Endlich ist der Frühling da. Die Sonne scheint, die Blumen blühen – und wir? Gähn. Statt energiegeladen in den Tag zu gehen, kommen viele von uns kaum noch aus den Buntkarierten. Das Aufstehen fällt schwer, der Körper fühlt sich an wie Blei, das Bett lockt mehr als der Frühling vor der Tür. Klare Diagnose: Frühjahrsmüdigkeit. Rund ein Viertel der Bevölkerung leidet unter ihr, sagt der Schlafmediziner und Diplom-Psychologe Werner Cassel vom Universitätsklinikum Marburg. Doch woher kommt sie? Für die Schlaffheit gibt es mehrere Gründe. Seit Millionen von Jahren hat die Evolution Mensch und Tier darauf programmiert, sich für die kalten Monate eine dickere und somit wärmende Fettschicht zuzulegen, und danach handeln wir noch heute: Die leckere Gans zu Weihnachten, Schokolade und Plätzchen erfüllen diesen Zweck. Zudem bewegen wir uns in der dunklen Jahreszeit deutlich weniger an der frischen Luft. „Wir ernähren uns fetter und bekommen so auch weniger Vitamine und Spurenelemente“, so Cassel, „das führt dazu, dass unser Speicher für Aktivitäten einfach leerer ist. Gleichzeitig fordert uns der Frühling zu mehr Bewegung auf, und da fehlt dann einfach die Power.“
Wir haben einen Winterschlaf
Die schlafmedizinische Forschung kennt einen zweiten Grund: Den „Winterschlaf“. Im Schnitt schlafen wir im Winter 20 bis 45 Minuten länger. Wenn wir morgens vor dem Wecker wach werden, können wir wieder besser einschlafen – ganz einfach, weil es noch dunkel ist. Aus diesem Grund gehen wir abends meist auch früher zu Bett. Ist es dagegen abends noch hell, sind wir länger aktiv, und morgens weckt uns das Licht auch schon mal vor dem Wecker.
Die Zeitumstellung auf Sommerzeit, verbunden mit einem vorverlegten Termin fürs Aufstehen, macht es den Frühjahrsmüden zusätzlich schwer. Dieser Einfluss ist jedoch meist nach zwei Wochen überwunden.
Tageslicht am Morgen, Kerze am Abend
Gegen die Frühjahrsmüdigkeit helfe am besten eine Lichttherapie, rät Cassel: „Licht kann wirken wie ein Medikament. Denn Licht fördert die Produktion von Serotonin und Vitamin D, und mit der richtigen Dosis Licht zur richtigen Zeit können wir uns sowohl fit für einen aktiven Tag wie auch für eine erholsame Nacht machen.“
Grund dafür ist das Schlafhormon Melatonin, das maßgeblich unseren Tag-Nacht-Rhythmus regelt. Gegen 21 Uhr wird die Produktion des Schlafhormons im Körper angekurbelt und fällt dann morgens nach 3 Uhr wieder langsam ab. Licht hemmt jedoch die Melatonin-Produktion. Für den Abend heißt es daher: Wenig Licht gleich besserer Schlaf. Also, Kerzenschein und indirekte Beleuchtung statt Handybildschirm.
Für den Tag gilt das Gegenteil: Früh am Morgen und Vormittag viel Licht tanken macht fit für den Tag, weil die Melatonin-Produktion gehemmt wird. Also besser zu Fuß oder mit dem Fahrrad zur Arbeit oder vor der Arbeit noch eine Runde drehen. Frühstücks- und Mittagspause nach Möglichkeit nach draußen verlagern.
Laut Cassel haben zahlreiche Studien belegt: „Licht und körperliche Bewegung besonders am Vormittag fördern den Tiefschlaf in der Nacht. Dazu gehört auch, dass man den Übergang von Tageslicht zu Dunkelheit für den Körper möglichst kontrastreich gestalten sollte: Also morgens am besten gleich die Rollos hoch und die Fenster auf. Abends wenig und nur gedämpftes Licht einsetzen. Allein durch den richtigen Einsatz von Licht lassen sich zudem manche Schlafstörungen bekämpfen.“
Und auch wenn der Himmel mal bewölkt sein sollte, gibt es draußen immer noch deutlich mehr Licht zu tanken als am hellsten Schreibtisch.