Als siebtgrößtes Land der Erde mit fast 1,4 Milliarden Einwohnern und 330 Millionen Gottheiten ist Indien für internationale Medizinproduktehersteller ein Markt mit großartigen Möglichkeiten – aber auch vielen Herausforderungen. Wer sich auf Land, Leute und Kultur einlässt, Hindernisse nicht scheut und Präsenz und Service bietet, findet auf dem Subkontinent gute Geschäftspartner.
Susanne Schwab
susanne.schwab@konradin.de
Wer nach Indien reist, begegnet ihm überall: Ganesha, der Gott mit dem Elefantenkopf, ist einer der beliebtesten Götter in Indien. Er gilt als Gott des Anfangs und des Gelingens. Als Glücksbringer aller guten Unternehmungen räumt er materielle und geistige Hindernisse aus dem Weg. Vor Abschlussexamen, Eheschließungen und Geschäftsabschlüssen wird Ganesha um Beistand gebeten. Auch Altare in Fabrikhallen sind in Indien keine Seltenheit.
Für ausländische Unternehmen ist Indien ein wachsender Markt mit gigantischen Absatzmöglichkeiten. Im Land leben fast 1,4 Milliarden Menschen, die Bevölkerung ist jung, bildungshungrig und offen für Globalisierung. Im Gegensatz dazu lebt fast ein Drittel der Bevölkerung unter der nationalen Armutsgrenze und kann sich kaum das Essen, geschweige denn eine ärztliche Versorgung leisten. Um die Gesundheitsversorgung für die Menschen zu verbessern, hat die indische Regierung bereits vor über zehn Jahren begonnen, die heute weltweit größte staatliche Krankenversicherung (PM-JAY) aufzubauen. Über eine halbe Milliarde Menschen sind in dem Programm registriert und können sich kostenlos behandeln lassen. Möglichst viele staatliche und private Krankenhäuser sollen künftig Leistungen dieser Versicherung anbieten.
Indien erhöht Ausgaben für das Gesundheitssystem
Dr. Bhuwnesh Agrawal, Geschäftsführer bei der Sysmex Inostics GmbH, Hamburg, und Co-Vorsitzender der Arbeitsgruppe Gesundheit Asien der German Health Alliance (GHA) und Ostasien Verein (OAV), sieht das indische Gesundheitssystem seit einigen Jahren in einer Phase des Wandels und der Entwicklung „von einem überwiegend öffentlichen System mit schwachem Standard zu einem System, das aus öffentlichen, aber auch privaten Bestandteilen besteht und heute teilweise Weltklasse-Medizinleistungen bietet“. Seither haben sich die Ausgaben für das Gesundheitssystem erhöht. „Vor einigen Jahren lagen sie bei etwa 0,6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, heute bei rund 1,2 Prozent“, erklärt Dr. Agrawal, der im Rahmen seiner Arbeit im GHA Arbeitskreis Indien Unternehmen beim Markteintritt in Asien unterstützt. In den kommenden fünf Jahren soll der Anteil auf 2,5 % des Bruttoinlandsproduktes ansteigen.
Hochwertige Produkte kauft Indien überwiegend im Ausland
„Aus meiner Sicht ist jetzt ein sehr guter Zeitpunkt, als deutsches Unternehmen in Indien aktiv zu werden. Der Gesundheitssektor hat dort eine Wachstumsrate von etwa 16 bis 17 Prozent pro Jahr. Das gibt es weder in Europa noch in anderen Ländern.“ Davon können auch ausländische Hersteller profitieren. Immerhin wird über 70 % der indischen Nachfrage nach Medizintechnik durch Importe bedient. Dabei gilt: Je anspruchsvoller das Produkt technisch ist, desto höher ist die Importabhängigkeit. Siemens Healthineers, Medtronic und auch GE Healthcare haben das Potenzial bereits erkannt und sind seit Jahren mit ihren Produkten auf dem indischen Markt erfolgreich.
Die Produktion lokaler Unternehmen in Indien soll künftig jedoch gestärkt werden. Dies könnte den Wettbewerb auf dem preissensiblen indischen Markt erhöhen. Indiens Medizintechnikbranche umfasst nach Schätzungen der Gtai zwischen 800 und 1200 Firmen. Die meisten davon sind eher klein und produzieren Verbrauchsgüter für den lokalen Markt. „Aber auch immer hochwertigere Produkte aus den Bereichen Verbrauchsmaterialien und Diagnostik werden zwischenzeitlich in Indien gefertigt, denn das Personal ist meist gut ausgebildet“, sagt Dr. Agrawal. Medizintechnik aus Deutschland stehe in Indien aber, laut Agrawal, weiterhin hoch im Kurs. Deutsches Ingenieurwesen und die Qualität werden geschätzt.
Vertrauensvoller Partner hilft beim Markteinstieg in Indien
Ein Beispiel ist die PTW The Dosimetry Company, Freiburg, die Anfang der 90er Jahre in den indischen Markt eingestiegen ist. „Damals über unsere Vertretung Nucletron India. Heute ist einer der Mitarbeiter von Nucletron India Geschäftsführer von PTW Dosimetry India in Chennai“, erzählt PTW-Geschäftsführer Dr. Christian Pychlau. PTW stellt Messmittel für die Qualitätssicherung an Bestrahlungsgeräten für die Behandlung von Krebspatienten her. Technik, die auch in Indien gefragt ist. Im Portfolio des Unternehmens finden sich Dosimetrie-Messtechnik und Software-Lösungen, die die zielgenaue Applikation der geforderten Strahlendosis überprüfen und steuern.
Den Schritt auf den indischen Subkontinent wagte PTW, um größere Absatzmärkte zu erschließen. „Indien befand sich im Prozess einer sehr dynamischen Wirtschaftsentwicklung, und es wurden finanzielle Ressourcen für das Gesundheitswesen bereitgestellt. Daran konnten und wollten wir partizipieren“, erklärt Pychlau. Ohne eigne Produktion. „Verkauf, Kundensupport und Service stehen bei unserer indischen Niederlassung im Vordergrund.“ Unternehmen, die ebenfalls auf den indischen Markt wollen, rät der PTW-Geschäftsführer, einen vertrauensvollen Partner zu suchen, der bei den Markteintrittshürden hilft. Dazu gehören beispielsweise Zahlungsmodalitäten, die Klärung von Zollfragen, aber auch Serviceerwartungen der indischen Kunden und das Retourenmanagement. Doch die Bewältigung dieser Hürden lohne sich, so Pychlau: „Indien ist neben anderen großen Märkten wie China, USA und Japan eine Chance, die beim Einstieg Investitionen erfordert, dann aber hohe Absatzmöglichkeiten bietet.“
Beim Markteinstieg in Indien werden Geduld und Engagement belohnt
German Health Alliance unterstützt mit Netzwerk
Bei der Suche nach dem richtigen Partner hilft die German Health Alliance, die durch ihr internationales Netzwerk die globalen Medizintechnikmärkte kennt. Premarajani Sabanatham, die bei der GHA für den Bereich Globale Gesundheit und die Region Asien zuständig ist, betreut mit der Arbeitsgruppe Gesundheit Asien eine Plattform zum Informationsaustausch zu den Märkten und bestätigt: „Dieser Austausch ist bei unseren Mitgliedern sehr gefragt. Sie wollen Informationen zu aktuellen Entwicklungen vor Ort oder zu Praxiserfahrungen von Herstellern, die bereits auf dem indischen Markt sind.“
Themen, die im GHA-Netzwerk geklärt werden, befassen sich beispielsweise mit den Handelsbarrieren in Indien oder den Chancen kleiner und mittlerer Unternehmen. Aber auch Fragen zu Marktzulassung, Regulatory Affairs und Local Content bei Ausschreibungen tauchen auf – und lassen sich im Netzwerk oft über den kleinen Dienstweg beantworten. Zur Unterstützung werden aber auch mal Schreiben an Ministerien aufgesetzt oder Gespräche mit dem Auswärtigen Amt geführt, so Sabanatham. „Entscheidend sind aber die Erfolgsgeschichten der Unternehmen auf dem indischen Markt“, ergänzt Erhard Fichtner, Vorstandsvorsitzender der GHA. „Denn diese sind es, die weitere Unternehmen dazu bewegen, in Indien aktiv zu werden.“
Weitere Informationen über das Netzwerk der German Health Allicance:
Weitere Informationen zum Anbieter von Messmittel für die Qualitätssicherung an Bestrahlungsgeräten: