Australien und Neuseeland gelten als gut zugängliche Medizintechnikmärkte. Größtes Export-Hindernis für EU-Hersteller war bisher die Entfernung. Jetzt wollen beide Länder stärker kontrollieren, welche Medizinprodukte importiert werden. Eine gemeinsame Gesundheitsbehörde soll die Qualität sicherstellen.
Grundlage für den reibungslosen Geschäftsverkehr zwischen der EU und Australien ist das „Mutual Recognition Agreement“ (MRA) für Medizinprodukte aus dem Jahr 1998. Australien und die Europäische Union erkennen darin Konformitätsbewertungen, Zertifikate und Kennzeichnungen gegenseitig an. Zum Jahresbeginn wurde das Abkommen zwischen Australien und der EU jedoch in wichtigen Punkten geändert.
„Australien war ein Sonderfall“, sagt Norbert Stuiber, Fachmann für internationale Zulassungen bei der TÜV Süd Product Service GmbH in München. Benannte Stellen wie diese wurden im MRA autorisiert, die Konformität von in Europa hergestellten Medizinprodukten mit den Anforderungen der australischen Regularien für Medizinprodukte zu überprüfen und nach einem positiven Bewertungsergebnis ein Zertifikat auszustellen. Mit diesem Zertifikat konnte der Hersteller sein Medizinprodukt im „Australian Register of Therapeutic Goods“ (ARTG) registrieren. Ein kompletter Zulassungsprozess mit Überprüfung der Technischen Dokumentation und Audits war nicht nötig.
Mit Wirkung zum 1. Januar 2013 wurde das „Mutual Recognition Agreement“ zwischen Australien und der EU einer Revision unterzogen. Insbesondere wurde die Gruppe der Hochrisiko-Medizinprodukte erweitert, die nicht mehr im Rahmen des MRA bewertet werden können – „bis vertrauensbildende Maßnahmen von Australien und der EU unternommen wurden“, wie es im Abkommen heißt. Folgende Produkte sind betroffen:
- aktive implantierbare Geräte,
- Medizinprodukte, die der Klasse III zugeordnet werden – dazu zählt jetzt auch der Gelenkersatz für Schulter, Knie und Hüfte,
- implantierbare Intraokularlinsen,
- intraokulare viskoelastische Flüssigkeiten
- sowie Medizinprodukte, die zur mechanischen Empfängnisverhütung oder zur Verhinderung der sexuellen Übertragung von Krankheiten bestimmt sind.
„Die MRA ist in großen Teilen dort, wo es Sinn gemacht hat, nicht mehr anwendbar“, sagt Norbert Stuiber. Ein wesentlicher Punkt ist, dass Klasse-III-Produkte bis auf weiteres vom schnellen Marktzugang auf Basis des „Mutual Recognition Agreement“ ausgeschlossen sind. Radioaktive Medizinprodukte niedrigerer Risikoklassen werden dagegen in das Abkommen über die gegenseitige Anerkennung der Konformitätsbewertung, der Bescheinigungen und der Kennzeichnung eingeschlossen. Gestrichen und durch eine spezifischere Klausel im sektoralen Anhang für Medizinprodukte ersetzt wurde eine Klausel zur Ursprungsregel, die festlegt, dass nur in der EU oder in Australien hergestellte Produkte unter das MRA fallen. Vollständig aus dem MRA-Anwendungsbereich ausgeschlossen wurden verschiedene Kombinationsprodukte, wie etwa Medizinprodukte, die Gewebe oder Gewebederivate menschlichen Ursprungs enthalten.
Es gelten verschiedene Übergangsregelungen. So bleiben bereits ausgestellte Konformitätsbewertungszertifikate für Medizinprodukte, die nun nicht mehr unter das MRA fallen, noch bis zu ihrem Ablaufdatum gültig, längstens aber bis fünf Jahre nach Inkrafttreten des geänderten Abkommens.
„Momentan haben wir noch die Möglichkeit, dass wir die Lieferungen über eine offene Registrierung abwickeln können“, sagt Stefan Heffner, Head of International Sales beim Endoskopie-Hersteller Richard Wolf in Knittlingen. In Zukunft werde sich das Verfahren etwas erschweren, denn eine geforderte zusätzliche Kennzeichnung der Ware sei aufwendig und binde Ressourcen – personell wie finanziell: „Das erhöht die Hürden für die Einfuhr innovativer Neuprodukte: Es kommen Mehrkosten auf die Unternehmen zu und vor allem wird auch mehr Zeit für die Etablierung benötigt. Diesen Herausforderungen stellen wir uns jedoch gerne.“
Mit der strengeren Pre-Market-Bewertung von Medizinprodukten höherer Risikoklassen will die australische Gesundheitsbehörde TGA (Therapeutic Goods Administration) eigenen Angaben zufolge deren Qualität, Sicherheit und Leistung gewährleisten. Bevor Medizinprodukte in Australien auf den Markt gebracht werden, müssen sie im „Australian Register of Therapeutic Goods“ registriert werden. Haben ausländische Unternehmen keine australische Niederlassung, muss ein australischer Partner, der sogenannte „Sponsor“, den Antrag stellen. Ohne australischen Partner können sich ausländische Unternehmen auch nicht an öffentlichen Ausschreibungen beteiligen.
Der Sponsor ist auch in Neuseeland das Bindeglied zwischen dem ausländischen Hersteller oder Importeur und der Gesundheitsbehörde: Sie nennt sich Medsafe (Medicines and Medical Device Safety Authority). Der Sponsor muss das Medizinprodukt innerhalb von 30 Tagen nach der Markteinführung in der Medsafe-Datenbank WAND (Web Assisted Notification of Devices) eintragen. Dieser Eintrag kommt aber noch keiner Genehmigung gleich. Die Gesundheitsbehörde kann die Vorlage von Unterlagen verlangen, die Sicherheit und Wirksamkeit eines Produkts belegen, etwa die Zertifizierung durch eine Benannte Stelle der EU.
Auch Neuseeland hat seit 1998 ein Abkommen mit der EU über die gegenseitige Anerkennung der Konformitätsbewertung, doch auch hier stehen die Zeichen auf Veränderung. Gemeinsam mit Australien baut Neuseeland eine gemeinsame Gesundheitsbehörde auf, die Australia and New Zealand Therapeutic Products Authority (ANZTPA). Sie soll TGA und Medsafe ersetzen und sicherstellen, dass den Verbrauchern hochwertige Arzneimittel und Medizinprodukte zugänglich gemacht werden. Ein Antragsprozess für beide Länder genügt dann.
Bettina Gonser Freie Journalistin in Stuttgart
Weitere Informationen Zur australischen Gesundheitsbehörde: www.tga.gov.au Zur neuseeländischen Gesundheitsbehörde: www.medsafe.govt.nz Zur transtasmanischen Gesundheitsbehörde: www.anztpa.org Zum Prüfdienstleister: www.tuev-sued.de Zum Endoskopie-Hersteller: www.richard-wolf.com
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