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Medizintechnik-Markt Schweden

Marktchancen
Arztgespräch mit dem Handydoktor

Die Ausgaben für Schwedens Gesundheits- und Sozialwesen liegen auf Rekordniveau. Und der Wohlfahrtsstaat investiert weiter – nicht nur in Krankenhausprojekte. Das Land gilt als Vorreiter in Sachen Digital Health. Der Handydoktor ist bereits Realität.

Bettina Gonser
Freie Journalistin in Stuttgart

Auch in Schweden läuft nicht immer alles nach Plan. Ausgerechnet Nya Karolinska Solna, das prestigeträchtige neue Stockholmer Universitätsklinikum, hat sich zum Bauskandal entwickelt. Die volle Inbetriebnahme des Public-private-Partnership-Projekts verzögerte sich um mehr als zwei Jahre, die Baukosten sind explodiert.

„Wir haben das teuerste Krankenhaus der Welt, das aber keineswegs das beste Krankenhaus der Welt zu sein scheint“, sagt Finanzministerin Magdalena Andersson. Unter anderem waren die Kosten für die medizinisch-technische Ausrüstung nicht mit eingerechnet worden.

Gesundheitssystem: lieb und teuer

Die medizinische Versorgung seiner zehn Millionen Einwohner ist dem Wohlfahrtsstaat Schweden mit seinem überwiegend staatlich organisierten und steuerfinanzierten Gesundheitssystem lieb und teuer. Nach Angaben der Außenwirtschaftsagentur Germany Trade and Invest (GTAI) erreichten die im Haushalt 2018 eingeplanten Ausgaben für das Gesundheits- und Sozialwesen mit 77,5 Mrd. Kronen (rund 7,7 Mrd. Euro) ein Rekordniveau, 15 % über dem Vorjahreswert.

Neue Krankenhausprojekte kurbeln die Nachfrage nach Medizintechnik weiter an, so werden zur Zeit die Hospitäler in Malmö und Helsingborg für mehr als 1,8 Mrd. Euro modernisiert und erweitert. Schwedens Krankenhausbetten-Quote ist die niedrigste der europäischen OECD-Mitgliedsländer. Gefragt sind daher laut GTAI medizinische Lösungen, die ambulante und effiziente Behandlungen ohne lange Rekonvaleszenz ermöglichen.

Attraktiver Markt für internationale Hersteller

Für internationale Hersteller ist Schweden kein großer, aber dennoch attraktiver Markt. Finanzielle Ressourcen für qualitativ hochwertige Systeme seien vorhanden, sagt Hauke van der Kooij, Vertriebspartner der Inomed Medizintechnik GmbH. Seit 2016 beliefert das Emmendinger Unternehmen seine Kunden in Schweden, wie in den anderen skandinavischen Ländern, im Direktvertrieb.

„Die Skandinavier haben großes Vertrauen in deutsche Technik“, betont van der Kooij. Inomed entwickelt und produziert Geräte und Systeme zur Therapie neurologischer Erkrankungen und für Eingriffe am zentralen und peripheren Nervensystem. Kunden sind in Schweden fast ausschließlich die öffentlichen Krankenhäuser. Privatkliniken spielen eine untergeordnete Rolle, es gibt auch relativ wenige niedergelassene Ärzte.

An der Kaufentscheidung seien viele beteiligt, daher seien die Entscheidungsprozesse langwieriger, sagt van der Kooij: „Networking mit den involvierten Entscheidungsträgern ist unabdingbar.“ Extrem wichtig sei auch ein kompetenter und zuverlässiger Service.

Laut aktuellem GTAI-Branchenbericht hat Schweden im Jahr 2017 Medizintechnik für rund 1,4 Mrd. Euro eingeführt, rund 3,5 % mehr als im Vorjahr. Das Marktvolumen lag bei rund 2 Mrd. Euro. Deutschland bleibt mit einem Marktanteil von 22 % – Tendenz fallend – wichtigstes Lieferland, vor den Niederlanden und Belgien, die Marktanteile im zweistelligen Bereich hinzugewinnen konnten.

Vorreiter bei der Einführung von Digital Health

Schweden gilt als Vorreiter in Sachen Digital Health. Rund 99 % aller Rezepte und alle Patientenakten sind schon elektronisch, Ferndiagnostik und Selbstmonitoring sind im Kommen. In entlegenen Gebieten gibt es bereits „Virtual Care Rooms“, in denen Patienten selbst Tests machen und über ein Videokonferenz-System mit einem Arzt kommunizieren können.

Auch der Handydoktor ist Realität. Nach Angaben des Handelsblatts werden schon 3 % aller Arztbesuche in Schweden digital abgewickelt. Marktführer ist das 2014 gegründete Start-up Kry aus Stockholm. Kry arbeitet mittlerweile mit einem Team von 400 Ärzten und wurde eigenen Angaben zufolge allein in den nordischen Ländern bereits von mehr als einer halben Million Patienten genutzt, um via Smartphone oder Tablet Arztgespräche zu führen. In Baden-Württemberg bekam der schwedische Anbieter 2018 ein Modellprojekt zur ärztlichen Fernbehandlung genehmigt.

Deutschland und Schweden kooperieren in Sachen E-Health

Im Jahr 2025 möchte Schweden die mit E-Health verbundenen Chancen besser nutzen als jedes andere Land: So beschreibt es jedenfalls die E-Health-Vision, die die Regierung gemeinsam mit den Regionen und den Gemeinden umsetzen will. E-Health zählt auch zu den Bereichen, die in die 2017 unterzeichnete Deutsch-schwedische Innovationspartnerschaft aufgenommen wurden.

Innovative Unternehmen, führende Forschungseinrichtungen und starke Cluster zeichnen Schwedens Life-Science-Bereich aus. Die verschiedenen Akteure arbeiten eng zusammen: Davon profitiert auch das Start-up Neotiv aus Magdeburg. Ein Team aus Wissenschaftlern, Softwareentwicklern und Medizinern entwickelt eine App für Smartphone und Tablet, die mit spielerischen Tests eine langfristige Begleitung des Gedächtnisses ermöglicht und der Früherkennung von Demenz dienen soll, aber auch wissenschaftliche Studien erleichtert. Die Universität Lund, an der eine Vorsorgestudie realisiert wird, ist Kooperationspartner.

„Die Offenheit gegenüber modernen Methoden und digitalen Hilfsmitteln in der Forschung ist sehr groß“, sagt Julian Haupenthal, Mitbegründer und Entwicklungsleiter der Neotiv GmbH. Sein Unternehmen könne so einen sehr unmittelbaren Mehrwert aus der Kooperation ziehen, viel direkter als das etwa in Deutschland oder den USA möglich sei: „Eine sehr lehrreiche Erfahrung.“

Neotiv wird vom Unternehmen Flying Health, Berlin, betreut, das Digital Health Start-ups beim Markteintritt unterstützt. Neotiv ist noch in der Entwicklungsphase, andere Unternehmen, die der Inkubator begleitet, sind mit ihren Produkten schon auf dem Markt, wie die Bio Wink GmbH aus Berlin, mit deren Clue-App auch Schwedinnen ihren Zyklus verfolgen.

„Wir in Deutschland entwickeln innovative Produkte, die auch für den schwedischen Markt sehr interessant sind“, sagt Laura Wamprecht, Direktorin des Pionierprogramms von Flying Health, das neben Start-ups auch Unternehmen aus der Gesundheitswirtschaft bei der Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle unterstützt. Da gebe es noch genügend Raum. Und die Startrampe sei in Schweden vielleicht noch steiler als in Deutschland.


Weitere Informationen

Über Inomed Medizintechnik:

www.inomed.de

Über das Start-up Neotiv:

www.neotiv.com

Über Flying Health:

www.flyinghealth.com

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