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Live dabei statt daneben gezoomt

Bildverarbeitung: Bessere Technik erhöht Chancen der Kameraüberwachung im OP
Live dabei statt daneben gezoomt

In Experimental-OPs werden neue Operationsergonomien und Geräte rein virtuell für die Bildaufzeichnung und Auswertung getestet. Doch auch dort, wo wirklich Patienten liegen, spielen Kamerasysteme eine immer wichtigere Rolle.

Ob die Welt wirklich Herz-OPs im Videoclip braucht, ist fraglich. Aber spätestens im „Emergency Room”-Ausbildungzentrum wird die Kameratechnik ein wichtiger Baustein der Ausbildung. Studenten und Anwärter können so jeden Handgriff des Chefs verfolgen und für ihre eigene Tätigkeit lernen, ohne dass ständiges Kommen und Gehen im OP herrschen müsste. Auch für die Überwachung von Operationen und spätere Absicherung der Qualität im Hinblick auf Regressansprüche sind zunehmend Kamerasysteme im OP im Einsatz. Unter anderem helfen sie bei Zweifeln auch nachzuprüfen, ob nicht wirklich das berühmte Skalpell im Bauch geblieben ist.

Allerdings spielt sich Videoüberwachung mitnichten im rechtsfreien Raum ab. So gibt es eine Stellungnahme des Arbeitskreises Datensicherheit und Datenschutz im Gesundheits- und Sozialwesen aus dem Jahr 2004, die klar darauf hinweist, dass Patienten nicht zu erkennen sein und Mitarbeiter nicht dauerüberwacht werden dürfen. Anlass war die geplante Videoüberwachung eines Aufwachraumes, die in erster Linie dazu diente, unsachgemäße Behandlung des teuren Equipments aufzudecken.
Ähnlich wie bei der Überwachungstechnik in Bank und Kaufhaus spielen bei den bisher genannten Anwendungen die reine Aufzeichnung und das Heranzoomen von Details aus der Entfernung eine große Rolle – alles seit vielen Jahren kein Hexenwerk mehr. Hier genügt reine PAL- oder NTSC-Bildqualität oder weniger. Bilddaten können per Kamerasystem auf die Monitore gebracht werden.
Was bei solchen Systemen nicht funktioniert, ist jedoch die automatisierte Auswertung der Datenmengen, da viel zu große und unspezifische Datenströme auflaufen, die zudem erst in die digitale Welt konvertiert und schnittstellentauglich gemacht werden müssten.
Im Experimental-OP und auch in ersten Systemen in den Krankenhäusern sind daher Videoserver im Einsatz, die nicht mehr analoge Videobilder, sondern IP-Daten nach digitalen Internetstandards übertragen. Ein Beispiel sind die C-MOR-Videoserver der Hechinger ZA-Internet GmbH, die im ehemaligen Tübinger Experimental-OP im Einsatz waren. „Unsere Server sind homogene Komponenten des drahtlosen und drahtgebundenen Netzwerks, Internet-Anbindung inklusive“, berichtet ZA-Internet-Geschäftsführer Michael Reuschling. Die komplette Video-Software sei sozusagen Teil des Server-Betriebssystems. Die Konfiguration und der Zugriff auf die Videodaten erfolge über normale Internet-Browser ohne zusätzliche Software-Installation. Der Vorteil: Es können automatische Kontrollvorgänge, Bewegungserkennungen mit Zoomauslöser und Alarmfunktionen programmiert werden.
Der Einsatz dedizierter Videoserver hat entscheidende Vorteile, wie Reuschling erklärt: „Bei vielen Video-Überwachungssystemen werden die Kameras einfach mit dem Netzwerk-Server verbunden. Die Daten von zwei oder drei Kameras mit jeweils ein paar Bildern pro Sekunde können leistungsfähige Server zwar verarbeiten. Mit Livestream-Übertragung und lückenloser Daueraufzeichnung beispielsweise von 15 Kameras gleichzeitig sind diese Rechner aber restlos überfordert.“
C-MOR-Videoserver würden die Datenflut dagegen locker bewältigen, meint Reuschling. Außerdem ließen sich bestimmte, auf wenige Zentimeter begrenzte Bereiche des Videobildes selektiv ins Visier nehmen.
Solche Kameras können in die OP-Leuchtensysteme integriert werden. Auch hieran arbeiten zahlreiche Hersteller. Ein Beispiel ist die Trumpf TrueVidia-Serie, die sogar HD-Qualität bieten kann. An vergleichbaren Lösungen sind im 2D-Bereich auch Panasonic und Kappa Optronics tätig, das dabei auf den Industriestandard GigE-Vision setzt. Dieser Schnittstellenstandard ist ausschließlich den Mitgliedern der AIA (Automated Imaging Association) zugänglich.
Plötzlich gibt es ganz neue dominierende Themen in der Diskussion um OP-Ausstattung. Da ist die Rede von Sensor-Technologien, Schnittstellen und Leiterkartendesign. Es geht um Embedded-Software-Entwicklung, Microcontroller-Programmierung, FPGA-Programmierung und Signal-Processing. Auch mit der PC-Software-Entwicklung, Konstruktion, Präzisionsmechanik, System-Kompetenzen und 3D Imaging muss man sich befassen.
Und der Weg zum digitalen Operateur wird immer kürzer. Mit Hilfe von bildgebenden Systemen oder der Computertomografie könnte zum Beispiel ein Organ, das von einem Tumor attackiert wird, genau vermessen werden. Sollte der Schnitt dann falsch ansetzen, könnte der Automat sofort das OP-Gerät ausschalten. Doch die Wirklichkeit hinkt meist noch hinterher.
Zudem spielt die Fälschungssicherheit des Bildmaterials immer wieder eine Rolle. Kappa-Kameras sollen nun erstmals die Möglichkeit bieten, Digitalfotos und zusätzliche Begleitdaten direkt kameraintern mit dem 1024-Bit-RSA-Signaturverfahren und der 512-Bit-SHA-Hashfunktion mit einer elektronischen Signatur zu versehen. Damit kann die Authentizität und Integrität der aufgenommenen Bilder gerichtsfest sichergestellt werden.
Noch werden, um digitale 3D-Bilder zu bekommen, die Punkte zweier oder mehrerer 2D-Systeme verwendet. Der Nürnberger Embedded Spezialist Solectrix stellt nun jedoch eine neue 3D-Farb-Hochleistungs-Kameraplattform vor, die direkt 3D in hoher Auflösung verarbeiten kann und remote zu bedienen ist. Der Kamerakopf mit den CCD-Sensoren, der das Bild erzeugt, kann dabei separat aufgehängt werden. Der Integration in OP-Leuchtensysteme wie bei Trumpf steht somit nichts mehr im Wege.
Die Solectrix GmbH setzt sich seit Jahren intensiv mit der Erfassung und Verarbeitung von Bewegtbildern auseinander. Mit der ProCam hat sie nun ein kompaktes 3D-Kamerasystem entwickelt, das 60 Bilder pro Sekunde in HD-Auflösung in Echtzeit auf den Bildschirm liefert. Dieser Objektivkopf findet auch in Hightech-Operationssälen Platz, beispielsweise direkt in einer OP-Leuchte.
Die Bildverarbeitungseinheit, der Rekorder und die Stromzufuhr können sogar bis zu 150 m entfernt von den Objektiven angebracht werden. Außerdem sind eine hohe Bildqualität und große Lichtstärke im OP wichtig. Bei der ProCam werden diese mit dem digitalen Farbmanagement kombiniert, das jedes benötigte Bildbearbeitungsschema direkt in die Kamera integrieren – und bei Bedarf per Knopfdruck wechseln – kann. So können bestimmte Farben selektiert und Bereiche des Bildes als kontrastarme Bilder dargestellt und damit ausgeblendet werden.
Die Vorteile für die Medizintechnik liegen auf der Hand: Operationsaufzeichnungen in 3D bieten mehr Möglichkeiten bei der Nutzung der Videos. So revolutioniert Bildverarbeitung viele Vorgänge im Operationssaal.
Miriam Leunissen-Weikl Freie Fachjournalistin in Kaufering

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