Nach dem Regierungswechsel wird in Argentinien mittel- bis langfristig mit einer Belebung des Marktes für Medizintechnik gerechnet. César A. Díaz von Siemens Healthcare S.A. erklärt, was der argentinische Gesundheitsmarkt von europäischen Herstellern erwartet.
Bettina Gonser
Freie Journalistin in Stuttgart
Herr Díaz, was ist das Besondere am argentinischen Markt für Medizin-technik?
Die Gesundheitsversorgung in Argentinien ist auf einem vergleichbaren Niveau mit der in europäischen Ländern, fortschrittliche Technologien und medizinische Techniken werden hier schnell übernommen. Innovative Unternehmen aus der EU finden hier einen Markt, der neue Konzepte schnell annimmt. Genauso schnell verwirft er sie aber wieder, wenn sie nicht funktionell sind.
Wo sehen Sie die besten Chancen des argentinischen Marktes für europäische Gesundheitsunternehmen?
Die beste Möglichkeit zum Eintritt in den argentinischen Markt bietet sich europäischen und amerikanischen Unternehmen über die Innovation, mit Produkten für M3-Märkte. Ein ganz entscheidender Erfolgsfaktor bleibt dabei immer die Qualität. Siemens bezeichnet die am weitesten entwickelten Märkte als M1. M4 sind die Länder oder Märkte, die am wenigsten entwickelt sind. M3-Produkte waren eigentlich für Märkte wie Brasilien, Russland, Indien oder China gedacht, tatsächlich aber ist der Hauptinteressent die USA. Es handelt sich um einen Markt, der Produkte hoher Qualität verlangt, aber ohne unnötige technische Raffinessen.
Wie wirkt sich das in der Praxis aus?
Da möchte ich gerne die Neugründung eines Bereiches durch das Gesundheitsministerium hervorheben, der sich mit der wirtschaftlichen Bewertung von Gesundheitstechnologien befasst. Es geht dabei um Regulierungs- und Organisationsmaßnahmen, die einen wirtschaftlichen Einsatz des Gesundheitsbudgets bezwecken, indem Technologien an ihrem klinischen Wert gemessen werden. Das Bewusstsein für den klinischen Wert eines Medizinprodukts oder einer Gesundheitstechnologie wird immer stärker.
Können Sie dafür ein praktisches Beispiel nennen?
Gerne. Wie gesagt, in Argentinien wurde gerade eine Abteilung innerhalb des Gesundheitsministeriums geschaffen, die Gesundheitstechnologien im Hinblick auf ihre Wirtschaftlichkeit bewertet. Beim Rentnersozialwerk PAMI (Programa de Atención Médica Integral), das mit Medicare in den USA vergleichbar ist, wurden jetzt 400 Arzneimittel von der Liste gestrichen, weil man sie als medizinisch wertlos eingestuft hat.
Wie gehen Sie bei Siemens Healthcare auf die Bedürfnisse und Anforderungen des Marktes ein?
Siemens Healthcare orientiert sich bei der Produktentwicklung und beim Kundenservice an drei Werten: Zuerst der klinischen Exzellenz in dem Sinne, dass unsere Produkte dazu beitragen müssen, die Lebensqualität der Patienten zu verbessern. Zweitens am operativen Wert: Wir entwickeln Technologie, die Produktivität für das System erzeugt. Und schließlich am finanziellen Wert: Wir wollen, dass unsere Produkte und Leistungen für unsere Kunden wertvoll sind, denn die Rentabilität der Gesundheitseinrichtungen wird auch an diesem Indikator gemessen. In den Bereichen der medizinischen Bildgebung und Labordiagnostik hat Siemens eindeutig eine Führungsrolle als einziges Unternehmen, das in beiden Bereichen präsent ist.
Was sollten Branchenunternehmen aus der Europäischen Union beachten, wenn sie ihre Produkte in Argentinien verkaufen wollen?
Der argentinische Markt ist sehr anspruchsvoll verglichen mit den übrigen lateinamerikanischen Ländern. Das gilt sowohl für das ärztliche und biochemische Fachpersonal hinsichtlich der Qualität als auch für die Aufsichtsbehörde Anmat. Die Anmat – Administración Nacional de Medicamentos, Alimentos y Tecnología Médica – ist der Spiegel der FDA in Argentinien, praktisch mit denselben Zuständigkeitsbereichen. Ein wesentlicher Punkt, den Unternehmen beim Markteinstieg beachten sollten, ist, dass sie die Unbedenklichkeitsbescheinigung des Herkunftslandes benötigen, um ihre Produkte im Land zu registrieren.
Gibt es zur Zeit Einfuhrbeschränkungen für medizinische Produkte?
Obwohl es zur Zeit keine Einfuhrbeschränkungen bei Gesundheitsprodukten gibt, müssen wir die Zeiten berücksichtigen, die einige administrative Prozesse benötigen, die mit dem Kauf von Ersatzteilen für medizinische Ausrüstungen zusammenhängen. Diese lassen sich aber sehr einfach lösen.
Welche Rolle spielt Argentinien als Mitglied des Mercosur?
Eine Schlüsselrolle, da Argentinien – zusammen mit Brasilien – die geltenden Regelungen der guten Herstellungspraxis, GMP, standardisiert hat. Diese sind weitgehend an europäischen Regelungen und denen der FDA ausgerichtet.
Seit Dezember hat Argentinien eine neue Regierung: Welche Folgen hat der Regierungswechsel für die Wirtschaft?
Meiner Ansicht nach orientiert sich die neue Regierung näher am Markt und hat in den ersten hundert Tagen im Amt bereits ihren Realismus bewiesen, wenn es darum geht, Maßnahmen zu ergreifen. Dies stärkt das Vertrauen sowohl der lokalen Erzeuger und der Gesellschaft im Hinblick auf den Konsum als auch der internationalen Investoren, die in Argentinien einen attraktiven Markt sehen, der von europäischen Gewohnheiten beeinflusst wird.
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