Herr Breuer, ist das Thema Kreislaufwirtschaft bei den Verarbeitern aus der Medizintechnik-Branche schon ein Thema?
Medizintechnik ist im Vergleich zu anderen Branchen ein besonderer Markt. Für Medizinprodukte gelten allgemein sehr strenge Regulierungsvorschriften und Richtlinien, die insbesondere auch „grundlegende“ Anforderungen für die eingesetzten Werkstoffe enthalten. Verantwortlich für die Einhaltung dieser Vorgaben ist derjenige, der das Medizinprodukt in Verkehr bringt. Dieser wiederum sichert sich über ein Konformitätsverfahren innerhalb seiner Lieferkette ab. In der Praxis werden von den Herstellern von Medizinprodukten daher meist nur Materialien eingesetzt, für die ein einschlägiger Nachweise über ihre Eignung für Medizinprodukte verfügbar ist. Dies ist häufig der Nachweis über die Biokompatibilität des Polymers gemäß europäischen oder US-amerikanischen Vorschriften. Für Materialien aus externen Wertstoff-Kreisläufen liegen diese Nachweise in der Regel nicht vor und sind auch nicht einfach beschaffbar, da die zugehörigen Genehmigungsverfahren sehr aufwendig, kostspielig und zeitintensiv sind.
Und wie sieht das bei intern anfallenden Produktionsabfällen aus?
Diese sollten in der Fertigung am besten typenrein erfasst und über einen abgeschlossenen internen Recycling-Kreislauf der Produktion wieder zugeführt werden. Dies ist bereits seit vielen Jahren bei ausgesuchten Produkten gängige Praxis und wurde mit unserer Hilfe bei verschiedenen Medizinproduktherstellern umgesetzt. Besonderheiten bei diesen Systemen sind die klare Trennung, Kennzeichnung und Verfolgung der Produktionsabfälle im internen Recycling-Kreislauf. Dies fängt für uns meist bei der Absaugung von Mahlgut aus Zerkleinerungsmühlen an, geht weiter über das Absacken und Lagern, das erneute Einschleusen in den Produktionsbereich, oftmals ein Reinraum, bis hin zum Dosieren und Mischen für die erneute Verarbeitung. Alle diese Schritte gehören weiterhin sorgsam überwacht und ausreichend dokumentiert.
Wird das Thema Recyclin in den kommenden Jahren an Bedeutung gewinnen?
Wir erwarten, dass einerseits die Notwendigkeit eines gut funktionierenden Inhouse-Recyclings aus wirtschaftlichen Gründen zunehmen wird und andererseits die technischen Anforderungen aufgrund verschärfter Regularien höher werden. Dies gilt insbesondere für die Absicherung und Dokumentation des Materialflusses.
Wie können Sie die Verarbeiter aus der Medtech-Branche unterstützen?
Die Hersteller von Medizinprodukten unterstützen wir durchgängig während aller für die Produktionstechnik eines Medizinproduktes relevanten Projektphasen. Dies geht weit über die reine Lieferung von Anlagentechnik hinaus. Wir folgen dabei dem allgemein üblichen „Wasserfallmodell“ zur Entwicklungslenkung nach FDA, bestehend aus nacheinander geschalteten Teilschritten zur Spezifizierung und Qualifizierung der Produktionsausrüstung.
Was heißt das konkret?
Es fängt mit Beratung und Konzeptvorschlägen für die Gestaltung der Materiallogistik an, so dass diese die einschlägigen Regularien erfüllt. Bei der Umsetzung geht es dann weiter mit der Erstellung projektbegleitender Unterlagen zur Dokumentation der Eignung der eingesetzten Geräte und Komponenten sowie verschiedenen Reviews. Nach Auslieferung, Aufbau und erster Inbetriebnahme begleiten wir kundenseitig notwendige Testläufe und Abnahmen zur Qualifizierung des Systems, sofern es unsere Komponenten betrifft. Die abschließende Validierung des Gesamtproduktionssystems obliegt dann dem Hersteller.
Sie sehen sich als Partner für die drei Kunststoffteilbereiche: Herstellung von Neuware und Rezyklaten und Kunststoffverarbeitung – Welcher dieser drei Bereiche ist Ihrer Meinung nach beim Thema Kreislaufwirtschaft am weitesten?
Naturgemäß der Bereich der Herstellung von Rezyklaten. Gleichzeitig ist dies bislang aber auch der kleinste Bereich. Speziell für die Aufbereitung durch Regranulieren oder erneutes Compoundieren zu Regenerat bieten wir entsprechende Dosier-, als auch Fördertechnik aus einer Hand an, egal ob als Ausgangsmaterial körniges Mahlgut, Flakes, Zuschlagsstoffe in Form von Pulver oder Gries oder gar flüssige Additive eingebracht werden müssen.
Wo sehen Sie am meisten Nachholbedarf bei den Kunststoffverarbeitern?
In Hinblick auf die Implementierung neuer Wertstoffkreisläufe besteht aus unserer Sicht der größte Nachholbedarf bei Produktgestaltung und -design. Viele Kunststoffprodukte sind heute auf ihre Funktionalität hin hoch optimiert, nicht aber hinsichtlich einer Recyclingfähigkeit. Hier wäre darauf zu achten, dass sich montierte Teile auch wieder voneinander lösen lassen und bei unlösbaren Verbindungen Materialkombinationen zum Einsatz kommen, die auch als Mischung nochmals verarbeitbar sind. Entsprechendes gilt für eingesetzte Hilfsstoffe wie etwa Kleber oder Haftvermittler und Kombinationen mit anderen Werkstoffen wie beispielsweise Papier oder Aluminium.
Sie sagen: Industrie 4.0 spielt im Aufbau von Kreislaufsystemen eine wichtige Rolle. Was genau bedeutet das für die Kunststoffverarbeiter?
Industrie 4.0 liefert die Technik, um Stoffströme und Materialfluss zukünftig sehr dicht erfassen, verfolgen und dokumentieren zu können. Live-Daten in Echtzeit aus allen Ebenen der Aufbereitung und Verarbeitung werden es ermöglichen, Prozesse besser und automatisiert einzurichten sowie durch Adaption an Schwankungen störsicherer zu machen. Dies ist notwendig, da sich die Eigenschaften von Materialien aus Kreislaufströmen bei wiederholter Verarbeitung ändern. Weiterhin wird es eine lückenlose Verfolgbarkeit des Materialwegs geben, so dass eine Optimierung des gesamten Stoffstrom-Managements möglich wird.
Gibt es besondere Anforderungen für die Medizintechik-Branche?
Für die Medizintechnik-Branche gelten die gleichen Aussagen, nur dass sie hier eher noch verstärkt zur Anwendung kommen werden. Andererseits lebt diese Branche aber auch heute schon ein hohes Maß an Dokumentation und Transparenz, so dass die Weiterentwicklung nicht schwerfallen sollte.
Sind biobasierte Kunststoffe aus Ihrer Sicht eine Alternative zu den „herkömmlichen“ Kunststoffen?
Bio-basierte Kunststoffe haben zwischenzeitlich hinsichtlich ihrer werkstofflichen Eigenschaften ein sehr gutes Niveau erreicht, so dass sie mit „herkömmlichen“ in einigen Bereichen durchaus konkurrieren können. Sie wären sicherlich insbesondere bei Verpackungsprodukten oder im Agrarbereich eine interessante Alternative. Sie kommen jedoch häufig nicht zum Zuge, da keine ausreichende Verfügbarkeit im Markt gegeben ist.
Können mit Ihren Produkten und Systemen auch Biokunststoffe verarbeitet werden?
Grundsätzlich kann man mit unseren Geräten auch die verschiedenen Bio-Kunststoffe (bio-basiert und/oder bio-abbaubar) konditionieren und handhaben. Sind diese Materialien sehr empfindsam, müssen gegebenenfalls verfahrenstechnische Parameter, wie Fördergeschwindigkeit oder Trockenzeiten angepasst werden. Auch gibt es Bio-Materialien, die nicht direkt mit Trockenluft getrocknet werden können, da die Granulatkörner in Schüttung miteinander verkleben würden. Hierfür gibt es spezielle Kristallisationssysteme, in denen der Kristallisationsgrad des Materials vorab ausreichend erhöht wird.
Kontakt zum Hersteller:
Motan Holding gmbh
Stromeyersdorfstr. 12
78467 Konstanz
Tel.: +49 (0)7562 760
Mail: info@motan-colortronic.com