Meist entsteht er akut durch eine Krankheit, Verletzung oder starke körperliche Belastung. Etwa 7 % der Erwachsenen in Deutschland spüren ihn sogar permanent und fühlen sich durch ihn beeinträchtigt: den Schmerz. Es gibt verschiedene Wege, um ihm zu begegnen. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften (MPI CBS) in Leipzig haben entdeckt, dass eine von ihnen entwickelte Fitnessmethode auch unser Schmerzempfinden beeinflusst: Jymmin, ein Mix aus Sport Gym und freiem musikalischen Improvisieren.
Das Fitnessgerät als Musikinstrument
Beim Jymmin werden Fitnessgeräte so modifiziert, dass die unterschiedlich starken Bewegungen an Bauchmuskeltrainer, Zugstange oder Stepper eine große Variation an Tönen hervorbringen. (Die Töne und Geräusche wie Ächzen, Stöhnen, Seufzen oder sonstige Ausrufe, die der Sportler üblicherweise sonst noch hervorbringt, zählen hier nicht.) Eine am MPI CBS entwickelte Kompositionssoftware und ein dazugehöriges Sensorsystem verarbeiten diese Daten so, dass daraus zeitgleich eine für jeden Sportler und jede Einheit individuelle Begleitmusik entsteht. Die Sportler werden damit zu Komponisten, die Geräte zu ihren Instrumenten.
Bis zu 50 Prozent mehr Schmerz ertragen
„Wir haben herausgefunden, dass Jymmin die Schmerzschwelle nach oben verschiebt. Bereits nach zehn Minuten Training auf unseren Jymmin-Geräten, konnten die Studienteilnehmer in einem Schmerztest durchschnittlich zehn Prozent, einige gar bis zu fünfzig Prozent, mehr Schmerz ertragen“, erklärt Thomas Fritz, Leiter der Forschungsgruppe Musikevozierte Hirnplastizität am MPI CBS.
Aus früheren Studien wussten die Neurowissenschaftler zwar bereits, dass sportliche Aktivität generell die Schmerzschwelle steigen lässt. „Beim Jymmin war dieser Effekt jedoch deutlich stärker als nach herkömmlichem Kraftsport“, erklärt Fritz. Entsprechend konnten die Teilnehmer ihren Unterarm im Durchschnitt 5 s länger in 1 °C kaltem Eiswasser halten als nach einer Trainingseinheit auf herkömmlichen Sportgeräten.
Erhöhte Ausschüttung von Endorphinen
Den Grund dafür sehen die Wissenschaftler vor allem in einer erhöhten Ausschüttung von Endorphinen während des Jymmins. Diese Hormone wirken als eine Art körpereigener Schmerzhemmer. Je höher ihr Spiegel, desto toleranter sind wir gegenüber Schmerzen. Die Kombination aus körperlicher Verausgabung und Musikmachen scheint dabei besonders effektiv unser Endorphinsystem anzuregen.
Bessere Leistung und Stimmung
Die Forscher leiten aus ihren Ergebnissen zahlreiche Einsatzmöglichkeiten für Jymmin ab: Zum Beispiel könnten die Geräte in Rehakliniken wertvolle Dienste leisten, indem sie die Schmerzen der Patienten verringern und ein effektiveres Therapie-Training ermöglichen. Zum anderen könnten Hochleistungssportler besser an ihre wortwörtliche Schmerzgrenze gehen.
Tatsächlich schwammen in einem Pilottest mit Leistungsschwimmern fünf der sechs Athleten einige zehntel Sekunden schneller als in vorherigen Durchläufen. Und last but not least: Bei allen Probanden stieg beim Training die persönliche Stimmung und Motivation.
Als Alternative zur Dauerberieselung mit Einheitsbreimusik in manchen Fitnessstudios könnte Jymmin echtes Marktpotenzial auch für Normalsportler besitzen. Wobei man das mit der Schmerzgrenze vielleicht nicht zwingend ausreizen müsste…
Über die Forschung hat der MDR bereits 2017 einen kurzen Film veröffentlicht – und es macht den Eindruck, als hätten die Forscher Spaß an ihrer Erfindung