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KI braucht Datensouveränität für Patienten

Künstliche Intelligenz
KI braucht Datensouveränität für Patienten

KI braucht Datensouveränität für Patienten
Prof. Alena Buyx ist Mitglied im Deutschen Ethikrat, der vor zwei Jahren Empfehlungen für den Umgang mit Big Data – Voraussetzung für KI – im Umgang mit gesundheitsrelevanten Daten ausgesprochen hat. Dabei legt der Sachverständigenrat großen Wert auf den Begriff der Datensouveränität. Dies meint, dass stärker als bislang die kontextabhängig wandelbare Sensibilität von Daten zu berücksichtigen sei Bild: Andreas Heddergott/TUM
Der Deutsche Ethikrat hat in einer Stellungnahme eine Gestaltung von Big Data im Gesundheitsbereich gefordert, bei der die so genannte Datensouveränität des Menschen im Vordergrund steht. Das heißt, Patienten sollen aktiv mitbestimmen können, wie und in welchem Kontext ihre Daten gebraucht und weiterverwendet werden.

Sabine Koll
Journalistin in Böblingen

Machine Learning als Disziplin von Künstlicher Intelligenz benötigt große Datenmengen, damit die Algorithmen „aus Erfahrung lernen“ können. Ohne Big Data geht es also nicht. In seiner Stellungnahme „Big Data und Gesundheit – Datensouveränität als informationelle Freiheitsgestaltung“ legte der Sachverständigenrat Ende November 2017 Empfehlungen vor, die eine den Chancen und Risiken von Big Data angemessene verantwortliche informationelle Freiheitsgestaltung im Umgang mit gesundheitsrelevanten Daten ermöglichen sollen.

Die für Big Data charakteristische, umfassende De- und Rekontextualisierung von Daten, die zu unterschiedlichen Zwecken erfasst, analysiert und neu verknüpft werden, führe zu einer Entgrenzung des gesundheitsrelevanten Bereichs, warnte der Ethikrat darin. „Wenn solche vielfältigen Daten verwertet werden, ermöglicht dies tiefe Einblicke in den aktuellen Gesundheitszustand, die Persönlichkeit sowie den Lebenswandel und erlaubt teilweise sogar Vorhersagen, etwa zur Krankheitsentwicklung“, so die Warnung des Expertengremiums, dem unter anderem Alena Buyx, Professorin für Ethik der Medizin und Gesundheitstechnologie an der Technischen Universität München angehörte.

Chancen – aber auch viele Risiken

Die rapide wachsende Datenbasis, die damit verbundene Entwicklung innovativer digitaler Instrumente und die Vernetzung der beteiligten Akteure eröffne damit einerseits Chancen für deutlich verbesserte Diagnostik, Therapie und Prävention, Effizienz- und Effektivitätssteigerungen sowie die Unterstützung gesundheitsförderlichen Verhaltens. Andererseits würden schwankende Datenqualität, Intransparenz von Datenflüssen, Kontrollverluste sowie unsichere Koordinations-, Regulierungs- und Qualifikationsanforderungen aber auch Risiken mit sich bringen. Diese reichen von Entsolidarisierung und Verantwortungsdiffusion über Monopolisierung und Verluste informationeller Selbstbestimmung bis hin zu Datenmissbrauch und Manipulationshandlungen.

In seiner Stellungnahme untersuchte der Deutsche Ethikrat solche Chancen und Risiken für fünf gesundheitsrelevante Anwendungsbereiche von Big Data und analysierte die relevanten rechtlichen Vorgaben und ethischen Aspekte. Er kam zu dem Ergebnis, dass Handlungsformen und Schutzmechanismen des traditionellen Datenschutzrechts den Herausforderungen nur unzureichend begegnen.

An der Datensouveränität orientiert

Um auch unter Big-Data-Bedingungen den Schutz und die Achtung von Werten wie Freiheit, Privatheit, Souveränität, Wohltätigkeit, Gerechtigkeit, Solidarität und Verantwortung zu gewährleisten, empfahl der Deutsche Ethikrat ein Gestaltungs- und Regulierungskonzept, das sich an der Datensouveränität orientiert. Die mit dem Begriff der Datensouveränität umschriebene verantwortliche informationelle Freiheitsgestaltung versteht er in Weiterentwicklung der informationellen Selbstbestimmung als interaktive Persönlichkeitsentfaltung unter Wahrung von Privatheit in einer vernetzten Welt. Ein solches Gestaltungs- und Regulierungsmodell habe stärker als bislang die kontextabhängig wandelbare Sensibilität von Daten zu berücksichtigen.

Dabei nimmt der Deutsche Ethikrat den individuellen Datengeber als den entscheidend zu schützenden und zu achtenden Zweck in den Blick. Er sieht eine Vielfalt institutioneller und staatlicher Akteure in der Pflicht, mit einer umfassenden gesamtgesellschaftlichen Anstrengung rechtliche, außerrechtliche und technische Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass Menschen ihre Datensouveränität wahrnehmen und entfalten können.

Das vorgeschlagene Konzept enthielt konkrete Handlungsempfehlungen zu den vier Themenbereichen:

  • die Potenziale von Big Data zu erschließen,
  • individuelle Freiheit und Privatheit zu wahren,
  • Gerechtigkeit und Solidarität zu sichern und
  • Verantwortung und Vertrauen zu fördern.

Verzicht, wenn Sicherheit nicht stimmt

In einem Sondervotum forderte ein Mitglied des Deutschen Ethikrates den Verzicht auf die Nutzung von Big Data zu Forschungszwecken oder anderen Anwendungen, sofern ein umfassender Datenschutz, die Umsetzung effektiver Anonymisierungs- und Pseudoanonymisierungsstandards und das Recht auf Vergessen nicht gewährleistet werden können.

Zur Stellungnahme des Deutschen Ethikrats: http://hier.pro/ysQG8

 

Mehr Artikel zu KI in der Medizin:

Titelthema KI in der Medizin (erschienen in der Juni-Ausgabe von medizin&technik, 3-2019)

https://medizin-und-technik.industrie.de/digitalisierung/kuenstliche-intelligenz-in-der-medizin-sieht-dr-algorithmus-tatsaechlich-mehr/

Die FDA hat zu regulatorischen Fragen der KI einen ersten Entwurf vorgelegt  (Artikel von Juni 2019)

https://medizin-und-technik.industrie.de/digitalisierung/fda-hat-entwurf-zu-kuenstlicher-intelligenz-vorgelegt/

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