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Für Werkzeugmacher ist Medtech ein lukrativer Markt

Werkzeug- und Formenbau
Für Werkzeugmacher ist Medtech ein lukrativer Markt

Für Werkzeugmacher ist Medtech ein lukrativer Markt
Prof. Dr.-Ing. Thomas Seul ist Präsident des Verbands Deutscher Werkzeug- und Formenbauer (VDWF) und an der Fachhochschule Schmalkalden Prorektor für Forschung und Transfer Bild: VDWF/Wortundform
Werkzeug- und Formenbau | Um die Medizintechnikbranche zu verstehen, müssen Werkzeugmacher auch mal die Brille des Patienten aufsetzen, sagt Prof. Seul, Präsident des Verbands Deutscher Werkzeug- und Formenbau. Zur Belohnung wartet ein lukrativer und interessanter Markt mit guter Kunden-Lieferanten-Bindung.

Susanne Schwab
susanne.schwab@konradin.de

Herr Professor Seul, wie digital ist die Werkzeug- und Formenbaubranche?

Sehr. Denn die Werkzeugmacher haben bereits in den 1980er-Jahren mit der Einführung von CAD/CAM-Systemen die Ursprünge unserer heutigen Digitalisierung gesetzt. Für den Werkzeug- und Formenbau ist das Thema „digital“, ausgehend von der technischen Zeichnung bis hin zur Maschinensteuerung, immer eine Evolution, nie eine Revolution gewesen. Und so geht es auch 2019 stetig und ständig nach vorn.

Ist die Digitalisierung auch in anderen Bereichen, wie beispielsweise der Arbeitsorganisation angekommen?

Ja, wir haben hier mehrere Ebenen der Digitalisierung. Einmal den eigentlichen Werkzeug- und Formenbauprozess, also die Digitalisierung des Shop Floors. Das Vernetzen der einzelnen Systeme untereinander ist natürlich in der Organisation dann auch dazugekommen und wird sich immer weiter entwickeln. Aber auch die Vernetzung der Werkzeugbaubetriebe untereinander wird immer digitaler – beim Datenaustausch bei der Kommunikation. Auch global gesehen. Und das Werkzeug selbst ist mittlerweile ebenso zu einem digitalen Produktionsmittel geworden – angefangen von der Sensorik bis hin zu Algorithmen, die in den Werkzeugen und Formen eingesetzt werden, um den Verarbeitungsprozess zu unterstützen.

Welche weiteren Trends sehen Sie aktuell im Werkzeug- und Formenbau?

Beispielsweise das ganze Thema der Präzision. Die Bauteile, die aus den Werkzeugen und Formen herauskommen, werden immer genauer, also geometrisch exakter, mit kleiner werdenden Toleranzen. Was natürlich auch erwartet wird, ist, dass die Produktqualität immer mehr wie an einer Perlenschnur aufgefädelt gewährleistet ist. Das heißt, jedes Bauteil muss prozesssicherer aus dem Werkzeug herauskommen. Und das kriegen wir wiederum nur mit der Präzision aus der digitalen Fertigung im Werkzeug- und Formenbau hin.

Ist die Medizintechnik noch immer ein spannendes Feld für die Branche?

Für die, die sich auf diesen Markt einlassen und die sich nicht scheuen, in ihre Prozesse Einblick zu geben, ist das immer noch ein sehr lukrativer und interessanter Markt. Zumal er auch
von einer sehr hohen Beständigkeit, im Sinne von nachhaltigen Kunden-Lieferanten-Verhältnissen, geprägt ist. Wenn man einen guten Job macht, wird man extrem schwer austauschbar. Man muss sich als Werkzeugmacher aber den Anforderungen der Branche stellen und die Notwendigkeit verstehen, warum dieser Aufwand der Qualifizierungsphase der Werkzeuge betrieben wird. Spielt man diese Klaviatur, findet man treue Kunden, die auch bereit sind, vernünftige Preise zu vernünftigen Konditionen zu zahlen.

Neueinsteiger tun sich aber relativ schwer, in der Medizinbranche Fuß zu fassen?

Viele denken, dass man da schnell Geschäft machen kann. Es ist aber regelrecht eine Kunst, in diesen Markt einzusteigen. Man muss extrem liquide sein und lange Durststrecken überbrücken, bevor man überhaupt in einen Fertigungsprozess hineinkommt. Bis dieser Stein ins Rollen kommt, können Jahre vergehen.

Welche Chancen, aber auch Herausforderungen bietet Ihrer Meinung nach die Medizintechnik-Industrie für die Branche?

Die Chance ist ein stabiles Geschäft, mit einer guten Basisauslastung. Die Herausforderung ist, vertrauensvolle Beziehungen aufzubauen sowie für einen von hohen Prozessrisiken getriebenen und von Richtlinien regulierten Markt Produktionsmittel zu liefern. Das kriegt man nur über extreme Transparenz in beide Richtungen hin. Wesentlich ist, die Brille des Patienten aufzusetzen und zu überlegen, welche Gefahr von meinem Produktionsmittel, und damit von meinem Werkzeug und auch von dem hergestelltem Produkt ausgehen könnte und welches Risiko beim Anwender entsteht. Damit darf ich nicht lax umgehen.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Ein Schmiermittel, das für die Automotive-Produktion bestens geeignet ist, kann toxisch sein und kommt daher beispielsweise für die Herstellung eines Inhalator-Mundstücks nicht infrage. Und der Werkzeugmacher muss ebenfalls darauf achten, dass die Temperierung im Heißkanal nicht dazu führt, dass der Werkstoff thermisch geschädigt wird, wodurch er auch toxische Eigenschaften entwickeln kann. Das kann durchaus passieren, ohne dass man es dem Produkt ansieht.

Sind die deutschen Werkzeug- und Formenbauer für Aufgaben in der Medizintechnik gerüstet oder gibt es noch Verbesserungspotenzial?

Man muss sich darauf einstellen, dass die Medizintechnik-Unternehmen auch immer internationaler werden. Und ich muss dahin gucken, wo die Produktion auch stattfinden könnte, zum Beispiel nach Indien, China, in die USA oder nach Japan. Das bedeutet, dass ich als Werkzeugmacher auch die administrativen, die organisatorischen und ebenso die kommunikativen Dinge beherrschen muss. Außerdem sollte man die Dokumentation mindestens in englischer Sprache durchführen können. Für einen Werkzeugbau mit 25 Mann kann das alles schon eine harte Nuss sein.

In Kürze trifft sich die Werkzeug- und Formenbaubranche wieder zur Moulding Expo in Stuttgart. Wie viele Aussteller präsentieren sich in diesem Jahr auf dem VDWF-Gemeinschaftstand?

Wir haben aktuell 78 Aussteller auf dem Stand in der Halle 7. Und ein besonderes Highlight in diesem Jahr ist die Sonderschau „Werkzeugbau heute und morgen“.

Was gibt es dort zu sehen?

Unsere Besucher können dort aktuelle Techniken des Werkzeugbaus hautnah miterleben: Prozesssicheres Spritzgießen mit Hilfe des intelligenten Mouldmonitorings, die Live-Produktion eines eigenen Give-Aways sowie ein MES-
System mit hochwertige Software zum Anfassen und Reinklicken sind nur ein paar der Highlights.

Und wie schätzen Sie persönlich die Messe ein?

Die Moulding Expo ist eine Leistungsshow. Und wir sind bereit, uns dem internationalen Markt zu stellen. Die Messe ist das Venice Beach des Werkzeug- und Formenbaus. Das hat so ein bisschen was mit Posen zu tun. Einfach mal zeigen, wer man ist und was man kann. Der Werkzeug- und Formenbau trainiert zwei Jahre lang seine Muskeln, um sich in Stuttgart dem globalen Umfeld zu präsentieren und sich selbst auch am Markt einzuordnen. Darauf freue ich mich.

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