Die Stammzellforschung ist einer der innovativsten Bereiche der aktuellen medizinischen Forschung und nimmt bei der Entwicklung neuartiger Wirkstoffe eine entscheidende Funktion ein. In der Stem Cell Discovery, einem weltweit führenden Pilotprojekt in Deutschland, werden in einer automatisierten Anlage neue Wege in der Erforschung und Kultivierung von Stammzellen beschritten.
Grundlage des Stammzellen-Projektes sind reife Stammzellen, sogenannte mesenchymale Stammzellen (MSC), die aus dem Gewebe erwachsener Menschen gewonnen werden und sich daher im Gegensatz zu embryonalen Stammzellen auf ethisch vertretbare Art und Weise isolieren lassen. Diese Stammzellen sind dank ihrer besonderen Eigenschaften für die regenerative Zelltherapie hochinteressant, denn sie können viele neue Zelltypen bilden, andere Zellen zum Wachstum anregen und positiv auf das Immunsystem eines Menschen einwirken.
„Die Kultivierung dieser Zellen dauert allerdings lange und ist arbeitsintensiv“, berichtet Michael Kulik, der das Projekt am Aachener Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT als Gruppenleiter betreut. „Wir arbeiten mit Zellen vieler verschiedener Spender, die natürlich unterschiedlichste biologische Merkmale aufweisen. Und bei manuell erstellten Zellkulturen wird die Variabilität oft dadurch verstärkt, dass Handhabungsabläufe unterschiedlich durchgeführt werden.“ Menschliche Interaktion erhöht das Fehlerrisiko und erschwert die Reproduzierbarkeit. Nicht zuletzt sind Zellkulturen lebendes Material, so dass eine Reinraum-Umgebung entscheidend ist und besondere Anforderungen an die eingesetzten Geräte gestellt werden.
Diese Herausforderungen soll nun das Projekt Stem Cell Discovery lösen: In einer voll automatisierten und geschlossenen, aber flexibel agierenden Plattform werden die MSC kultiviert und erforscht sowie verschiedene Laborprozesse durchgeführt. Entscheidende Erfolgsfaktoren der Anlage sind, laut Kulik, die leichte Integrierbarkeit aller Geräte, die gleichmäßige, präzise Reproduzierbarkeit der Abläufe, eine individuelle, modulare Steuerung der Prozesse sowie die Integration und Weiterentwicklung der Messtechnik zur Qualitätssicherung und Analyse.
Zellkulturen werden präzise transportiert und positioniert
Eine zentrale Funktion in der Anlage übernimmt ein Roboter von Denso Robotics Europe aus Mörfelden-Walldorf: Der VS-087 fungiert als flexible Handlingeinheit für alle Transporte innerhalb der Plattform, so transportiert er Zellkulturen in Multititerplatten und Falcon Tubes zwischen den einzelnen Prozessier- sowie Messgeräten und erlaubt eine hochpräzise Positionierung derselben; diese Genauigkeit ist insbesondere am Mikroskop wichtig, wo das Zellkulturgefäß vom Roboter umgriffen wird, um dieses in die dafür vorgesehene Halterung einzusetzen. Seine Flexibilität bewährt sich auch bei der Ressourcenbereitstellung, wie dem Transportieren von Pipettenspitzen vom Magazin zur Liquid Handling Unit.
Darüber hinaus übernimmt der Roboter alternativ das „Shaken“ der Kulturen: Hierbei kommt es auf eine gleichmäßige und reproduzierbare Umsetzung an; so schwenkt der Roboter die Zellprodukte stets mit derselben Geschwindigkeit und Bewegung – ein entscheidender Faktor, denn durch ungleichmäßige Bewegung kann es passieren, dass Zellen sich an den Rändern des Gefäßes festsetzen und so zu einem veränderten Wachstum führen.
Die Forschergruppe der Stem Cell Discovery entschied sich für den VS-087, weil er sich leicht integrieren und programmieren lässt. Um die manuellen Prozessschritte auf der automatisierten Anlage abbilden zu können, war die Integration verschiedener Geräte in die Anlage notwendig. Die Auswahl der Geräte stand lange vor der Software-Entwicklung fest, so dass vor allem beim Roboter auf eine flexible Integration geachtet werden musste. Nicht zuletzt war die Reinraum-Tauglichkeit ausschlaggebend. Dank der kompakten Bauweise des VS-087 konnte eine platzsparende Anlage eingerichtet werden; den hierfür entwickelten Multifunktionsgreifer kann die Roboterkinematik an jeden Ort der Anlage bewegen.
Die Stem Cell Discovery basiert auf dem Zusammenspiel höchst unterschiedlicher Geräte, so dass die jeweilige Integrierbarkeit eine entscheidende Rolle spielt. „Uns war eine hohe Flexibilität des Gesamtsystems wichtig,“ berichtet Sven Jung, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Projektes und für die Programmierung zuständig. „Deshalb haben wir eine dienstbasierte, flexibel konfigurierbare Prozess-Software entwickelt, die alle Abläufe kontrolliert und adaptiv auf diese reagieren kann, wie zum Beispiel beim Wachstum der Zellen.“
Steuerung über einheitliche
Benutzeroberfläche
Für den User sind alle Geräte – vom Mikroskop über den VS-087, von der Liquid Handling Unit bis zum Inkubator und verschiedene Magazine – über eine grafische Benutzeroberfläche steuerbar. Auch der VS-087 ist über das Integration Framework an die Anlage angebunden. Durch die bereitgestellte Roboter-Schnittstelle lassen sich die Dienste des Roboters aus der realen Welt abbilden und ermöglichen auf diese Weise eine sehr intuitive Nutzung des Roboters.
Dank der serviceorientierten Architektur sowie der flexiblen Handhabung durch den VS-087 ermöglicht die Stem Cell Discovery eine einfache Umsetzung von verschiedenen Prozessen, so dass künftig neben anderen Zellkulturen auch die Integration von externen Usern mit nur kurzer Vorlaufzeit möglich ist. Dann können standardisierte und validierte Funktionsbausteine zur Verfügung stehen, die den Anwender noch effizienter und sicherer Zellprodukte im industriellen Standard produzieren lassen. (su)
Weitere Informationen
Über den Hersteller Denso Robotics:
Über das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie (IPT):