Vogel einfangen, Blut abnehmen, Vogel freilassen – bisher waren Blutuntersuchungen bei Vögeln im Freiland nur Momentaufnahmen. Nun wollen Forscher jedoch wissen, wie sich zum Beispiel der Hormonhaushalt von Vögeln über den Tag verteilt oder auch bei verschiedenem Verhalten verändert. Dazu hat die Max-Planck-Gesellschaft nun einen Antrag für die Entwicklung eines kleinen, autonom arbeitenden Analysesystems bewilligt, das verschiedene Hormone im Blut von Vögeln im Freiland messen soll. Das Projekt „Fly Mi Bird“ wird mit 1,52 Mio. Euro über vier Jahre gefördert.
Blutparameter über Monate verfolgen
Projektpartner sind die Abteilung Verhaltensneurobiologie des Max-Planck- Instituts für Ornithologie (MPIO) in Seewiesen, die Professur für Sensoren am Institut für Mikrosystemtechnik (Imtek) der Universität Freiburg sowie die Jobst Technologies GmbH, eine Ausgründung der Universität Freiburg. Das System soll es den Forschern ermöglichen, viele unabhängige physiologische Messungen vorzunehmen, ohne das Tier in seinem natürlichen Verhalten zu beeinträchtigen.
Sprecher des Projekts ist Dr. Can Dincer, Nachwuchsgruppenleiter am Imtek. „Wir wollen innerhalb dieses Projekts ein am Körper tragbares System entwickeln, mit dem erstmalig verschiedene Substanzen im Blut über längere Zeit automatisch gemessen werden können“, sagt Dincer. „Zukünftig könnte diese Technologie auch beim Menschen, ähnlich wie bei einem tragbaren Blutdruckmessgerät, Anwendung finden, etwa um bestimmte Blutparameter über Tage, Wochen oder sogar Monate zu verfolgen.“
Sexuelle Differenzierung des Gehirns
Die Arbeitsgruppe von Dincer entwickelt für das Projekt bioanalytische Mikrosysteme, die unterschiedliche Substanzen kostengünstig und schnell in kleinsten Flüssigkeitsmengen nachweisen. Unterstützt wird sie dabei vom Freiburger Unternehmen Jobst Technologies, das bioanalytische Mikrosysteme und Mikrofluidik entwickelt und produziert. Für die wissenschaftliche Fragestellung ist die Abteilung Verhaltensneurobiologie von Prof. Manfred Gahr am MPIO zuständig. Sie erforscht die sexuelle Differenzierung des Gehirns, also jene Mechanismen, die zur geschlechtsspezifischen Ausprägung von Verhalten führen. Dazu untersuchen die Forscher die hormonellen, molekulargenetischen und neurobiologischen Grundlagen vokaler Kommunikation von Vögeln in einem möglichst naturnahen Kontext.
Wenn das System bei Vögeln erfolgreich zum Einsatz gekommen ist, wäre für die Verhaltensbiologen sicher auch spannend herauszufinden, welche hormonellen Schwankungen für so manch menschliches Verhalten im Freiland verantwortlich sind.