Werbung hat die Absicht, Kaufentscheidungen anzuregen. Um das zu erreichen, nutzt das Neuromarketing Gestaltungsmittel, die beim Konsumenten unbewusst eine möglichst positive Reaktion auslösen. Das klassische Beispiel ist das so genannte „Kindchenschema“, bei dem Verpackungs- und Produktelemente so gestaltet werden, dass sie an ein kindliches Gesicht erinnern. Es spricht vor allem weibliche Konsumenten an und soll Fürsorge auslösen.
Das Gesicht im TUI-Logo lächelt
Britta Lützenkirchen, Absolventin der SRH Fernhochschule – The Mobile University, hat sich in ihrer aktuellen Publikation mit dem Einfluss von versteckten, lächelnden Gesichtern in Produkten befasst und damit, wie diese auf die Kaufentscheidung von Konsumenten wirken, auch wenn die Gesichter gar nicht bewusst wahrgenommen werden. „Frühere Studien zeigen, dass das so genannte Gesichtsareal im menschlichen Gehirn bereits auf minimale visuelle Strukturen reagiert, die einem Gesicht ähneln. Diesen Effekt machen sich Marketingabteilungen zu Nutze, in dem sie positiv konnotierte Gesichtsausdrücke in ihre Produkte integrieren. Man denke nur an das Logo der Firma TUI oder die Motorhaube eines Mini-Coopers“, so Britta Lützenkirchen.
08:20 Uhr: eine traurige Zeit
In Uhrenwerbungen ist es beispielsweise immer 10 nach 10 Uhr. Was kaum einem Verbraucher auffällt, ist für die Absolventin Lützenkirchen ein Forschungsprojekt. In ihrer Publikation mit dem Titel „Why Is 10 Past 10 the Default Setting for Clocks and Watches in Advertisements? A Psychological Experiment“ untersuchte sie auf experimenteller Basis die psychologischen Effekte, die diese Standardzeiteinstellung bei den Betrachtern der Uhrenwerbung auslöst. In ihren Experimenten nimmt die Forscherin an, dass die Zeigerstellung 10 nach 10 Uhr einem lächelnden Gesicht ähnelt, während die Zeigerstellung 8:20 Uhr Beobachter an ein trauriges Gesicht erinnert.
Mehr Einfluss auf Frauen
Die Ergebnisse der Experimente bestätigen, dass Uhren, die auf 10:10 Uhr eingestellt wurden, eine positivere Wirkung auf die Emotionen des Beobachters sowie auf deren Kaufabsicht haben, als Uhren, die auf 8:20 Uhr oder 11:30 Uhr eingestellt waren. Darüber hinaus wirken Uhren bei 10:10 Uhr deutlich stärker auf Frauen als auf Männer. „Dieses Ergebnis stimmt mit früheren neurowissenschaftlichen Studien überein, die zeigen, dass Frauen Gesichter schneller erkennen als Männer und mehr Empathie mit gezeigten emotionalen Gesichtsausdrücken empfinden als Männer“, erklärt die Autorin.
Und was sagt uns das? Ein paar Tricks durchschauen wir vielleicht und entdecken rund um uns mehr verborgene Gesichter. Aber es gibt noch eine weitere experimentelle Schlussfolgerung: Wir könnten unsere Termine künftig ja auf „lächelnde Uhrzeiten“ legen – Meeting um 10 nach 10 statt um 8:20. Vielleicht stimmt uns der Blick auf die (analoge) Uhr dann gleich positiv ein.
http://journal.frontiersin.org/article/10.3389/fpsyg.2017.01410/full