Wenn ein Unternehmen mit nur sieben Mitarbeitern Geld für eine Gebrauchstauglichkeitsstudie ausgibt, muss das gut investiert sein. Klaus Epple, Entwicklungsleiter bei Cardiobridge, berichtet, warum sich die Ausgaben lohnen.
Herr Epple, hat sich der Aufwand für die Usability-Studie für Sie im Nachhinein gelohnt?
Auf jeden Fall. Wir haben natürlich immer schon den Kontakt mit den Anwendern unserer Produkte im medizinischen Bereich gesucht. Aber wenn Sie mit den Menschen zusammensitzen und über ein Produkt diskutieren, bekommen Sie eine endlose Wunschliste von Funktionen. In einer gut geplanten Studie hingegen sehen sich die Probanden einer bestimmten Situation ausgesetzt, in der schnell klar wird, was dringend gebraucht wird. Und man kann sehen, was vielleicht individuelle Probleme sind und wo der Mainstream der Schwierigkeiten liegt. Daran kann man sich bei der Weiterentwicklung sehr gut orientieren.
Was genau haben Sie in Ihrem Projekt bei wwH-c in Tübingen untersuchen lassen?
Wir entwickeln derzeit ein Gerät, mit dem sich das Herz unterstützen lässt, wenn eine Muskelschwäche Probleme bereitet. Das Gerät besteht im wesentlichen aus einem Katheter-Element als Einweg-Artikel. Darin befindet sich ein Propeller, der im Gefäß als Pumpe arbeitet und von einer externen Antriebseinheit bewegt wird. Die zugehörige Steuerung muss von Mitarbeitern im Notfallbereich oder in einer Intensivstation bedient werden können, also von den Ärzten, den Technikern und dem Pflegepersonal, die alle ganz unterschiedliche Ausbildungen haben. Diese Schnittstelle wollten wir optimieren.
Wie wurden die Tests ausgeführt?
Neun Probanden mit unterschiedlicher beruflicher Vorbildung bekamen konkrete Aufgaben gestellt, wie zum Beispiel das Wechseln einer Spüllösung oder den vorbereitenden Setup des Gerätes im OP.
Wie unterschiedlich waren die Anforderungen Ihrer vielen Anwenderzielgruppen?
Überraschend groß. Am einfachsten waren eigentlich die Anwender, die möglichst wenig Vorkenntnisse mitbrachten, weil die sich wirklich auf unsere Benutzerführung eingelassen haben. Die erfahrenen Techniker hingegen lasen nicht mal die Meldungen des Gerätes, sondern suchten nach einer Möglichkeit, diese wegzuclicken. Daraus haben wir gelernt, die Meldungen so kurz wie irgend möglich zu machen, damit auch diese Anwender sie wahrnehmen.
Wo liegen die größten Unterschiede zwischen den ursprünglichen Ideen für die Schnittstelle und der Lösung, den Sie nach Abschluss des Projektes umsetzen?
Wir hatten einen stark ingenieurlastigen Ansatz – das hat sich bereits in den ersten Gesprächen zur Vorbereitung gezeigt. Wir wollten zum Beispiel die Drezahl für den Propeller angeben, in Ziffern oder einem Tacho, und daneben vielleicht noch einen Druckwert für die Spüllösung. Für den Bediener zählen aber ganz andere Dinge, wie wir dann gesehen haben. Zum Beispiel ist heute der Propeller in einer kleinen Animation zu sehen. Ob er sich dreht oder eben nicht, ist so mit einem Blick zu erkennen. Und der Druck der Spüllösung ist zwar wichtig für die Funktion des Gerätes. Der Bediener will sich damit aber nur befassen, wenn der gemessene Wert zu hoch oder zu niedrig ist. Daher gibt es hier nur noch eine Alarmfunktion anstelle der Daueranzeige. Und wo die Stecker oder andere Teile anzuschließen sind, zeigen wir in kleinen Videos.
Haben Sie auch über die Gestaltung der Schnittstelle hinaus Erkenntnisse aus der Studie ziehen können?
Das haben wir tatsächlich. Beim Setup im Operationssaal müssen Teile an unser Gerät angeschlossen werden. Wir haben diese in unserer Testumgebung einfach kurz aus der Hand gelegt und hatten alle Freiheiten zum Weitermachen. Der Benutzer im OP-Umfeld legt aber aus Hygienegründen überhaupt nichts mal eben aus der Hand. Damit war er blockiert. Unsere Lösung für dieses überraschende Problem war eine Aufhängung für die Teile direkt am Gerät.
Lässt sich der Aufwand für solche Studien denn refinanzieren?
Ja. Für solche spezialisierten Geräte wie unseres kann man natürlich nicht mit den Kosten für eine Studie argumentieren und damit einen höheren Preis rechtfertigen wollen. Gebrauchstauglichkeit wird selbstverständlich erwartet – und ich glaube, dass dieser Aspekt in Zukunft noch eine viel größere Rolle spielen wird. Aber wir sehen noch einen anderen Zusammenhang. Wir verdienen unser Geld schließlich nicht am Gerät, sondern über den Verkauf der Einwegartikel. Daher ist es für uns – ganz abgesehen von der Sicherheit – natürlich vorteilhaft, wenn jemand gern mit unserem Produkt arbeitet, das Gefühl hat, dass er die Funktionen beherrscht und es dann auch bei Bedarf immer wieder einsetzt. Und je einfacher die Bedienung ist und je schneller es sich auch nach einer längeren Einsatzpause nutzen lässt, desto lieber arbeitet man damit.
Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de
Weitere Informationen www.cardiobridge.com
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