Ende 2016 bringt Davos Diagnostics ein neues Blutschnelltest-Gerät auf den Markt. Es soll besonders einfach zu bedienen sein und innerhalb von zehn Minuten exakte Messergebnisse liefern. Für Hardware, Softwareentwicklung und Zulassung holten sich die Schweizer den Elektronikspezialisten S.I.E an Bord.
Immer kleiner, immer schneller und immer einfacher – das sind die Anforderungen an moderne diagnostische Geräte. Die so genannten „Point-of-care“-Systeme ermöglichen dabei, Blutproben direkt vor Ort zu entnehmen und zu analysieren. Das Schweizer Unternehmen Davos Diagnostics AG hat dafür eine neue, patentierte Messmethode entwickelt, die auf dem optischen Verfahren der Evaneszensfluorimetrie basiert. Biochemische Marker für Erkrankungen können damit direkt vom Arzt oder in der Notaufnahme im Krankenhaus innerhalb von zehn Minuten bestimmt werden. Vor allem in Akutsituationen wie bei Herzinfarkt oder Blutvergiftung ist dies ein überlebenswichtiger Vorteil, denn die Proben müssen nicht erst ins Labor geschickt werden.
Das diagnostische Testsystem besteht aus einer Einweg-Messkartusche, welche die Reagenzien für den gewünschten Test beinhaltet, und einem Lesegerät. Für die Anwendung wird die Messkartusche mit der zu analysierenden Flüssigkeit befüllt und in das Messgerät eingeführt, in dem in kürzester Zeit die Analyse und zuverlässige Auswertung der Probe stattfindet.
Den Prototypen für den Schnelltest hat das Unternehmen, das in Davos ansässig ist, bereits entwickelt und in Forschungslaboren erfolgreich getestet. Um das Gerät jedoch für den Einsatz im medizinischen Bereich auf den Markt bringen zu können, machte es sich auf die Suche nach einem Partner. „Denn“, so Max Wiki, der bei Davos Diagnostics für die ISO-Zertifizierung des Gerätes zuständig ist, „dass das Produkt funktioniert wissen wir. Aber um es für den Arzt sowie Laborangestellte attraktiv zu machen, muss die Handhabung absolut einfach und sicher sein. Und der Anwender muss so schnell wie möglich an die gewünschten Messergebnisse gelangen.“ Bis jetzt könne das Gerät zwar messen, aber der Arzt kann die Informationen nur aufwendig auslesen. „Für diese erforderlichen Schnittstellen sowie für die schnelle und einfache Bedienung über ein grafisches User-Interface wollten wir einen erfahrenen Partner, der sich auch mit der medizinischen Zulassung gut auskennt.“
Den Auftrag erhielt die S.I.E System Industrie Electronic GmbH aus Lustenau in Österreich. Der Kontakt zu dem Elektronikspezialisten kam bereits vor Jahren auf der Düsseldorfer Fachmesse Compamed zustande. Als sich Davos Diagnostics nun aktiv auf die Suche nach einem passenden Partner machten, erinnerte sich Wiki auch an den Messekontakt: „S.I.E war für uns deshalb interessant, weil wir wussten, dass dort das komplette Wissen von Hardware, Software, GUI-Design, Systementwicklung bis hin zur Gerätefertigung vorhanden ist. Weiterhin lag schon eine fertige und funktionierende Human-Interface-Plattform für Prozesse in der Medizintechnik vor, und das regulatorische Fachwissen war vorhanden. Nach intensiven Gesprächen war klar, dass wir beide uns die Zusammenarbeit vorstellen konnten.“
Auch Josef Krojer, der als Geschäftsführer der deutschen S.I.E-Niederlassung in Landshut für Vertrieb und Marketing zuständig ist, erinnert sich an die Anfänge der Zusammenarbeit im Januar dieses Jahres: „Von Beginn an war die Zusammenarbeit konstruktiv. Schon bei den ersten Gesprächen hat uns Davos Diagnostics das Produkt vorgestellt, und wir diskutierten in Workshops und langen Gesprächen über die Anforderungen und wie sie sich umsetzen ließen.“ Speziell ging es um die Hard- und Softwareentwicklung, die Zulassungsthemen, um die User Experience und natürlich um die Entwicklungsschnittstellen. „Dabei befassen wir uns auch mit der GUI-Design-Thematik, wofür extra ein Design-Guide erstellt wurde, der Farbe, Logo, Schrift, Schriftgröße und Bedienmaske definiert“, so Krojer. „Entscheidend für den Projektverlauf war, dass wir uns gegenseitig verstanden haben. Durch unsere Erfahrung im Bereich Laborgeräte haben wir die richtigen Fragen gestellt, dadurch innovative Lösungen eingebracht und konnten auf einer Ebene diskutieren.“
Dass nicht nur die Biochemie im Testgerät, sondern auch die Chemie zwischen den beiden Projektverantwortlichen bei Davos und S.I.E stimmte, erleichterte den Umgang und den Projektablauf. Gemeinsam wurde schließlich aus den Fragen nach Anwendung, Design, Dokumentation und Zulassung ein umfassendes Pflichtenheft erstellt. Und auf Basis dieses Dokuments haben im Juli die Entwicklungsarbeiten begonnen. Der Zeitplan ist straff: Ende 2016 soll das Produkt auf den Markt. Erst in Europa, später soll es weltweit vertrieben werden.
Der Schweizer Hersteller ist laut Pflichtenheft für die Usability zuständig, die Systemverantwortung, Soft- und Hardwareentwicklung sowie die Erstellung der Risikoakte und Projektdokumentation kommen von S.I.E. Die Endzulassung wiederum übernimmt Davos Diagnostics, die als In-Verkehr-Bringer für das Produkt verantwortlich ist. „Dabei müssen wir uns natürlich voll und ganz auf unseren Entwicklungspartner verlassen können“, erklärt Wiki.
Der Prototyp des Schnelltesters ist klein und kompakt, aber noch nicht einfach genug für den Gebrauch in der Arztpraxis oder im Krankenhaus – ein K.O.-Kriterium für den Arzt oder die Krankenschwester, die das Gerät bedienen sollen. Deshalb ist ein wichtiger Punkt bei der Industrialisierung des Systems die Usability, die inzwischen komplett überarbeitet wurde: Musste bisher der Anwender alle Daten aufwendig von Hand eingeben, werden nun die Daten über einen Barcode auf der Kartusche eingelesen. Die Einwegkartuschen, die Davos Diagnostics in unterschiedlichen Ausführungen für eine Vielzahl von Tests entwickelt und produziert, enthalten alle Patienteninformationen und verhindern so ein Verwechseln der Proben oder eine falsche Dateneingabe ins Messgerät. „Die ganze Intelligenz des Systems liegt in der Kartusche“, erläutert Wiki. „Durch sie bringen wir alle neuen Parameter und Informationen für jeden Test in das Gerät, ohne dass die Gerätekosten steigen. So können wir jederzeit neue diagnostische Tests entwickeln.“ Und Krojer ergänzt: „Unser vorrangiges Ziel ist es deshalb, die Bediensicherheit – und damit auch die Patientensicherheit – zu erhöhen und die Messung einfacher zu machen. Mit dem überarbeiteten Usability-Konzept und dem integrierten Barcode ist das optimierte System deutlich weniger fehleranfällig. Das Gerät muss schließlich die Sicherheit eines Großlabors gewährleisten können.“
Derzeit sind die Softwareentwickler bei S.I.E gefragt: Das Controller-Board, sowie Display und Touch, bietet der Elektronikspezialist im HMI Baukasten an, das kundenspezifische Connect-Board wird individuell auf die Anforderungen des Pflichtenhefts angepasst. Herausforderungen sind hier die Anbindung an die Kundentechnologie, an den Barcode, an die Steuereinheit sowie an die Aktorik und Sensorik. Durch das reduzierte, ansprechende Design und die kompakte Bauform soll sich das Gerät problemlos in eine Arztpraxis, ein Labor oder eine Notaufnahme integrieren lassen. Auch für die Zulassung und Markteinführung sieht der Projektverantwortliche Max Wiki keine Probleme: „Der Zeitplan ist sportlich, aber durch die gute Vorbereitung gibt es keine unvorhergesehenen Probleme. Nun müssen wir einfach nur unsere Aufgaben erfüllen.“ Die Dokumentation der Abläufe für die Zulassung und für die Anforderungen der Richtlinien ist für beide Partner selbstverständlich. Ebenso die weitere Zusammenarbeit.
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- Susanne Schwab susanne.schwab@konradin.de
- Weitere Informationen Zum Elektronikspezialisten: www.sie.at Auf der Compamed: Halle 8a, Stand L01
Ihr Stichwort
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- Entwicklungspartnerschaft
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- GUI und Usability
- Einfache Analyse und Auswertung der Ergebnisse
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