Schon heute sind 10 % der Beschäftigten auf dem europäischen Arbeitsmarkt im Gesundheitswesen tätig. Doch nach Berechnungen der EU-Kommission drohen im nächsten Jahrzehnt dramatische Engpässe bei der medizinischen Versorgung.
Die Zahlen sind alarmierend. „Schätzungen zufolge werden europaweit 2020 ein bis zwei Millionen Fachkräfte im Gesundheitssektor fehlen, falls nicht rasch interveniert wird“, warnt Katja Neubauer, Expertin für Gesundheitssysteme und -strategien in der EU-Kommission. Allein beim Pflegepersonal gehen die Prognosen von 600 000 fehlenden Fachkräften in zehn Jahren aus. Der Ärztemangel zu diesem Zeitpunkt wird mit 230 000 beziffert.
Auf dem 13. European Health Forum Gastein (EFGH), einem der wichtigsten gesundheitspolitischen Kongresse der Europäischen Union, diskutierten Entscheidungsträger aus Gesundheitspolitik, Forschung, Wissenschaft, Wirtschaft und Patientenorganisationen aus 40 Ländern über den drohenden Personalmangel. Die große Herausforderung an die europäischen Gesundheitssysteme, so der Tenor der Experten, seien einerseits die kontinuierlich steigende Lebenserwartung und der damit einhergehende höhere Versorgungsbedarf und andererseits die dringende Aufgabe, Fachkräfte erfolgreich zu rekrutieren und auch in Beschäftigung zu halten.
Das Gesundheitswesen sei schon heute ein wichtiger Impulsgeber auf dem Arbeitsmarkt in Europa, und dieser Trend könnte weiter zunehmen, ist Neubauer überzeugt: „Derzeit macht der Anteil der Beschäftigten im Gesundheitsbereich rund zehn Prozent des gesamten europäischen Arbeitsmarktes aus. Es handelt sich hier um einen der zukunftsträchtigsten und innovativsten Sektoren mit sehr viel Jobpotenzial.“
Um eine handfeste Versorgungskrise abzuwenden, schlagen die Experten vor, Gesundheitsberufe und das Arbeitsumfeld in der Patientenbetreuung attraktiver zu machen. „Das erleichtert nicht nur die Rekrutierung neuer Mitarbeiter und die Bindung erfahrener Mitarbeiter an ihren Arbeitsplatz, sondern beeinflusst auch die Leistungen und die Motivation der Arbeitskräfte positiv“, sagte die Schweizer Gesundheitsexpertin Christiane Wiskow auf dem EHFG.
Dabei sei es ganz wesentlich, so die Diskussionen in Gastein, dass nicht nur eine ausreichende Zahl von Beschäftigten im Gesundheitswesen zur Verfügung stehe, sondern auch, dass die Qualität ihrer Leistung den hohen Anforderungen entspreche. Die Erwartungen der Patienten, aber auch der Gesellschaft allgemein an die Gesundheitssysteme seien in den vergangenen Jahren gestiegen. Der Einsatz innovativer Technologien und komplexer Verfahren erhöhe auch den Regulierungsbedarf, betonte beim European Health Forum Gastein der Qualitätsexperte Dr. Edwin Borman: „Weltweit wissen wir aus Erfahrung, dass fehlende Regulierungen, wie zuletzt der Finanzsektor gezeigt hat, folgenschwer und kostspielig sein können. Im Gesundheitsbereich wiegen fehlende Regulierungen besonders schwer, weil Menschenleben auf dem Spiel stehen.“ Die Sicherstellung der hohen Qualität von Gesundheitsleistungen sei eine der Kernaufgaben von neuen Regulierungsmaßnahmen, so Borman. „Wenn wir es nicht schaffen, diesen Ansprüchen gerecht zu werden, werden wir bald so beliebt wie Banker sein. Unsere Aufgabe ist es, auf die Herausforderungen der Zukunft rasch und mit nachhaltigen Konzepten zu reagieren.”
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