Software, das ist ja etwas Immaterielles. Viele, die einmal einen zweiwöchigen Programmierkurs gemacht haben, fühlen sich heutzutage schon dazu befähigt, Software zu entwickeln“, gibt Gerd Hoefner zu bedenken. Für den Leiter des in Indien stationierten Softwareentwicklungszentrums von Siemens Healthineers, einem der weltweit führenden Medizintechnikunternehmen, braucht es jedoch mehr: „Ein guter Software-Ingenieur muss eine fundierte Software-Ingenieursausbildung bekommen. Ein guter Software-Entwickler ist einer, der weiß, wie man einen guten Code schreibt.“
Medizinische Vorkenntnisse werden dabei nicht immer vorausgesetzt. „Entwickler brauchen bei uns keine zwingenden Fachkenntnisse über den jeweiligen medizinischen Einsatzbereich, wichtiger sind ein fundiertes Wissen und praktische Erfahrungen bei der Software-Entwicklung“, sagt Dr. Claudia Brunner, Global Product Manager beim international tätigen Nürnberger Hersteller mobiler C-Böge, Ziehm Imaging. „Wir bieten unseren Mitarbeitern intern praxisorientierte Fortbildungsmöglichkeiten an. So können sie direkt an den Geräten lernen, wie diese bedient werden. Einzelne Entwickler können auch live vor Ort neben den Ärzten im OP stehen und miterleben, wie das jeweilige System angewandt wird.“
Software-Entwicklung: interne oder externe Lösung
Auch im Software-Entwicklungszentrum von Healthineers setzt man auf eine fundierte Ausbildung: „In unserem Development Center gibt es ein vierdimensionales Trainingsprogramm für unsere Software-Entwickler“, sagt Gerd Hoefner. Die erste Dimension sei die Technologie, die zweite das Software-Engineering per se. Weitere Inhalte sind Soft Skills und schließlich auch die Domain Competence. Hierbei werden die Grundzüge der Medizintechnik erklärt, also beispielsweise wofür ein CT eingesetzt wird oder welche unterschiedlichen Anwendungsgebiete es für einen Ultraschall gibt.
Ob die Softwareentwicklung intern stattfindet oder ausgelagert wird, ist von Unternehmen zu Unternehmen verschieden. Bei Siemens Healthineers repräsentiert das Development Center mit 300 Mitarbeitern in der Slowakei sowie 1900 Mitarbeitern im indischen Bangalore rund die Hälfte der Software-Entwicklung des Unternehmens weltweit. „Hier in Indien haben wir ausschließlich eigene Mitarbeiter“, so Hoefner. Es gebe aber auch eine Reihe von Business Lines, die, wie im Raum Erlangen-Forchheim, mit lokalen Software-Companies zusammenarbeiteten. „Der Anteil insgesamt dürfte aber äußerst gering sein.“ Als Grund für die Kooperation mit Externen nennt er Kapazitätsprobleme: „Wenn Sie ein Produkt entwickeln, ist der Mitarbeiterbedarf über die Produktlaufzeit nicht immer gleich. Und um da flexibel reagieren zu können, arbeitet man mit externen Dienstleistern zusammen.“
Hoefners Aussage geht in die gleiche Richtung wie die von Dr. Thomas Gillen, dem technischen Direktor des Schweizer Entwicklungsdienstleisters Art of Technology: „Große Unternehmen geben die Software-Entwicklung oftmals nicht aufgrund von mangelndem Wissen, sondern aufgrund von Kapazitätsproblemen ab.“ Ziehm produziert zwar die gesamte Medizinsoftware selbst, greift dabei aber auf externe Entwickler zurück: „Je nach Bedarf sind das mal mehr, mal weniger“, sagt Brunner. Anders verhält es sich bei Newcomern, erklärt Gillen: „Bei Start-ups ist es häufig fehlende Expertise, die zur Auslagerung der Software-Entwicklung führt.“
Bei der Zusammenarbeit kommen die unterschiedlichsten Modelle in Betracht: Neben einer kompletten Übernahme der Software-Entwicklung ist ein Phasenmodell denkbar. Manchmal sind die Dienstleister nur begleitend tätig, etwa bei der Ausarbeitung einer Machbarkeitsstudie. Manche wiederum entwickeln weite Teile selbst nach Anleitung. Das ist besonders bei Start-up-Unternehmen der Fall, um die Kosten möglichst gering zu halten. Dazwischen gibt es alles. „Von der Vergütung her sind alle Modelle möglich, vom Stundensatz bis hin zum Festpreis“, erläutert Gillen. Er ist mit seinem Unternehmen zum Beispiel auf der Fachmesse Medtec Live präsent, um dort mit Start-ups genauso wie mit etablierten Herstellern ins Gespräch zu kommen.
Unabhängig davon, ob die Entwicklung von internen oder externen Mitarbeitern ausgeführt wird, sollte ein stetiger Austausch mit der Produktion erfolgen. „Systems Engineering propagiert eine kontinuierliche Kommunikation zwischen den Kollegen, die für die Hardware verantwortlich sind, und denen, die die Software entwickeln, zumindest an ihren Schnittstellen“, erklärt Hoefner.
Den Vorteil einer Unternehmens-internen Entwicklung macht Brunner deutlich: „Gerade weil wir unsere Software-Entwickler im Haus haben und sie nur wenige Türen weiter sitzen, haben wir einen sehr engen Austausch. In wöchentlichen Projektmeetings haben wir von Anfang an Einflussmöglichkeiten auf die Gestaltung der Software und können diese genau auf Kundenbedürfnisse zuschneiden.“
Messen fördern den Austausch und Kontakte
Eine Möglichkeit, wie Medizingeräte-Hersteller und Software-Entwickler zueinander finden , sind Messen: „Unsere Kunden bekommen wir hauptsächlich über Partnernetzwerke, mündliche Empfehlungen – und natürlich spielen auch Messen dabei eine ganz große Rolle“, sagt Gillen.
Eine solche Plattform bietet die Nürnberger Medtec Live mit dem internationalen Kongress Medtech Summit und dem B2B-Partnering. „In vorab vereinbarten Gesprächen können sich Anbieter und Nachfrager gezielt austauschen“, so Dr. Matthias Schier, Geschäftsführer des Forums Medtech Pharma e.V.
Software-Kompetenz auf der Medtec Live
Die Medtec Live findet in diesem Jahr zum ersten Mal statt, vom 21. bis 23 Mai, gemeinsam mit dem internationalen Kongress Medtech Summit auf dem Nürnberger Messegelände. „Die Messe bietet eine ideale Plattform für den Austausch und die Zusammenarbeit von Herstellern und Entwicklern – und das in internationalem Rahmen“, erklärt Alexander Stein, Director Medtec Live bei der Nürnberg Messe.
Das Thema „Software“ ist auf den Fachforen, bei den Ausstellern in beiden Messehallen und nicht zuletzt auf dem Innovation Market Place zu finden, der auf einer Sonderfläche Start-ups, junge Unternehmen sowie Dienstleister, etwa für die Softwareentwicklung, vereint. Mit den Themenreihen Digital Processes und Data Analytics greift auch das Kongressprogramm im Medtech Summit, das vom Forum Medtech Pharma veranstaltet wird, die Bereiche Digitalisierung und Software auf.
Weitere Informationen:
www.medteclive.com