Schwaben sind sparsam, Küstenbewohner stur, am Rhein leben die Frohnaturen: Wenn wir uns umhören, merken wir schnell, dass es nicht gerade wenige Vorurteile gegenüber den Bewohnern einzelner Regionen in Deutschland gibt. Doch wie viel Wahrheit steckt in solchen Zuschreibungen wirklich und wie kommt es zu regionalen Persönlichkeitsunterschieden? Das wollten Wirtschaftswissenschaftler der Friedrich-Schiller-Universität Jena nun wissen und haben gemeinsam mit Psychologen aus Australien, Großbritannien und den USA eine Antwort auf diese Fragen gefunden: Viele der zugeschriebenen Stereotypen treffen zu.
Kulturelle Unterschiede von Regionen
Für ihre „psychologischen Landkarten“ haben die Wissenschaftler die Ausprägungen fünf verschiedener Persönlichkeitsmerkmale betrachtet. Diese so genannten „Big Five“ bleiben ab dem Erwachsenenalter relativ konstant und beschreiben die Persönlichkeitsstruktur eines erwachsenen Menschen recht umfassend. Es sind:
- Extraversion, also eine nach außen gewandte, aktive und gesellige Haltung,
- Verträglichkeit im Sinne von Kooperationsbereitschaft und Altruismus,
- Gewissenhaftigkeit, das heißt eine organisierte, sorgfältig planende und zuverlässige Haltung,
- Offenheit für neue Erfahrungen, die durch rege Fantasie, Wissbegierde und eine Vorliebe für Abwechslung gekennzeichnet ist sowie
- Neurotizismus (geringe emotionale Stabilität), also einer Tendenz zu Angst, Nervosität und Unsicherheit.
Die Forscher analysierten dazu Daten von über 73000 Personen im Alter zwischen 20 und 64 Jahren, die an einer Online-Persönlichkeitsstudie im Rahmen des internationalen „The Big Five Project“ teilgenommen haben.
Gesellige Bayern, gewissenhafte Mecklenburger
Betrachtet man nun die Ausprägungen der Eigenschaften auf der Landkarte, so ergeben sich – trotz großer Vielfalt – einige charakteristische Profile, die gängige Vorurteile teilweise bestätigen. So kann man etwa herauslesen, dass Süddeutsche und die Bewohner großer Städte, wie Berlin, Hamburg oder München, stärker nach außen gewandt sind als etwa die Menschen an der Küste. Ein ähnliches Gefälle zeigt sich auch zwischen Ost- und Westdeutschland, was das Bild vom introvertierten Ostdeutschen und dem eher extrovertierten Westdeutschen bestätigt.
Die Verträglichkeit ist in Mecklenburg-Vorpommern beispielsweise weniger ausgeprägt als im südlichen Bayern, im Südwesten Deutschlands rund um Freiburg sowie auch im westlichen Sachsen-Anhalt. Im Gegensatz dazu erreichen die Bewohner der Mecklenburger Seenplatte beispielsweise höhere Werte bei der Gewissenhaftigkeit – anders als beispielsweise die Region rund um die baden-württembergische Landeshauptstadt Stuttgart.
Teilung entlang der Limes-Linie
„In der Regionalverteilung von Neurotizismus in Deutschland sind wir auf eine Zweiteilung Deutschlands gestoßen, die überraschend klar der historischen Limes-Linie entspricht – mit niedrigeren Werten südlich des Limes. Dort weisen die Menschen also eine emotional stabilere Persönlichkeit auf, was mit Wohlbefinden und psychologischer Resilienz in Verbindung steht“, erläutert Prof. Michael Fritsch, der gemeinsam mit seinem Kollegen PD Dr. Michael Wyrwich an der Universität Jena zu dem Thema forscht. Generell gilt auch: Landbewohner weisen ein geringeres Maß an Offenheit für neue Erfahrungen auf als Städter. Als besonders offen haben sich die Menschen in Berlin und in den Metropolregionen um Hamburg, Köln, aber auch Leipzig und Dresden herausgestellt.
Die Wissenschaftler wollen nun aus den Ergebnissen ökonomisch relevante Informationen ableiten und weiterforschen.
Und jetzt Hand aufs Herz: Passt das Profil Ihrer Region zu Ihrer Persönlichkeit? Wie hat die Region Sie geprägt oder verändert? Oder: Verändern Sie gerade die Region?
http://de.outofservice.com/bigfive/
www.uni-jena.de/Forschungsmeldungen/FM180903_psychologische+Deutschlandkarte.html