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Brexit bringt mehr Bürokratie für den Warenverkehr mit Medizinprodukten

Brexit
EU-Austritt der Briten bringt mehr Bürokratie und eine neue Produktkennzeichnung für Medizinprodukte

EU-Austritt der Briten bringt mehr Bürokratie und eine neue Produktkennzeichnung für Medizinprodukte
Das Vereinigte Königreich hat die EU verlassen. Nach der Übergangszeit gelten nun neue Vorschriften und Regelungen (Bild: Thaut Images/stock.adobe.com
Seit dem 1. Januar 2021 ist das Vereinigte Königreich nicht mehr Teil des EU-Binnenmarktes und der EU-Zollunion. Damit wandelt sich das Verhältnis der EU zum Vereinigten Königreich grundlegend. Auch für den Warenverkehr medizintechnischer Produkte bringt der Brexit weitreichende Veränderungen.

Susanne Schwab
susanne.schwab@konradin.de

Am 31. Dezember 2020 endete nach langwierigen Verhandlungen die Übergangszeit nach dem Brexit. Das Vereinigte Königreich und die Europäische Union einigten sich auf ein Partnerschaftsabkommen, das künftig das gesellschaftliche wie auch wirtschaftliche Miteinander regeln soll. Und den Briten die gewünschte Selbstständigkeit bringt.

Knapp 1250 Seiten umfasst das Abkommen und „beruht im Kern auf einem Freihandelsabkommen, das weder Zölle noch Quoten vorsieht und damit bedeutende Handelshemmnisse abwendet“, heißt es in einem Statement des Bundesgesundheitsministeriums über das künftige Verhältnis zwischen der EU und Großbritannien. Und es sichert die ununterbrochene Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln, Impfstoffen und Medizinprodukten. Das neue Abkommen sieht unter anderem Regelungen vor, um die technischen Handelshemmnisse in Bezug auf Standardisierungs- und Konformitätsbewertungsverfahren inklusive Medizinprodukte zu vermeiden.

Hersteller und Produkte bei der MHRA registrieren

Dennoch hat der Brexit weitreichende Auswirkungen auf die europäischen Medizintechnikhersteller, die ihre Produkte im Vereinigten Königreich vertreiben möchten. Sie müssen künftig alle Medizinprodukte bei der Zulassungs- und Aufsichtsbehörde für Arzneimittel und Medizinprodukte, der Medicines and Healthcare products Regulatory Agency (MHRA), registrieren lassen. Dazu gehören Medizinprodukte der Risikoklasse 1, IVDs sowie Sonderanfertigungen. Für alle anderen Medizinprodukte, die in Großbritannien verkauft werden, gibt es von der Risikoklasse abhängige Übergangsfristen für die MHRA-Registrierung.

Brexit bringt Sonderstatus für Nordirland

Zudem dürfen britische Benannte Stellen seit dem 31. Dezember 2020 keine CE-Zertifikate mehr ausstellen. Für Medizinprodukte der Klassen IIa, IIb und III sind diese Zertifikate jedoch Voraussetzung für den Zugang zum europäischen Markt. Umgekehrt ist die CE-Kennzeichnung für Medizinprodukte im Vereinigten Königreich nur noch bis zum 30. Juni 2023 gültig. „Danach ist die neue UKCA-Kennzeichnung Pflicht, die bereits ab dem 1. Januar 2021 eingeführt wurde“, erklärt Stefanie Eich, Zollexpertin bei der German Trade and Invest (Gtai) GmbH in Bonn. Einen Sonderstatus nimmt Nordirland ein: Hier gilt weiterhin die EU-Medizinprodukteregulierung nach MDR und IVDR – und auch die Verwendung der CE-Kennzeichnung bleibt verpflichtend.

UKCA ersetzt künftig CE-Kennzeichnung

Das neue UKCA-Zeichen für Großbritannien basiert aktuell noch auf denselben technischen Anforderungen wie die CE-Kennzeichnung gemäß UK MDR 2002. Änderungen, die mit den neuen EU-Verordnungen MDR und IVDR ab Mai in Kraft treten, werden aber nicht mehr in britisches Recht übernommen. „Bis zum Ablauf der Übergangsfrist kann die UKCA-Kennzeichnung freiwillig verwendet werden“, so Eich.

Ist eine Zertifizierung durch eine externe Prüfstelle vorgeschrieben, kann diese nur von einer Benannten Stelle mit Sitz im Vereinigten Königreich ausgestellt werden. Eich: „Die bisherigen Benannten Stellen (UK Notified Bodies) unter der EU-Regulierung werden automatisch zu so genannten UK Approved Bodies.“

Großbritannien braucht weiterhin Medizinprodukte aus dem Ausland

Für die europäischen Hersteller von Medizinprodukten bringen die neuen Regelungen durch den Brexit einen höheren administrativen Aufwand und Kosten. „Doch der britische Medizintechnikmarkt bleibt weiter attraktiv“, sagt Marc Lehnfeld, der für die Gtai in London arbeitet: Als drittgrößter Absatzmarkt Europas und sechstgrößter der Welt werde er auch in den nächsten Jahren wachsen. Für 2020 schätzen Analysten das Volumen auf rund 11,2 Mrd. Euro. Durch Importe werden rund drei Viertel des britischen Medizintechnikbedarfs gedeckt. Über ein Drittel davon stammt aus den beiden Hauptlieferländern Niederlande und Deutschland.

Doch der Handel mit Gütern und Dienstleistungen über den Kanal wird für die Unternehmen auf beiden Seiten schwieriger und teurer, auch wenn in Zukunft weder Zölle noch Quoten oder mengenmäßige Beschränkungen für den Warenimport ins Vereinigte Königreich anfallen. Trotz des Abkommens belasten Bürokratie und Grenzkontrollen den Handel, denn Unternehmen aus dem Vereinigten Königreich müssen ihre Waren vor der Überfahrt in die EU beim Zoll anmelden und umgekehrt.

Hohe Bürokratie belastet mittelständische Medizintechnikhersteller

Darin sieht Jörg Mayer, Geschäftsführer beim Industrieverband Spectaris, verspieltes Potenzial: „Um Handelshemmnisse für die stark exportabhängigen Unternehmen aus Hightech-Branchen wie der Optik, Photonik, Analysen- und Medizintechnik abzufedern, braucht es möglichst bürokratiearme Zollverfahren auf beiden Seiten der Grenze.“ Gerade für den Mittelstand seien neue Prozesse mit hohem Ressourcenaufwand oftmals ein Markteintrittshindernis. „Das beschlossene Freihandelsabkommen unterstützt zwar den gegenseitigen, harmonisierten Marktzugang. Dass jedoch keine Einigung über ein umfassendes Abkommen zu den künftigen Handelsbeziehungen erzielt werde konnte, bedeutet, dass die regulatorischen Kosten künftig stärker ins Gewicht fallen werden“, so Mayer. Das wiederum führe zu Planungsunsicherheit, weniger Wettbewerb und letztlich zu steigenden Preisen für den Endverbraucher.



Das Wichtigste in Kürze

  • Seit dem 1. Januar 2021 ist die „Medicines and Healthcare products Regulatory Agency” (MHRA) die in Großbritannien zuständige Behörde für Medizinprodukte.
  • Vom 1. Januar 2021 an müssen alle Medizinprodukte und In-vitro-Diagnostika bei der MHRA registriert werden. Für die unterschiedlichen Produktklassen gelten Übergangsvorschriften von 4 bis 12 Monaten.
  • Das neue UKCA (UK Conformity Assessed)-Mark ist die neue Produkt-Kennzeichnung für Produkte, die in Großbritannien in den Verkehr gebracht werden. Sie gilt auch für Medizinprodukte und deckt die meisten Produkte ab, für die bisher eine CE-Kennzeichnung erforderlich war.
  • Die CE-Kennzeichnung wird für einen Übergangszeitraum noch bis zum
    30. Juni 2023 anerkannt.
  • Von EU-Benannten Stellen ausgestellte Zertifikate werden noch bis zum
    30. Juni 2023 anerkannt.
  • Hersteller, die ihren Sitz außerhalb Großbritanniens haben und Produkte in Großbritannien in den Markt bringen wollen, benötigen eine Registrierung bei der MHRA und eine „verantwortliche Person“ („UK responsible person“).
  • Für Nordirland gelten Sonderregeln.

Registrierung in Großbritannien

Ab Januar 2021 besteht für alle Medizinprodukte eine Registrierungspflicht bei der zuständigen Behörde MHRA. Die Fristen zur Registrierung sind vom konkreten Produkt abhängig.

Registrierungsfrist 1. Mai 2021 für:
· Medizinprodukte der Klasse III
· Aktive implantierbare Medizinprodukte
· Implantierbare Medizinprodukte der Klasse IIb
· Produkte der IVD Liste A

Registrierungsfrist 1. September 2021:
· Nicht-implantierbare Produkte der Klasse IIb
· Medizinprodukte der Klasse IIa
· Produkte der IVD Liste B
· Selbsttest IVD

Registrierungsfrist 1. Januar 2022:
· Medizinprodukte der Klasse I
· IVD

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