So etwas machen nur Wissenschaftler: Fliegen sammeln und gucken, was auf ihnen an Bakterien so wächst und gedeiht. Dazu untersuchten Forscher der Pennsylvania State University, kurz Penn State, in den USA die verschiedenen Körperteile von 116 Stuben- und Schmeißfliegen aus drei verschiedenen Kontinenten und schauten auf deren Gehalt an mikrobiologischen Organismen. Das Ergebnis ist geradezu erschreckend. Sie fanden hunderte unterschiedlicher Bakterienarten auf den Fliegen, darunter auch pathogene Keime wie zum Beispiel Helicobacter pylori, den einige untersuchte Exemplare aus Brasilien mit sich trugen. Er gilt als Verursacher von Magenschleimhautentzündungen und kann darüber hinaus dazu beitragen, dass Geschwüre im Magen und Zwölffingerdarm entstehen.
Bisher unterschätzter Übertragungsweg
„Wir glauben, dass unsere Ergebnisse einen Weg der Übertragung von pathogenen Keimen zeigt, der bisher von den Gesundheitsbehörden übersehen wurde, und Fliegen könnten zu der schnellen Verbreitung von Pathogenen in Ausbruchssituationen beitragen“, sagt Donald Bryant, Ernest C. Pollard Professor der Biotechnologie sowie der Biochemie und Molekularbiologie an der Penn State. „Fliegen wurden als Überträger des Keims bisher noch nie in Betracht gezogen“, ergänzt sein Kollege Stephan Schuster, ehemaliger Professor für Biochemie und Molekularbiologie an der Penn State und nun Forschungsdirektor an der Nanyang Technological University in Singapore. Und je mehr Menschen anwesend sind, desto größer dürfte das Potenzial dafür sein, dass Fliegen Krankheiten übertragen.
Kolonialisierungsspur aus Bakterien
Es wundert nicht, dass Stuben- und Schmeißfliegen — beides Aasfliegenarten — so viele für Menschen gefährliche Bakterien mit sich führen, halten sie sich doch häufig in wahrlich unhygienischer Umgebung auf: Sie nutzen Fäkalien und faulendes organisches Material, um ihre Jungen zu versorgen. Dort bleiben Bakterien an ihnen hängen, die pathogen für Menschen, Tiere und Pflanzen sein können.
Auch auf die Frage, wo sich denn die meisten Keime auf Fliegen befinden, fanden die Forscher eine Antwort: auf den Beinen und Flügeln. Wobei logischerweise die Beine für die Übertragung der Keime hauptverantwortlich zu sein scheinen. „In der Tat zeigt die Studie, dass jeder Schritt, den eine Fliege macht, eine mikrobiologische Kolonialisierungsspur hinterlässt, wenn die neue Oberfläche das Bakterienwachstum begünstigt“, sagt Schuster.
Fliegen als Frühwarnsystem
Ein überraschendes Ergebnis der Studie: Aus dem Stall gesammelte Fliegen trugen weniger Pathogene an sich als Fliegen, die in einer städtischen Umgebung aufgesammelt wurden. Die Forscher konnten zeigen, dass rund die Hälfte des Mikrobioms der Insekten von der Umgebung bestimmt wird, die andere Hälfte ist wirtstypisch und bei allen Fliegen ähnlich.
Und, typisch Forscher, steht auch hier der zukünftige Nutzen und nicht etwa der Ekel im Vordergrund. Sie meinen, Fliegen könnten als Frühwarnsystem für Krankheiten dienen: Untersucht man Fliegen, weiß man, welche Erreger sich in der Umgebung tummeln. „Tatsächlich könnten die Insekten sogar bewusst freigelassen werden, um in die kleinsten Ritzen und Spalten vorzudringen, die sonst nur schwer zugänglich sind. Werden sie wieder eingefangen, liefern sie wertvolle Informationen über das biologische Material, mit dem sie in Kontakt waren“, schließt Schuster.
Fliegen freilassen – so können nur Forscher denken. Freuen wir uns, dass im Winter weniger von diesen Insekten umherbrummen, das hebt die Freude am Festtagsschmaus. Und für den Sommer nehmen wir uns vor: Lieber Picknick in der Natur als im Park, denn Stallfliege geht vor Stadtfliege.