Hungerstreik. Polnische Assistenzärzte wählten im Herbst 2017 ein drastisches Mittel, um auf den Notstand im chronisch unterfinanzierten Gesundheitswesen ihres Landes aufmerksam zu machen. Weil sie von 500 bis 700 Euro Monatsverdienst nicht leben können, schieben junge Mediziner oft Mehrfachschichten und arbeiten bis zur völligen Erschöpfung. Es gab sogar Todesfälle im Dienst.
Inhaltsverzeichnis
1. Staatliche Gesundheitsausgaben sollen steigen
2. Trotz Dynamik im Land bleiben Importe wichtig
3. Ein Markt mit viel Potenzial nach oben
4. Made in Germany hat hohen Stellenwert
„Wir haben auf 10 000 Einwohner die niedrigste Anzahl von Doktoren sowie OP-Schwestern in der ganzen EU”, sagt Janusz Szafraniec. Im Personalmangel sieht der Geschäftsführer von Erbe Polska denn auch ein Hauptproblem im öffentlichen System. Zudem gebe es eine große demografische Lücke bei der Altersstruktur: „Das durchschnittliche Alter von Chirurgen liegt bei 55 plus.”
Viele medizinische Fachkräfte gehen in den Westen. Doch die Proteste blieben nicht ohne Resonanz. Die polnische Regierung hat Anfang 2018 nicht nur angekündigt, die Arztgehälter zu erhöhen: Sie will auch die Ausgaben für das Gesundheitswesen schneller anheben als geplant.
Staatliche Gesundheitsausgaben sollen steigen
Die staatlichen Gesundheitsausgaben sollen jetzt bereits bis 2024 auf 6 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) angehoben werden, ein Jahr früher als geplant. Szafraniec wertet dies als positives Zeichen. Mit dem bisherigen Aufwand von 4,7 % des BIP liege Polen auf Platz 24 der 28 EU-Länder: „Eine reine Katastrophe”, urteilt der Geschäftsführer von Erbe Polska.
Erbe Elektromedizin hat seit 1992 eine Tochtergesellschaft in Warschau, sie beschäftigt heute 23 Mitarbeiter. Erbe Polska vertreibt die Systeme des Tübinger Herstellers für die Elektrochirurgie sowie die Plasma-, Kryo- und Hydrochirurgie. Die Kunden kommen aus den Fachbereichen Chirurgie, Gynäkologie, Urologie und Gastroenterologie in öffentlichen Krankenhäusern und größeren sowie chirurgischen Praxen, die über OP, Intensivpflege und MRT verfügen.
Mit einer Einwohnerzahl von 38 Millionen ist Polen eines der bevölkerungsreichsten Länder der Europäischen Union – und ein interessanter Markt für ausländische Hersteller, vor allem aus dem großen Nachbarland im Westen. Deutschland ist mit einem Anteil von rund 30 % das wichtigste Lieferland für Medizintechnik, gefolgt von den Niederlanden und Belgien.
Trotz Dynamik im Land bleiben Importe wichtig
Obwohl Polen, eine der dynamischsten EU-Volkswirtschaften, auf eine lange Tradition bei der Produktion von Medizingeräten zurückblicken kann und die Zahl der inländischen Hersteller wie auch die Exporte zunehmen, ist das Land bei Medizintechnik auf Einfuhren angewiesen.
Tendenz steigend. Laut der Außenwirtschaftsagentur Germany Trade and Invest (GTAI) legten die Importe nach einem Plus von 4,4 % im Jahr 2016 in den ersten sieben Monaten von 2017 um weitere 7,1 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum zu. Insgesamt wurde 2016 Medizintechnik für rund 1,6 Mrd. Euro eingeführt.
Lange Wartezeiten auf eine Behandlung, fehlende Investitionen und die geringe Effizienz gelten neben dem Personalmangel als Hauptprobleme des öffentlichen Gesundheitswesens. Die Defizite stärken den Trend hin zu privaten Krankenversicherungen und Gesundheitsdienstleistungen. Mitte 2017 hatten laut der Polnischen Versicherungskammer (PIU) 2,1 Millionen Polen eine private Krankenversicherung: 26 % mehr als im Vorjahr.
Doch der Staat zeigt sich handlungsbereit und nimmt Reformen in Angriff. Polen muss den Kraftakt nicht alleine stemmen: Allein in der Budgetperiode 2014 bis 2020 stellt die EU rund 3 Mrd. Euro für den Gesundheitssektor zur Verfügung.
Ein Markt mit viel Potenzial nach oben
„Der medizinische Sektor ist sehr anspruchsvoll und wird immer nach den leistungsfähigsten und zuverlässigsten Produkten suchen: Und dafür steht Faulhaber“, erklärt Krzysztof Pietrzak, Area Sales Manager Polska bei Faulhaber Polska. Faulhaber, Spezialist für Miniatur- und Mikroantriebstechnik aus dem schwäbischen Schönaich, hat 2016 eine polnische Tochtergesellschaft mit Sitz in Posen und einer Vertriebsstelle nahe Kattowitz gegründet. So könne der aufstrebende Markt direkt von der lokalen Basis beliefert werden.
Faulhaber beliefert ausschließlich Kunden im Land selbst. Die Miniatur- und Mikroantriebe kommen unter anderem in der Chirurgie und der Prothetik zum Einsatz. Es gebe viele innovative Hersteller und wachsende Forschungs- und Entwicklungsabteilungen, die von der lokalen Präsenz profitierten. Der Hauptvorteil sei ein besserer und schnellerer Support und Kundendienst in der Landessprache. „Häufig war die Sprache die Barriere, um die Komplexität unseres Produkts besser zu verstehen“, sagt Pietrzak.
Made in Germany hat hohen Stellenwert
Trotz sprachlicher Barrieren sieht André Hofmann von Biosaxony in Dresden vor allem die Chancen. „Es ist ein Markt, der sich nach wie vor entwickelt und viel Potenzial hat nach oben“, sagt der Geschäftsführer des gesamtsächsischen Clusters für Biotechnologie und Medizintechnik. Hinzu kämen die räumliche und kulturelle Nähe: „Und ,Made in Germany‘ hat in Polen einen hohen Stellenwert.“
Im wissenschaftlichen Bereich gibt es bereits eine starke Kooperation. Dies zeigte sich auch beim Sächsisch-Polnischen Innovationstag zum Thema „Personalisierte Biomedizin und Medizintechnik“ im September in Breslau. Die wirtschaftliche Kooperation werde folgen, sagt Hofmann. „Ich habe ein paar sehr gute Ideen mitgenommen, die für sächsische Unternehmen interessant ein könnten – neue Technologien, neue Konzepte.“
Weitere Informationen
Über Erbe Elektromedizin:
Über Faulhaber Antriebssysteme:
Über das Cluster Biosaxony: