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Im Land der weiten Wege

National Health Reform Plan: Australien will Gesundheitsversorgung auch in der Fläche verbessern
Im Land der weiten Wege

Australien gilt als interessanter Absatzmarkt für Medizintechnik. Jetzt fließen zusätzliche Mittel, um das Gesundheitswesen weiter voranzubringen. Die große Entfernung hält aber noch so manchen Hersteller aus dem deutschsprachigen Raum davon ab, die Chancen zu nutzen.

Krokodile, Haie, Schlangen – natürlich gibt es die „Down Under“, doch auf die Aborigines lauern weit größere Gefahren. Chronische Krankheiten wie Diabetes oder Leberprobleme führen dazu, dass Australiens Ureinwohner im Schnitt elf Jahre früher sterben als die übrige Bevölkerung: Männer mit 67, Frauen mit 73 Jahren. Dass sie traditionell in den Outbacks leben, verschlimmert ihre Situation. So müssen sie Heimat und Familie verlassen, um sich in den Städten behandeln zu lassen – dort, wo die Dialysemaschinen stehen, heißt das für die überdurchschnittlich vielen Aborigines mit einer schweren Nierenschädigung.

Doch seit Ende 2011 rollt die Dialyse auch zu ihnen ins Western Desert, das weite Wüstengebiet hinter Alice Springs. Der „Purple Truck“ ermöglicht es Dialysepatienten, immer wieder für ein paar Wochen bei ihren Familien leben zu können. An Bord hat der lilafarbene Lkw eine komplette Dialysestation: Sie wurde von Fresenius Medical Care zur Verfügung gestellt. Fresenius Medical Care ist eines der deutschen Medizintechnikunternehmen, die auch in Australien Erfolgsgeschichte schreiben.
„Für uns ist Australien ein sehr interessanter Markt, der jedes Jahr wächst, und zwar wesentlich stärker als der Rest der Welt“, sagt auch Stefan Heffner, Head of International Sales beim Endoskopie-Hersteller Richard Wolf in Knittlingen. Mit 23 Mio. Einwohnern liegt das Land zwar im internationalen Vergleich nur auf Platz 53, in Sachen Gesundheitsmarkt rangiert Australien aber auf Rang 12. Arztpraxen und Kliniken konzentrieren sich um die Ballungszentren: Die adäquate medizinische Versorgung in der Fläche bleibt eine Herausforderung in dem dünn besiedelten Riesenland. Darwin im Norden trennen 3000 Flugkilometer von Adelaide im Süden, die Ost-West-Ausdehnung beträgt 4000 Kilometer. Gerade wegen der Größe des Landes sei der After-Sales-Service besonders wichtig, erklärt Heffner: Es müsse sichergestellt werden, dass auch abgelegene Regionen gut versorgt sind. Die Richard Wolf GmbH vertreibt ihre Produkte in Australien und Neuseeland über Vertriebspartner. „Es ist ein sehr angenehmer Markt, es sind sehr angenehme Geschäftspartner“, betont Heffner.
Australier gelten als gesundheitsbewusst und ihre Gesundheit ist ihnen lieb und teuer. Für Healthcare-Dienstleistungen und Pharmazeutika geben sie jährlich rund 120 Mrd. Australische Dollar (AUD) aus, 80 Mrd. Euro. Die medizinische Grundversorgung ist jedoch eher bescheiden. Über das staatliche Medicare-System hat die Bevölkerung zwar einen freien beziehungsweise kostengünstigen Zugang zu Gesundheitsleistungen, muss aber längere Wartezeiten in Kauf nehmen. Auch in den Ballungszentren klagen Patienten daher zunehmend über die ärztliche Versorgungssituation.
Abhilfe soll der vor zwei Jahren verabschiedete „National Health Reform Plan“ schaffen. Er ist die Antwort der australischen Regierung auf die Kritik, trotz sprudelnder Staatsfinanzen nicht genügend für den Gesundheitsbereich getan zu haben. Bis 2020 sollen 12 Mrd. Euro zusätzlich fließen, um das Gesundheitswesen zu modernisieren und die medizinische Grundversorgung auch in der Fläche zu verbessern. Die 2011 vom deutschen Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie initiierte „Exportinitiative Gesundheitswirtschaft“ geht in ihrem ausführlichen Bericht zum Markt für Medizintechnik in Australien davon aus, dass die kontinuierlich wachsende Bevölkerung, eine wachsende Zahl privat Versicherter und ein allgemein größeres Gesundheitsbewusstsein für einen Nachfrageschub nach medizinischen Leistungen sorgen werden.
Die Exportinitiative unterstützt kleine und mittlere Unternehmen beim Erschließen von Auslandsmärkten. Und Australien ist ein Importmarkt: 70 % der Medizintechnik wird im Ausland eingekauft. Einheimische Hersteller produzieren eher weniger anspruchsvolle Produkte, vom denen rund 60 % in den Export gehen – unter anderem ins von Sydney nur drei Flugstunden entfernte Neuseeland. Mit einem Marktanteil von 40 % liegen die USA auf Platz eins der Lieferländer, gefolgt von Deutschland (10 %) sowie der Konkurrenz aus Japan und China.
Für Medizintechnik werden jährliche Zuwachsraten von rund 5 % erwartet. Ein beträchtlicher Anteil der Extra-Ausgaben im Gesundheitsbereich soll in die Modernisierung der technischen Ausstattung fließen. Der Markt gilt als preissensibel, aber vor allem private Krankenhäuser und Arztpraxen nehmen Geld für ein modernes Equipment in die Hand. Etwa die Hälfte der Medizinprodukte wird durch die Zentralregierung erworben, 30 % durch den privaten Bereich und 20 % durch die Bundesstaaten.
20 Flugstunden und die Zeitverschiebung von acht bis zehn Stunden halten jedoch noch immer so manchen Hersteller aus dem deutschsprachigen Raum davon ab, die Chancen „Down Under“ zu nutzen. „Die Entfernung und die Zeitverschiebung sind natürlich ein Riesenproblem, deshalb sind viele kleinere Unternehmen dort nicht so aktiv“, sagt Jennifer Goldenstede, Leiterin Außenwirtschaft und Exportförderung beim Branchenverband Spectaris. Spectaris engagiert sich im Arbeitskreis Medizintechnik der „Exportinitiative Gesundheitswirtschaft“ für die Bearbeitung des australischen Marktes. Ein Versuch, Unternehmen bequem per virtueller Messe mit potenziellen Kunden und Partnern in Australien zusammenzubringen, schlug fehl – mangels deutschen Interesses.
„Die Akzeptanz von solchen Online-Matchmakings ist in Australien sehr viel höher als hier in Europa“, sagt Jennifer Goldenstede. Auch E-Health und Telemedizin gegenüber sind Australier aufgeschlossen – Möglichkeiten, die großen Entfernungen im Lande selbst zu überbrücken. Als besonders vielversprechend werden daneben unter anderem elektrotechnische Medizintechnik oder bildgebende Systeme eingestuft.
Milliardenbeträge fließen in den Bau neuer Krankenhäuser. Darunter ist eine ganze Reihe von „Mega Hospitals“. Eines dieser Großprojekte ist das neue Fiona-Stanley-Krankenhaus im westaustralischen Perth, das im Oktober 2014 eröffnet werden soll. Siemens Healthcare wird den Großteil der medizintechnischen Ausstattung als Managed Equipment Service bereitstellen. In Südaus-tralien wächst derweil ein weiteres Milliardenprojekt in die Höhe, das neue Royal Adelaide Hospital, das in einer Public-private-Partnership realisiert wird und 2016 eröffnet werden soll. Südaustralien ist der Bundesstaat mit der ältesten Bevölkerung: Jeder Sechste ist bereits über 65, Tendenz steigend. Doch Australiens Bevölkerung wird nicht nur insgesamt immer älter, sie wird auch wieder jünger. Das Land erfährt gerade einen zweiten Baby-Boom. 2012 erblickten 300 000 „Aussies“ das Licht der Welt – ihre Lebenserwartung liegt bei 90 Jahren. Beste Gesundheitsversorgung vorausgesetzt.
Bettina Gonser Freie Journalistin in Stuttgart
Weitere Informationen Zum Purple Truck: www.fresenius.de Zur Exportinitiative: www.exportinitiative-gesundheitswirtschaft.de Zum Fiona-Stanley-Krankenhaus: www.siemens.com Zu den Auslandsmärkten: www.gtai.de und http:// portal.wko.at
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