Herr Falke, Kolumbien gilt als drittgrößter Medizintechnikmarkt in Lateinamerika, ein Großteil des steigenden Bedarfs wird importiert. Was sollten europäische Hersteller von Medizintechnik beachten, wenn sie ihre Produkte in Kolumbien auf den Markt bringen wollen?
Eine Markteinführung dauert in der Regel drei bis fünf Jahre. Man muss sich sehr genau damit auseinandersetzen, welche Möglichkeiten es gibt und welche Risiken man eingeht. Eine detaillierte Analyse des Marktes, der Mitbewerber, des privaten und öffentlichen Bedarfs sind die ersten notwendigen Informationen, und sie sollten von verschieden Quellen kommen. Die Analyse muss auch eine Spezifizierung enthalten, die das Produkt oder die Dienstleistung, die Sie exportieren möchten, widerspiegelt. Eine gute steuerliche und rechtliche Beratung ist entscheidend, um Risiken zu minimieren.
Wie gelingt der Markteintritt?
Eine gute Strategie und eine solide Voruntersuchung sind das A und O. Die Art der Lösung, die Sie anbieten, ist eine wichtige Komponente: Ist es eine neue Technologie oder Applikation? Muss ein lokaler Meinungsmacher vorgeschaltet werden, zum Beispiel eine Universität oder eine renommierte Persönlichkeit im Fachbereich? Benötige ich eine lokale Infrastruktur, Montage, Einarbeitung und Service oder Wartung? Ein entscheidender Punkt ist auch, ob man sich einen Partner vor Ort sucht.
Wann macht eine Niederlassung Sinn?
Eine eigene Niederlassung hat eine ganze Reihe von Vorteilen, wenn Sie langfristig denken. In dem Moment, wo es aber vielleicht Risiken um die Markteinführung und Akzeptanz des Produkts gibt, ist es besser, das Geschäft über einen Händler zu gestalten. Der Händler hat in der Regel auch eine bessere Vernetzung. Wenn Sie rübergehen und ein Netzwerk aufbauen müssen, dann dauert es länger.
Was sollten insbesondere kleinere Hersteller beim Markteinstieg berücksichtigen?
In Kolumbien ist der Geldtransfer kein Thema, dafür ist die Zahlungsmoral eine wichtige Komponente. Die vertraglichen Zahlungsziele werden in der Regel nicht eingehalten, man muss kalkulatorisch mit Überschreitungen rechnen. Gerade bei der öffentlichen Hand muss man da aufpassen.
Was ist sonst noch wichtig?
Um ein solides und langfristiges Geschäft aufzubauen, muss man die Sprache und auch die Mentalität verstehen. Jedes Land in Lateinamerika hat seine besonderen Eigenschaften. In Argentinien etwa sagt man sehr schnell nein, aber in Kolumbien wird das Nein umschrieben.
Wie beurteilen Sie die Rahmenbedingungen insgesamt?
Kolumbien ist auf dem Weg zu einer wirtschaftlichen und politischen Stabilisierung: Das ist die Chance, wenn man dort einsteigt und mitwächst.Die Rahmenbedingungen sind im Prinzip nicht schlecht, angefangen von der Zulassung und vom Import, und der Markt wächst, vor allem im privaten Sektor. Zum einen steigt langsam die Kaufkraft, und weil viele Leistungen im Gesundheitswesen von der öffentlichen Hand nicht so gut abgedeckt werden, wandern immer mehr Kolumbianer in den privaten Bereich ab. Es gibt auch große Unternehmen, die ihren Mitarbeitern eine private Krankenversicherung als soziale Leistung anbieten.
Wie gut ist das private Angebot?
Die private Gesundheitsinfrastruktur Kolumbiens ist neben der in Chile die beste in ganz Lateinamerika und der private Markt ist hochinteressant. Die Zeitschrift „América Economía“ veröffentlicht jedes Jahr ein Ranking der besten Krankenhäuser in Lateinamerika: 23 der 58 Top-Kliniken befinden sich aktuell in Kolumbien. Sie sind technisch sehr gut ausgestattet und haben gut ausgebildetes Personal. Es gibt sogar Gesundheitstourismus zwischen den USA und Kolumbien.
Und wie steht es um die staatliche Gesundheitsversorgung?
In den Großstädten ist die öffentliche Gesundheitsversorgung nahezu befriedigend. Aber Kolumbien hat zirka 1600 Kilometer Pazifikküste und 1400 Kilometer Atlantikküste und zusätzlich große Grenzgebiete mit Peru, Brasilien, Ecuador und Venezuela – das sind Riesenentfernungen, und es ist extrem schwierig, eine ausreichende medizinische Versorgung sicherzustellen. Die Investitionen sind sehr gering und es fehlt an Infrastruktur und Personal. Junge Ärzte und Krankenschwestern arbeiten lieber in den Großstädten.
Wie hoch sind die Einfuhr- und Zulassungshürden?
Die Zulassungsprozeduren sind nicht besonders aufwendig. Es gibt ein Handelsabkommen mit der EU, damit sind alle Zölle für Medizinprodukte weggefallen. Sie müssen ein Produkt ganz normal anmelden, es gibt aber keine großen Barrieren und es existiert kein Protektionismus wie etwa in Brasilien oder teilweise in Mexiko. Die Zulassung dauert in der Regel zwei bis drei Monate, vor allem, wenn bereits FDA-Zulassunf und CE-Kennzeichnung vorliegen.
Wie wird sich der kolumbianische Markt für Medizinprodukte aus Ihrer Sicht weiterentwickeln?
Die Investitionen im Gesundheitswesen haben eine hohe Priorität, aber die wirtschaftlichen Barrieren lassen sich nicht ohne weiteres beseitigen. Dies führt zu einem gemäßigten kontinuierlichen Wachstum. Wo das Investment sehr hoch ist, zum Beispiel in der Computertomographie, kauft die Regierung auch Leistungen auf dem stärker wachsenden privaten Markt. Solche Tendenzen gibt es mehr und mehr, weil der Nachholbedarf so groß ist, dass das Geld einfach nicht reicht.
Jahrzehntelang hat in Kolumbien der Guerillakrieg getobt. Wie steht es heute um die Sicherheit im Land?
Die Phase, wo man aus Sicherheitsgründen aus der Hauptstadt Bogotá nur ausfliegen konnte, ist Gott sei Dank vorbei. Vor fünf Jahren hat das Militär an Brückenwochenenden noch Fahrzeugkolonnen organisiert, die sind dann unter Militärschutz an den Strand gefahren. Auch wenn sich die Lage mit den Entführungen und so weiter etwas beruhigt hat, ist die Situation schon noch problematisch, auch der Kokaanbau hat wieder zugenommen. Am besten ist es, sich vor Ort von einem Einheimischen beraten zu lassen. Aber ich würde zu jeder Zeit nach Kolumbien fliegen und dort Geschäfte machen.
Weitere Informationen
Manfred Falke ist in Argentinien aufgewachsen. Viele Jahre lang war er bei Siemens Medizintechnik in leitender Funktion im Bereich Fertigung, Marketing und Vertrieb tätig, unter anderem in Brasilien und Mexiko. Zuletzt arbeitete er im Stammhaus in Erlangen als Lateinamerika-Referent für den Bereich Medizintechnik. 2012 gründete Falke in Erlangen die Beratungsfirma MF Consulting, die sich auf den lateinamerikanischen Medizintechnik-Markt spezialisiert hat.