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Herzstück Europas: EU-Binnenmarkt ohne Grenzen

30 Jahre EU-Binnenmarkt
Das Herzstück Europas – ein Binnenmarkt ohne Grenzen

Das Herzstück Europas – ein Binnenmarkt ohne Grenzen
450 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner machen den Europäischen Binnenmarkt zu einem attraktiven Wirtschaftsraum (Bild: PX Media/stock.adobe.com)
Der Europäische Binnenmarkt ermöglicht und reguliert den freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen, Kapital und Personen innerhalb der EU genauso wie innerhalb eines einzelnen Landes. Das birgt viele Chancen, aber auch Herausforderungen – insbesondere in Krisenzeiten. Die Medizintechnikbranche kämpft aktuell beispielsweise mit der Umsetzung der neuen Medizinprodukteverordnung.

Susanne Schwab
susanne.schwab@konradin.de

Der Europäische Binnenmarkt ist das Herzstück der Europäischen Union. Er umfasst heute 27 Staaten mit etwa 450 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern sowie rund 23 Millionen Unternehmen. Gut 60 % des gesamten Warenhandels der EU-Mitgliedstaaten entfallen allein auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten. Mit 15 % des weltweiten BIP ist er der weltweit größte integrierte Binnenmarkt. Gleichzeitig ist der EU-Binnenmarkt eine der am stärksten nach außen gerichteten Regionen der Welt. In diesem Jahr feiert die Europäische Union den
30. Jahrestag ihres Binnenmarktes, der am 1. Januar 1993 geschaffen wurde.

In einem Binnenmarkt müssen die sogenannten „vier Freiheiten“ verwirklicht sein, die schon im Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) von 1957 genannt sind:

  • Freiheit des Personenverkehrs
  • Freiheit des Warenverkehrs
  • Freiheit des Dienstleistungsverkehrs
  • Freiheit des Kapitalverkehrs.

Das bedeutet, die Europäische Union stellt ihren Bürgerinnen und Bürgern in allen Ländern der EU den freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen, Kapital und Personen in einem Binnenmarkt sicher. Durch die Beseitigung technischer, rechtlicher und auch bürokratischer Hindernisse soll sie damit den freien Handel und die freie Ausübung von Geschäftstätigkeiten ermöglichen, so die EU-Kommission.

Der EU-Binnenmarkt muss sich jedoch weiterhin an neue Gegebenheiten anpassen, sprich dem sich wandelnden geopolitischen Umfeld, den technologischen Entwicklungen, dem ökologischen und dem digitalen Wandel. Ziel ist es, die langfristige Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität der EU zu steigern. Davon sollen auch die Medizintechnikindustrie und die Gesundheitswirtschaft profitieren.

Medizintechnik: Bedarf variiert von Land zu Land

Der Medizinproduktesektor ist von grundlegender Bedeutung für die medizinische Versorgung von Bürgerinnen und Bürgern in der EU und spielt eine wichtige Rolle in der europäischen und globalen Wirtschaft. Den Unternehmen der Medizintechnik-Branche bietet der EU-Binnenmarkt eine Chance, ihre Leistungen und Produkte auf einer größeren Bühne zu präsentieren. Der Bedarf an Medizinprodukten variiert je nach Land und den Gesundheitsbedürfnissen seiner Bevölkerung. Allgemein gilt jedoch, dass im EU-Binnenmarkt eine große Nachfrage nach medizinischen Produkten besteht, die auch aus dem Binnenmarkt bedient werden kann. Dazu zählen:

  • Diagnostische Geräte, unter anderem bildgebende Geräte wie Computertomografen, Magnetresonanztomographen und Ultraschallgeräte, die für eine frühzeitige Diagnose von Krankheiten unerlässlich sind.
  • Implantate und Prothesen: Dazu gehören künstliche Gelenke, Herzklappen, Hüftprothesen und Brustimplantate, die den Patienten helfen, ihre Mobilität und Lebensqualität wiederzuerlangen.
  • Medizinische Geräte für die Heimbeatmung: Diese Geräte sind für Menschen mit chronischen Atemproblemen wie COPD und Schlafapnoe wichtig.
  • Telemedizinische Geräte, beispielsweise für medizinische Diagnosen und Überwachungen.

Produkte aus dem Binnenmarkt sind weltweit gefragt

Auch außerhalb des Binnenmarktes ist die Nachfrage nach Medizintechnik aus der EU hoch. Zu den wichtigsten Abnehmerländern zählen die USA, China, Japan, Kanada und die Schweiz. Aber auch in Asien und Afrika werden die Qualität und Zuverlässigkeit der Medizinprodukte aus dem EU-Binnenmarkt geschätzt.

Insgesamt stehen aus den Märkten der EU-Länder mehr als 500 000 Arten von Medizinprodukten und In-vitro-Diagnostika zur Verfügung. Dazu gehören so unterschiedliche Dinge wie Pflaster, Kontaktlinsen, Röntgengeräte, Herzschrittmacher, Brustimplantate, Software-Apps oder Hüftprothesen. In-Vitro-Diagnostika werden zur Durchführung von Tests an Proben, wie HIV-Bluttests, Schwangerschaftstests und Blutzucker-Überwachungssysteme für Diabetiker verwendet.

Die wettbewerbsfähige Industrie stützt sich vor allem auf kleine und mittlere Unternehmen. Ihre Medizinprodukte und Arzneimittel unterliegen den Regeln des Binnenmarktes und sind von unmittelbarer Bedeutung für die Gesundheit der Bürger. Damit die öffentliche Gesundheit geschützt und die Sicherheit dieser Produkte garantiert werden kann, wurde ein solider Rechtsrahmen geschaffen. Dieser gilt für den gesamten Zyklus dieser Produkte – von Prüfungen und Tests über die Genehmigung für das Inverkehrbringen bis zur Überwachung und zum Rückruf.

Der Zugang zu erschwinglichen Arzneimitteln, die Bekämpfung der antimikrobiellen Resistenz, die ethisch einwandfreie Durchführung klinischer Prüfungen sowie die Schaffung von Anreizen für Forschung und Entwicklung sind nur einige der zentralen Themen, mit denen sich die EU in diesem Bereich befasst. Damit mit den wissenschaftlichen und technologischen Entwicklungen Schritt gehalten und auf neue Gesundheitsgefahren reagiert werden kann, werden die legislativen und politischen Maßnahmen regelmäßig evaluiert und genau verfolgt.

MDR und IVDR: Patientensicherheit als Ziel

2017 wurden die neuen Rechtsvorschriften für Medizinprodukte und In-vitro-Diagnostika erlassen. In der Verordnung (EU) 2017/745 und der Verordnung (EU) 2017/746 sind die Vorschriften für das Inverkehrbringen von Medizinprodukten und In-vitro-Diagnostika und für damit zusammenhängende klinische Prüfungen niedergelegt. Diese Verordnungen traten im Mai 2022 in Kraft. Die Produkte werden nach ihrer Risikokategorie zusammengefasst, für die jeweils besondere Vorschriften gelten.

Mit den neuen Verordnungen soll die Patientensicherheit gestärkt werden, da mit ihnen strengere Verfahren für die Konformitätsbewertung und die Überwachung nach dem Inverkehrbringen eingeführt werden und die Hersteller nun verpflichtet sind, Daten zur klinischen Sicherheit zu erheben. Doch mit der Umsetzung der Medical Device Regulation haben vor allem KMU zu kämpfen. Jüngst wurden deshalb die Übergangsfristen für die Zulassung von Medizinprodukten verlängert. Mit den Verordnungen soll ein einheitliches Produktkennzeichnungssystem für die Rückverfolgbarkeit von Produkten geschaffen werden. Zudem soll eine europäische Datenbank für Medizinprodukte entstehen.

Trotz seiner vielen Vorteile gibt es auch Herausforderungen, denen sich der EU-Binnenmarkt gegenübersieht: Einige Mitgliedstaaten haben Schwierigkeiten, die Vorteile des Binnenmarkts vollständig zu nutzen, und es gibt immer noch Barrieren für den Handel und die Dienstleistungen innerhalb der EU. Auch der EU-Austritt des Vereinigten Königreichs, die Covid-Pandemie, der Krieg in der Ukraine und die Energiekrise zeigen, wie fragil der EU-Binnenmarkt in Krisenzeiten sein kann.

Bürokratie und Protektionismus bedrohen den Binnenmarkt

Darüber hinaus zählen zu den größten Hindernissen für grenzüberschreitende Tätigkeiten im EU-Binnenmarkt restriktive nationale und komplexe Vorschriften, eine mangelhafte Umsetzung und Anwendung der Dienstleistungsrichtlinie, eine zunehmende Tendenz zum nationalen Protektionismus, unterschiedliche Steuersysteme sowie Probleme bei öffentlichen Vergabeverfahren.

Auch dreißig Jahre nach seiner Einführung ist der Binnenmarkt also noch nicht vollendet. Aktuell soll der Markt an neue Entwicklungen wie den digitalen Wandel und den Übergang zu einer nachhaltigeren Wirtschaft angepasst werden, teilte das EU-Parlament mit und verabschiedete 2022 zwei Gesetze über digitale Märkte und digitale Dienste. Ein weiteres Ziel ist, den EU-Binnenmarkt widerstandsfähiger gegen Krisen zu machen, die zu Störungen des freien Waren- und Personenverkehrs führen können.


Zum Hintergrund

Der gemeinsame Binnenmarkt der Mitgliedstaaten der Europäischen Union existiert seit dem 1. Januar 1993. Er ist einer der größten einheitlichen Märkte der industrialisierten Welt: Teil des Europäischen Binnenmarkts sind die 27 Mitgliedstaaten der EU sowie Island, Norwegen und Liechtenstein, die mit der EU den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) bilden. Durch bilaterale Verträge mit der EU hat zudem die Schweiz Zugang zum Europäischen Binnenmarkt. Das Vereinigte Königreich hat im Januar 2020 nach Abstimmung die EU verlassen.

www.european-union.europa.eu


(Bild: japhoto/stock.adobe.com)

Vorteile für Medizintechnik-Hersteller

Medizintechnik aus der Europäischen Union hat weltweit einen hohen Stellenwert. Der EU-Binnenmarkt bietet den Herstellern zahlreiche Vorteile:

  • Harmonisierte Regulierung: Durch die Schaffung eines einheitlichen Regulierungsrahmens für Medizinprodukte innerhalb der EU können Hersteller ihre Produkte leichter auf dem gesamten Binnenmarkt verkaufen. Dies spart Zeit und Kosten, da sie nicht für jedes Land einzelne Zulassungen beantragen müssen.
  • Größere Absatzmärkte: Der EU-Binnenmarkt bietet Unternehmen in der Medizintechnik einen größeren Absatzmarkt und ermöglicht es ihnen, ihre Produkte einfacher an Kunden in anderen EU-Ländern zu verkaufen.
  • Zugang zu Fachkräften und zu Forschung: Der freie Personenverkehr innerhalb der EU erleichtert es Unternehmen in der Medizintechnik, auf eine breite Palette von Fachkräften zuzugreifen, einschließlich Spezialisten für Forschung und Entwicklung.
  • Kooperation und Austausch: Der EU-Binnenmarkt fördert auch den Austausch und die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Forschungseinrichtungen in der Medizintechnik. Dies kann dazu beitragen, die Entwicklung neuer Technologien und Behandlungsmethoden zu beschleunigen.
  • Höhere Qualität und Sicherheit: Durch die engere Zusammenarbeit innerhalb der EU und die Harmonisierte Regulierung kann die Qualität und Sicherheit von Medizinprodukten verbessert werden, was zu besseren Ergebnissen für Patienten führt.

Gesundheit in der EU

Im November 2020 legte die EU-Kommission erstmals ihren Plan für das Grundgerüst einer Europäischen Gesundheitsunion vor. Der neue EU-Rahmen für Gesundheitssicherheit ist Ende 2022 in Kraft getreten.

Durch das Inkrafttreten des neuen EU-Rahmens für Gesundheitssicherheit wird ein leistungsfähiger Rechtsrahmen zur Verbesserung der Kapazitäten der EU in den Bereichen Prävention, Vorsorge, Überwachung, Risikobewertung, Frühwarnung und Reaktion geschaffen.

Die Vorschriften umfassen ein stärkeres Regelwerk in Bezug auf schwerwiegende grenzüberschreitende Gesundheitsgefahren innerhalb Europas. Sie enthalten außerdem einen umfassenderen Auftrag für das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC). Das ECDC überwacht europaweit Infektionskrankheiten wie HIV- oder Covid-19-Infektionen und gibt Empfehlungen an die EU-Mitgliedsstaaten. Sie beobachtet auch, ob die EU-Staaten in der Lage sind, Krankheitsausbrüche zu erkennen, zu verhindern und darauf zu reagieren.

Eine weitere Priorität des EU-Rahmens für Gesundheitssicherheit betrifft die Bekämpfung von Krebs. Europas Plan gegen den Krebs umfasst alle Phasen des Krankheitsverlaufs. Auch die Verfügbarkeit von Medizinprodukten in der EU soll verbessert und eine langfristige Versorgung mit lebenswichtigen Medikamentensichergestellt werden.

Mit den neuen Vorschriften verändern sich auch die Rahmenbedingungen für exportorientierte Unternehmen aus der Gesundheitswirtschaft. Ein besserer Austausch von Medizinprodukten und Medikamenten innerhalb der EU kann langfristig für einen vereinfachten Marktzugang und steigende Geschäftschancen für deutsche Medizintechnik- und Arzneimittelanbieter in allen Mitgliedstaaten sorgen.

www.ec.europa.eu/commission

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