Exportmarkt | Nach dem Ende des Atomstreits wenden sich europäische Medizintechnik-Unternehmen wieder mit wachem Interesse dem Iran zu. Es gilt verlorenen Boden zurückzugewinnen – und der Nachholbedarf im Gesundheitsbereich des Landes verspricht gute Möglichkeiten dazu.
Bettina GonserFreie Journalistin in Stuttgart
Der Iran hat seine Verpflichtungen aus dem Atom-Abkommen erfüllt: Damit ist der rund zehn Jahre währende Konflikt um das iranische Atomprogramm beendet. Nach jahrelanger Embargopolitik durch die EU und die USA zeigt sich auch im Gesundheitsbereich der Islamischen Republik mit ihren rund 80 Millionen Einwohnern ein großer Nachholbedarf.
Neue Krankenhäuser sollen gebaut, bestehende Kliniken modernisiert werden. Gesundheitsminister Hashemi zufolge fehlen derzeit 90 000 Krankenhausbetten, und auch die Ausstattung lässt zu wünschen übrig: So sollen etwa in den kommenden fünf Jahren 100 von derzeit 700 Computertomographen ausgetauscht und 300 weitere zusätzlich installiert werden. Ausländische Investoren sind willkommen.
Obwohl Medizintechnik von direkten Sanktionen ausgenommen blieb, waren die Lieferungen aus dem Westen stark zurückgegangen, vor allem aufgrund von Finanzsanktionen. Insbesondere Großbanken tun sich mit dem Irangeschäft weiterhin schwer, während sich kleinere Kreditinstitute und Volksbanken oftmals flexibler zeigen.
„Es war und ist noch immer kompliziert, eine Finanzierung zu finden und die Bezahlung mit dem Iran abzuwickeln“, sagt David Santorum, Projektmanager für Außenwirtschaft und Exportförderung beim Branchenverband Spectaris in Berlin. Viele Unternehmen hätten deshalb ihr Iran-Geschäft heruntergefahren.
Seit Januar werden die Sanktionen gegen den Iran schrittweise abgebaut, und schon im Mai gab es erstmals wieder einen offiziellen deutschen Gemeinschaftsstand auf der iranischen Fachmesse für Medizintechnik. Auch Österreich und die Schweiz waren mit Länderbeteiligungen auf der Iran Health – vormals Iran Med-Lab – vertreten.
German Pavillon auf der Iran Health als Türöffner
Insgesamt 717 Aussteller kamen nach Teheran, das waren 30 % mehr als im Vorjahr, darunter allein rund 60 deutsche Unternehmen: Neben dem German Pavillon gab es Firmengemeinschaftsstände mehrerer Bundesländer. „Die deutsche Beteiligung war sehr auffällig“, sagt Santorum. Manche Unternehmen hätten erst einmal Eindrücke sammeln wollen, andere zeigten sich bereits verhalten optimistisch.
„Unser Stand war ständig gefüllt, das Interesse an unserem in Deutschland gefertigten Nahtmaterial ist sehr groß“, sagt Mandy Geipel, Exportmanagerin der Catgut GmbH. Das Traditionsunternehmen aus dem sächsischen Markneukirchen, Hersteller von Chirurgischen Nahtmaterial, hat bereits ein iranisches Krankenhaus komplett auf das eigene Sortiment umgestellt, das mit einfacher Handhabung und großer Zuverlässigkeit überzeuge. „Man merkt, der Iran will auf jeden Fall europäischen Standard erreichen“, betont Geipel.
Deutschland ist traditionell einwichtiges Medtech-Lieferland
Der Golfstaat verfügt bereits über einen bedeutenden Medizintechnik-Sektor, die Stärken liegen bislang aber vor allem bei medizinischen Verbrauchsgütern und einfacheren medizintechnischen Ausrüstungen. Hightech-Produkte werden größtenteils importiert. Dies wird sich wohl so bald nicht ändern, obwohl die lokale Produktion weiter ausgebaut werden soll – verstärkt in Kooperation mit ausländischen Unternehmen. Lokale Wertschöpfung gilt als zunehmend wichtig.
2015 wurde im Iran Medizintechnik im Wert von rund 400 Mio. US-Dollar hergestellt. Der Wert der offiziellen Importe wird laut aktuellem Branchenbericht von Germany Trade and Invest auf rund1 Mrd. US-Dollar beziffert. Produkte für rund 520 Mio. US-Dollar lieferten die Länder der EU, allen voran die Niederlande (178 Mio. US-Dollar). Deutschland – traditionell der wichtigste Lieferant von Medizintechnik für den Iran – folgte mit Produkten im Wert von 137 Mio. US-Dollar auf Platz zwei und ist dabei, verlorene Marktanteile zurückzugewinnen. Auch im Segment Orthopädietechnik, dem größten Importposten, lagen die Niederlande im vergangenen Jahr vor Deutschland, an dritter Stelle folgte die Schweiz. Bei Elektrodiagnoseapparaten rangierte Deutschland nach Angaben von GTAI nur an sechster Position, hinter den Niederlanden, Frankreich, den USA, Großbritannien und der Volksrepublik China.
Während der Embargozeit konnten asiatische Länder wie China, Korea oder Indien ihre Marktposition ausbauen. Im Bereich der Hochtechnologie sind jedoch weiterhin Produkte aus den USA, Japan oder Europa gefragt. „Made in Germany“ sei ein Pluspunkt, sagt Björn Salwat, Kaufmännischer Geschäftsführer der Protec GmbH & Co. KG, die auf Röntgentechnologie spezialisiert ist. Die Produktpalette umfasst neben Röntgenfilm-Entwicklungsmaschinen auch volldigitale Direktradiographie-Systeme bis hin zu Röntgen-Komplettsystemen.
Vertrauen nach jahrelanger Kooperation mit dem Händler
Im Iran kooperiert das exportorientierte Unternehmen aus dem schwäbischen Oberstenfeld seit mehr als 30 Jahren mit demselben Exklusivhändler. „Durch diese lange Zusammenarbeit besteht zwischen uns ein sehr enges Vertrauensverhältnis“, sagt Salwat, und es habe ein ausgeprägter Wissenstransfer stattgefunden. Der iranische Partner bearbeitet nicht nur die Ausschreibung und kümmert sich um Zulassung, Vertrieb und Service: Sein Unternehmen montiert auch die Produkte, die ihm Protec als Bausatz liefert.
Die Wahl des richtigen Händlers gilt als entscheidendes Erfolgskriterium. Er müsse den Markt kennen, vor Ort gut vernetzt sein und auch zu den Ministerien einen guten Draht haben, sagt Salwat. „Das Know-how ist gut und das trägt dazu bei, dass sowohl der Anwender wie auch der Anbieter im Markt entsprechende Produkte brauchen.“ In den Kliniken seien bereits hochwertige Geräte im Einsatz, und im Röntgenumfeld gehe auch im Iran der Weg ins Digitale. Bevor man ein Produkt dorthin exportiere, müsse es zugelassen sein – mit entsprechenden Vorlaufzeiten: Das könne bis zu einem Jahr dauern. Nach Angaben der gtai ist der Import erst nach Erteilung einer Registrierungsnummer und einer „Marketing Authorization“ durch das Gesundheitsministerium zulässig. Für den „After Sales Service“ muss ein Hersteller zudem einen offiziellen Repräsentanten gewährleisten.
Dennoch gilt der Zugang zum iranischen Markt als vergleichsweise einfach. „Wenn man ein CE-Kennzeichen hat, erfüllt man das meiste schon“, sagt David Santorum. Das Problem bleibe die Finanzierung. Der Spectaris-Experte sieht insgesamt gute Chancen für Hersteller von Medizintechnik: „Der Iran ist nicht mehr das El Dorado, wie viele es sich wahrscheinlich am Anfang denken – aber es ist auf jeden Fall ein interessanter Markt mit einem großen Nachholbedarf.“ ■
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