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Health App ja, aber nicht unter pausenloser Beobachtung

Tracking Tools
Was Nutzer von Health Apps und Wearables erwarten

Was Nutzer von Health Apps und Wearables erwarten
Entwicklung von Tracking Tools | Bei Apps und Wearables schreitet die technische Entwicklung voran. Überraschend sind die Ergebnisse einer Umfrage in Belgien, die diese Art der Datenerhebung aus soziologischem und psychologischem Blickwinkel betrachtete. Ein Fazit: Die Nutzer wollen auch mal ihre Ruhe haben.

An Jacobs, Lynn Coorevits
IMEC, Leuven/Belgien

Der Markt für Fitness-Apps und Aktivitäts-Tracker boomt. Im Jahr 2016 wurden weltweit mehr als drei Milliarden dieser Health-Tools von technologisch affinen Gesundheits-Fans heruntergeladen. Gezielte Entwicklungsansätze bei der belgischen Forschungsorganisation Imec sollen die dabei eingesetzten Sensoren und Algorithmen verbessern. Aber: Wie steht es um die breite Akzeptanz seitens der Consumer und Patienten? Forscher aus den Imec-Abteilungen Smit-Vub und
Livinglabs sind dieser Frage in einer Online-Umfrage nachgegangen und haben aus den Ergebnissen Empfehlungen abgeleitet.

Die für die belgische Region Flandern repräsentative Online-Umfrage der Imec-Forschergruppen lieferte mit 1297 befragten Teilnehmern deutliche Trends. Diese sind auch für Medtech-Unternehmen interessant, die sich mit der Entwicklung von Health Apps und zugehörigen Wearables als Hardware-Basis befassen. Einiges ist sicher grundlegend und trivial: Das Optimieren der Batterielaufzeit wird ebenso gewünscht wie mehr Benutzerfreundlichkeit beim Tragekomfort und niedrigere Verkaufspreise.

Doch um medizinische Apps und Wearables zum alltäglichen diagnostischen Einsatz zu befähigen, sind weitergehende funktionale Anpassungen und vor allem zertifizierte Verlässlichkeit vonnöten. Für die meisten heutigen Apps und Wearables gilt laut der Imec-Studie, dass sie bei den Nutzern so etwas wie Schuldgefühle auslösen können. Nichts sei so frustrierend, sagen die Anwender, wie ein Gesundheits-Tool, das sie nach Schema F dazu anhält, aufzustehen und den gewohnten Tageslauf zu absolvieren – obwohl der Nutzer wegen Krankheitssymptomen gerade das Bett hütet. Die Teilnehmer der Umfrage wünschen sich vielmehr Apps, die verständnisvoll und unterstützend im Hinblick auf Beschwerden sind – also spezifische Hinweise und Erklärungen dazu anbieten, was die aktuellen Auslöser für gesundheitliche Probleme sind.

Das wäre zu erreichen, wenn Apps und Wearables stärker personalisiert würden. Eine gute Idee wäre die Entwicklung von Health Tools, die ihre Besitzer und Träger graduell über einen längeren Zeitraum hinweg erkennbar besser verstehen und somit auch effizienter arbeiten.

Andererseits sollte die Personalisierung der Apps und Algorithmen sorgfältig und behutsam gestaltet werden. Denn viele Menschen könnten dies als Anbiederung oder sogar Eingriff verstehen. Besser ist es, dem Träger selbst zu überlassen, wie sehr er seine Gesundheitshilfen an sich anpassen will. So werden sie schneller akzeptiert. Das Forschungsprogramm Imec.i-Change konzentriert sich daher auf den Einsatz smarter Algorithmen und das Erfassen kontextueller Daten, also der spezifischen Lebenssituation der Träger. Das soll die Health Apps und Wearables benutzerfreundlicher und zugleich effizienter machen.

Auch möchte sich nicht jeder potenzielle Nutzer in seiner App ein Ziel setzen – das er vielleicht nicht erreicht. Bisherige Apps sind unter der Annahme entwickelt worden, dass Nutzer genau das wünschen. Für die Menschen, die das nicht möchten, müssen Apps erst noch entwickelt werden.

Der Online-Survey zeigt auch, dass Menschen ein Smartphone oder Wearable selbst bei medizinischen Indikationen nicht ununterbrochen tragen wollen. Medizintechnische Sensoren könnte man in smarte Textilien oder Schmuck integrieren: Herzfrequenzmesser im Hemd und Schrittzähler im Ring könnten mehr potenzielle Träger zum Gebrauch motivieren. Einige Hersteller verfolgen diesen Weg bereits. So ist beispielsweise der Fitbit-Activity-Tracker in verschiedenen Designs verfügbar und kommt eher als modische Halskette daher als im Design eines Messgeräts.

Doch selbst dann wollen die meisten Nutzer ihre Bewegungsmuster und Aktivitäten nicht dauernd verfolgt und registriert sehen. Nachts etwa legen viele auch gutwillige Träger ihre Wearables ab. Deshalb wäre es angebracht, Algorithmen zu entwickeln, die daraus Schlussfolgerungen ziehen. Eine passende Option wäre das Erheben und Kombinieren von Messdaten aus mehreren Quellen, um zeitliche Lücken zu überbrücken.

Ein weiteres häufig konstatiertes Problem beim medizinischen Einsatz von
Wearables ist das Aufladen der Batterie. Nicht jeder Träger denkt immer an das Anstecken des Ladegeräts. Doch gibt es bereits Kaffeetische, auf denen man Mobiltelefone drahtlos über ein magnetisches Feld nachladen kann. Dasselbe ist auch für Wearables denkbar.

Entsprechende Erkenntnisse ergeben sich aus dem Projekt Imec.icon-Wonder, in dem Heimbewohner mit einem Roboter vertraut gemacht werden, der ihnen bei ihren täglichen Verrichtungen hilft. Der dafür eingesetzte Roboter muss dazu jeden Bewohner erkennen – was im Projekt durch einen individuellen Sensor-Tag in den Schuhen gegeben ist. Da die meisten Menschen ihre Schuhe immer an demselben Platz abstellen, können die Sensoren über eine spezielle Schuhablage oder Matte mit integriertem Ladegerät regelmäßig nachgeladen werden – als intuitive Lösung für den Betrieb von Wearables.

Doch auch Ärzte tun sich nicht leicht mit den neuen Möglichkeiten. Viele sind unsicher, welchen Apps und Wearables sie hinsichtlich ihrer Zuverlässigkeit und Sicherheit vertrauen können. Eine Vielfalt von Produkten ist auf dem Markt, aber es fehlt an fachlicher Zertifizierung. Etwa 70 % der in der Studie befragten Personen gaben an, dass sie eine von ihrem Arzt verschriebene App oder ein Wearable verwenden würden. Im Moment sind es jedoch nur 2 % der Nutzer, die diese Technologie tatsächlich auf ärztliches Anraten verwenden.

In England ist der Markt weiter entwickelt. Dort stellt der National Health Service als zuverlässig ausgewiesene Health Apps zur Verfügung, die mit entsprechendem Etikett gekennzeichnet sind. In den USA beginnen privat geführte Kliniken und Versicherungsträger mit der Einführung von Wearables, die sie als zuverlässig einstufen. Im belgischen Landesteil Flandern arbeitet die regionale Regierung an ähnlichen Initiativen, allerdings bislang ohne rechtlich verbindliche Kennzeichnung und Zertifizierung.

Die Entscheidung, welche Health Apps medizinisch verlässlich und verantwortbar sind, ist allerdings auch nicht einfach zu treffen. Die angebotenen Produkte lassen sich nicht wie traditionelle Medizin-geräte zertifizieren. Denn sie durchlaufen in ihrer funktionalen Evolution eine für die digitale Datentechnik typische, recht häufige Aktualisierung. Ihre wiederholte komplette Re-Zertifizierung erscheint somit kaum möglich.

Künftige Health Apps sollen
Anreize zum Tragen bieten

Doch auch wenn zugelassene Apps und Wearables ärztlich verschrieben werden, wird sie nicht jeder Patient ständig einsetzen. Das zeigt die Parallele mit vom Arzt verschriebenen regelmäßig einzunehmenden Medikamenten – deren Einnahme zahllose Patienten häufig auslassen. Deswegen müssen künftige Health-Apps ihren Trägern eindeutige und gezielte Anreize zum Einsatz bieten.

Es ist natürlich schwierig vorauszusagen, welche Lösungen in Zukunft entstehen und sich durchsetzen werden. Die Fachleute am Imec gehen davon aus, dass in den nächsten zehn Jahre zertifizierte Health Apps und Wearables in Gestalt smarter Textilien und Schmuckstücke verfügbar sein werden und zum grundlegenden Instrumentarium von Ärzten zählen. Wie sich die diagnostischen Erkenntnisse interpretieren und nutzen lassen, sollte in der Ausbildung der Mediziner angemessen verankert werden. Und natürlich müssen alle Vorkehrungen dafür getroffen werden, dass die Nutzer der Apps im Besitz ihrer persönlichen Daten bleiben und die künstliche Intelligenz kontrollieren können.

www.imec-int.com

Laut Studie sind Health Apps längst nicht bei allen potenziellen Nutzern bekannt – und etwa die Hälfte der Befragten würde erhobene Daten nicht teilen wollen
Bild: medizin&technik/Quelle IMEC
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