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Laut schreien darf nichts nützen

Forschung & Entwicklung: Vor Projektstart muss das Potenzial genau bekannt sein
Laut schreien darf nichts nützen

Laut schreien darf nichts nützen
Subjektive Entscheidungen sind keine gute Basis, um die Arbeit der F&E-Abteilung zu steuern. Eine Methode, die auf objektive Kriterien setzt, kommt aus der Chemiebranche. Sie lässt sich auf die Medizintechnik übertragen.

Interne und externe Forschungsaufträge, mittel- und langfristige Innovationsprojekte: Auf die Mitarbeiter in F&E sowie der Anwendungstechnik stürmen viele Anforderungen ein, die sie nur nacheinander und manchmal auch gar nicht mehr abarbeiten können. An welcher Stelle der Prioritätenliste eine Aufgabe landet, entscheidet sich allerdings selten danach, ob sich der Einsatz der Ressourcen lohnt. Wenn der technische Außendienst droht, dass der Kunde verloren gehen könnte, hat das oftmals eine so starke Wirkung, dass selbst wirtschaftliche Fragen des eigenen Unternehmens in den Hintergrund treten. Das Prinzip „Wer schreit am lautesten?“ führt also immer wieder dazu, dass subjektiv priorisiert und ein Projekt sogar ohne Budgetabschätzung und -freigabe initiiert wird.

In einem kleinen Unternehmen kann so eine Entwicklungsarbeit „auf Zuruf“ noch funktionieren. Wenn kundenorientiert und flexibel arbeitende Medizintechnik-Unternehmen aber wachsen wollen, lohnt es sich, Chancen und Risiken eines Projektes im Verhältnis zum Ressourceneinsatz genauer zu betrachten.
Das Instrument dafür ist das wertorientierte Projektmanagement. Es berücksichtigt interne wie externe Stakeholder der technischen Abteilung. Solche Methoden sind in der Spezialchemie etabliert und lassen sich nach den Erfahrungen des Beratungsunternehmens OPC auf die Medizintechnik übertragen: so, dass auch in dieser Branche nachhaltig Kosten gesenkt und die Innovativität erhöht werden kann.
Nach der Überwindung erster Widerstände nutzen F&E-Leiter in der Regel bereitwillig das praxisorientierte Tool für Dokumentation, Recherche und Reporting, das im Folgenden beschrieben wird. Der andere Umgang mit den technischen Abteilungen, der sich daraus ergibt, steigert die Leistungsfähigkeit und Zufriedenheit, ohne dass die F&E-Kosten steigen.
Die Basis für das F&E-Controlling sind im Wesentlichen zwei Listen: In einer Taskliste fasst die Anwendungstechnik alle Anfragen zusammen, die an die technische Abteilung herangetragen werden. Die parallel geführte Projektliste dient dazu, Entwicklungsprojekte wertorientiert zu managen, und ist viel detaillierter. Sie führt Informationen aus Marketing und technischer Abteilung zusammen.
Hierbei hat die Abteilung Marketing die Leitung und Verantwortung für die Projekte. Das ist sinnvoll, da die Mehrzahl der Entwicklungsprojekte in der Medizintechnik marktgetrieben ist. Der Vertrieb muss dafür seine Kundenanfragen filtern. „must have“ kommt zuerst an die Reihe, „nice to have“ muss warten. Der Vertrieb ist verantwortlich für das Initiieren einer Neuentwicklung, und er gibt die Verantwortung erst ab, wenn die Entwicklung fertiggestellt ist. Diese starke Schnittstelle zum Markt verkürzt im Allgemeinen die Time-to-Market. Umgekehrt sichert sie den rechtzeitigen Projektabbruch, unabhängig davon, ob die Entwicklung technisch in eine Sackgasse läuft oder der Kunde das Interesse verliert.
Bevor ein Projekt in die Liste aufgenommen wird, muss das Marketing eine Reihe von Daten liefern.
  • Das jährliche Umsatzpotenzial wird festgelegt, gestaffelt nach der Dauer der Markteinführung und in Abhängigkeit von der angestrebten Marge. Am genannten Potenzial ist der Vertrieb in der Nachbetrachtung zu messen. Wenn durch interne Projekte Kosten gesenkt werden sollen oder wenn Produkte wegen regulatorischer Änderungen angepasst werden müssen, sind Einsparpotenziale und gefährdete Umsätze anzugeben.
  • Das Marketing bewertet, wie wahrscheinlich es ist, dass aus dem Potenzial tatsächlich Umsatz wird. Kundenspezifische Produktentwicklungen lassen sich hier ebenfalls berücksichtigen, wenn eine Folgevermarktung möglich ist.
  • Die Rohmarge wird berechnet, sie zeigt die finanzielle Attraktivität des Projektes.
  • Kannibalisierungseffekte müssen erkannt werden. Neuentwicklungen könnten etablierte Produkte verdrängen. Das muss beim Bewerten von Projekten zur Kostensenkung oder für das Erschließen neuer Märkte berücksichtigt werden.
  • Neben dem zu erwartenden Umsatz zählt auch der Kunde: Entscheidungen sollten nicht dazu führen, dass wichtige Kunden dem Mitbewerber die Tür öffnen.
In der Anwendungstechnik wiederum liegt die Taskliste, mit allen Anfragen durch den technischen Außendienst, Kunden oder interne Abteilungen wie Produktion oder Qualitätskontrolle. Sie ist meist umfangreich und muss daher benutzerfreundlich und filterbar gestaltet sein.
Bei jeder Anfrage wird zunächst geprüft, ob sich die beschriebene Aufgabe mit einem vorhandenen oder leicht modifizierten Produkt erledigen lässt. Das kann nur der jeweilige Produktmanager klären. Wenn eine Anfrage finanziell wie auch technisch attraktiv scheint, stellt er einen Antrag: Dieser wird der Geschäftsleitung vorgelegt, und nach der Bewertung kann das Projekt in die Projektliste aufgenommen werden.
Um die Chancen bewerten zu können, muss der Antrag folgende Aspekte beschreiben.
  • Die Kosten müssen nach angemessenem Stundensatz auf Basis einer Vollkostenbetrachtung berechnet werden. Dahinter steht die Idee, dass die Abteilung F&E als interner Dienstleister beauftragt und bezahlt wird. Die Erfahrungen des Beratungsdienstleisters OPC zeigen, dass Make-or-buy-Entscheidungen leichter fallen, wenn die projektspezifischen Kosten bekannt sind.
  • Anhand projektbezogener Investitionen, des Aufwandes und des Stundensatzes wird das Projektbudget festgelegt. Meilensteine sollen einen Soll-Ist-Vergleich des Arbeitsaufwands ermöglichen.
  • Technik und Marketing müssen die Erfolgswahrscheinlichkeit abschätzen: Etablierte Technologien auf neue Märkte zu übertragen bietet bessere Aussichten als Projekte, in denen sowohl Technologie als auch Zielmarkt neu sind.
  • Je länger die Entwicklung dauert, desto weniger Umsatz wird am Markt zu erzielen sein. Priorität bekommen Projekte, die das Unternehmen zum einzigen Problemlöser am Markt machen, da sie das Abschöpfen eines zeitlich begrenzten Quasimonopols ermöglichen.
Sowohl Task- als auch Projektliste müssen zentral geführt werden. Bei Unternehmen mit mehreren Standorten wird dafür ein gemeinsames Software-Tool gebraucht. Das ist oftmals die erste Hürde für ein wertorientiertes Projektmanagement. Je nachdem, welche Strukturen es gibt, reichen aber schon in MS-Excel erstellte Projektlisten aus, um in das wertorientierte Projektmanagement einzusteigen.
Dr. Andreas Kühne OPC, Düsseldorf
Weitere Informationen Seit 1996 ist die OPC Organisations & Projekt Consulting GmbH, Düsseldorf, als Unternehmensberatung in Europa und Nordamerika tätig. www.opc-gruppe.de

Ihr Stichwort
  • Bewertete F&E-Projekte
  • Vertrieb entscheidet über Priorisierung
  • Forschungsabteilung als Dienstleister
  • Start mit einfacher Liste
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