, dass Sie sie ernst nehmen und an einer langfristigen Beziehung interessiert sind.
Weitere Informationen
Advance Japan with Medical Devices (AJMD K.K.) in Tokio unterstützt seit 2011 internationale Medizintechnikfirmen beim Markteintritt in Japan. Unternehmensgründer und CEO ist der Deutsche Jörg Koepke. AJMD ist als (Designated) Marketing Approval Holder (MAH / DMAH) für Medizintechnik der Klassen I bis IV gemäß japanischen Standards zertifiziert.