Frau Ålenius, Frau Wide, Schweden hat eine ehrgeizige Vision. 2025 will Ihr Land weltweit führend darin sein, die mit E-Health verbundenen Chancen zu nutzen. Wie soll das erreicht werden?
Ålenius: Schweden hat ein dezentralisiertes Gesundheitssystem. Die Verantwortung liegt bei den 20 Regionen, in einigen Fällen auch bei den 290 Gemeinden, die zudem für die soziale Betreuung zuständig sind. Die Regierung legt neben Grundsätzen und Leitlinien die politische Agenda für Gesundheit und medizinische Versorgung fest. 2017 wurde ein Aktionsplan zur Umsetzung der E-Health-Vision vereinbart. Da viele Stakeholder involviert sind, ist Zusammenarbeit entscheidend. Um das Ziel zu erreichen, wurden drei Schwerpunkte identifiziert: Gesetzgebung, Semantik und Interoperabilität. Arbeitsgruppen mit Vertretern einschlägiger Institutionen sollen sicherstellen, dass wir das Beste aus dem machen, was die Digitalisierung leisten kann.
Warum setzt Ihr Land so stark auf E-Health und Telemedizin?
Wide: Eine Investition in E-Health ist unerlässlich, um den Herausforderungen einer alternden Gesellschaft zu begegnen. Gesundheits- und Sozialfürsorge für ältere Menschen sind wichtige Bestandteile der schwedischen Sozialpolitik. Bis 2040 wird erwartet, dass bereits 23 Prozent der Bevölkerung das übliche Renteneintrittsalter von 65 Jahren überschritten haben. Dass wir länger leben, ist eine gute Sache – aber wir müssen Wege finden, neue Technologien so einzusetzen, dass die Sicherheit, die Qualität und die Effizienz der Gesundheitsversorgung erhöht werden.
Wie weit sind Digitalisierung und E-Health in Schweden fortgeschritten?
Wide: In gewisser Hinsicht ziemlich weit. Rund 99 Prozent aller Rezepte und alle Patientenakten sind elektronisch. Wir haben mehrere Unternehmen, die Online-Konsultationen mit medizinischem Fachpersonal anbieten, mehrere Regionen beginnen damit, diese Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen. Wir haben ziemlich viel erreicht, aber wir können auch noch viel dazulernen. Deshalb konzentrieren wir uns sehr auf die internationale Zusammenarbeit. Wir wollen unser Wissen und unsere erstklassigen Lösungen mit dem Rest der Welt teilen, möchten aber auch von anderen lernen und Lösungen finden, die auf unser System anwendbar sind.
Wie erreichen Sie einheitliche Standards und Interoperabilität?
Ålenius: Es gibt keine nationale Empfehlung zur Verwendung von Standards, aber mehrere De-facto-Standards, die für einige nationale Dienstleistungen verwendet werden. Mehrere staatlich finanzierte Projekte haben versucht, eine Lösung für die Herausforderung gemeinsamer Standards und Interoperabilität zu finden. Es ist auch einer der Schwerpunkte der E-Health-Vision, unter der ein nationales Forum für Normung geschaffen wurde. Mehrere Regionen haben kürzlich neue Gesundheitsinformationssysteme erworben und wenn diese implementiert werden, wird die Notwendigkeit gemeinsamer Standards und Vereinbarungen zur Erreichung der Interoperabilität an Dringlichkeit gewinnen und hoffentlich zu einer gemeinsamen Lösung führen.
Wo liegen die größten Hindernisse und was wird getan, sie zu überwinden?
Ålenius: Die drei größten Hindernisse wurden in der Vision identifiziert: Gesetzgebung, Semantik und Interoperabilität. Unsere Gesetzgebung wurde für eine Papiergesellschaft geschrieben und viele Gesetze und Vorschriften müssen geändert werden, um sich besser an eine digitale Welt anzupassen. Semantik ist wichtig, weil wir beim Austausch von Informationen sicherstellen müssen, dass wir über die gleichen Dinge sprechen. Und Interoperabilität ist entscheidend, um Informationen zwischen verschiedenen Systemen austauschen zu können.
Wie kann ich sicher sein, dass kein Unbefugter Zugriff auf meine Daten hat?
Ålenius: Das Patientendatengesetz regelt, dass nur autorisiertes Personal auf Patienteninformationen zugreifen kann. Es gibt Regelungen für die Berechtigung und die Zugangskontrolle. Leistungserbringer sind dafür verantwortlich, ihre Software ständig zu aktualisieren und zu verbessern, damit ihre Systeme nicht verletzt werden können. Im Allgemeinen haben Schweden ein hohes Maß an Vertrauen in öffentliche Einrichtungen. Obwohl es eine Debatte über die Sicherheit des Informationsaustauschs gibt, vertrauen die meisten Bürger darauf, dass die öffentlichen Einrichtungen für die Sicherheit ihrer Daten sorgen.
Hand aufs Herz: Wird Schweden die E-Health-Vision 2025 umsetzen können? Oder was kann bis dahin tatsächlich erreicht werden?
Wide: 2025 werden wir immer noch Herausforderungen haben, wenn es um E-Health geht: zum Teil die gleichen wie heute, aber es könnte auch neue geben. Wir sind in gewisser Hinsicht sehr weit gekommen und die Vision ist ein Instrument um sicherzustellen, dass wir unsere Kräfte sammeln und tun, was wir tun müssen, um die Möglichkeiten der Digitalisierung wirklich zu nutzen. Es ist schwer zu messen, wie man in dieser Hinsicht der Beste ist – aber wir können unseren Einsatz der Digitalisierung messen um sicherzustellen, dass wir uns kontinuierlich verbessern. Daran arbeiten wir mit allen relevanten Stakeholdern in Schweden. Und wir sind sicher, dass wir, solange wir weiter zusammenarbeiten, sicherstellen können, dass wir über qualitativ hochwertige soziale Dienste und Gesundheitsfürsorge verfügen, die fair, geschlechtergerecht und erschwinglich sind. Wir müssen unser Bestes geben, um die heutige Pflege mit der Technologie von morgen zu verbessern.
Weitere Informationen
Die 2014 gegründete schwedische E-Health-Agentur – eHälsomyndigheten – ist eine Regierungsbehörde, sie leitet und koordiniert die staatlichen E-Health-Initiativen. Zu ihren Aufgaben gehört die Verwaltung der elektronischen Rezepte.