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„Biopolymere können wir sogar zweimal nutzen“

Biobasierte Kunststoffe: Rohstoffverfügbarkeit und Entsorgung werden noch diskutiert
„Biopolymere können wir sogar zweimal nutzen“

Teller, Tank, Technik – wofür soll die Menschheit das nutzen, was auf den Ackerflächen wächst? Ein Kompromiss scheint angebracht, meint Prof. Hans-Josef Endres vom IfBB Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe.

Herr Professor Endres, sobald es um nachwachsende Rohstoffe geht, muss natürlich auch die Frage gestellt werden, welchen Einfluss die Nutzung der Ackerflächen für diesen technischen Zweck auf die Welternährung hat. Wie sieht es da bei den Biokunststoffen aus?

Derzeit ist der Anteil der Biokunststoffe am Gesamtmarkt – im Gegensatz zu den geführten Diskussionen – noch so gering, dass wir den weltweiten Bedarf an Rohstoffen decken könnten, wenn wir etwa ein Drittel der Flächen nutzen würden, die in Deutschland für das Erzeugen von Biogas genutz werden. Wenn wir das auf die weltweit verfügbare Ackerfläche umrechnen, ist der derzeitig Bedarf für die Biokunststoffe 0,03 Prozent.
Derzeit ist der Kunststoffmarkt natürlich geprägt von den erdölbasierten Werkstoffen. Wenn man weiter denkt und das Szenario betrachtet, dass wirklich alle Kunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden sollten: Wie sähe es dann aus?
Auch das haben wir kalkuliert. Um alle Kunststoffe, die heute verarbeitet werden, biobasiert herzustellen, bräuchten wir etwa vier bis fünf Prozent der weltweiten Ackerfläche. Daher bin ich der Meinung, dass hier die Diskussion um Teller und Tank oder Teller und technische Nutzung nicht angebracht ist. Man muss natürlich darüber nachdenken, für was die Anbaufläche genutzt werden soll. Aber das Hauptproblem ist nicht der Werkstoffbereich, sondern die Energieerzeugung aus pflanzlichen Rohstoffen. Wenn wir den Treibstoffbedarf, den wir im Moment über Erdöl decken, durch Bio-Produkte ersetzen, bliebe tatsächlich nicht mehr genug Fläche für die Erzeugung von Nahrtungsmitteln. Aber mit Biopolymeren könnten wir – nach einer mehrfachen stofflichen Nutzung – der nachwachsenden Rohstoffe sogar noch zur Energieerzeugung beitragen.
Was leisten denn biobasierte Kunststoffe in dieser Hinsicht?
Jedes Kunststoffteil ist früher oder später am Ende seiner Nutzung angelangt. Dann wird es eventuell recycelt und am Ende in der Regel verbrannt. Solange wir Kunststoffe aus Erdöl verwenden, gewinnen wir mit dem Verbrennen zwar Energie, setzen aber auch Kohlendioxid frei, das Millionen von Jahren im Erdöl gebunden war. Das verursacht die bekannten Probleme. Wenn aber biobasierte Werkstoffe verbrannt werden, steigt der CO2-Gehalt in der Atmosphäre nicht weiter an: Alles, was beim Verbrennen entsteht, ist ja vorher von den Pflanzen aus der Luft herausgefiltert und zu Biomasse umgesetzt worden. So gesehen sollte man bei Biokunststoffen sagen: im optimalen Fall als Entsorgung verbrennen, denn dann haben wir quasi eine doppelte Nutzung des nachwachsenden Rohstoffes. Erst machen wir Kunststoffe daraus, dann erzeugen wir Energie.
Dann gäbe es auch kein Entsorgungsproblem…
Warum sollten wir bei den biobasierten Kunststoffen von einem Entsorgungsproblem sprechen? Richtig ist, dass chemisch neuartige Werkstoffe wie Stärke-Blends und PLA bereits im Abfall auftauchen und es für ihre Entsorgung noch kein Konzept und keine Logistik gibt. Das liegt meines Erachtens aber daran, dass die Mengen noch so klein sind. Eine ähnliche Situation hatten wir bei PET. Verfahren und Wege für das Recycling entstanden erst, als es sich angesichts großer Mengen lohnte, sich damit zu befassen.
Was müsste geschehen, damit der Markt für Biokunststoffe richtig in Schwung kommt?
Ès gibt mittlerweile erfreulich viele Forschungsaktivitäten, die auch staatlicherseits gefördert weden. Aber was nützen uns die schönsten Projekte, wenn die Ergebnisse mangels Interesse der Unternehmen am Ende in der Schublade landen? Ich denke, dass sich die Politik stärker ins Zeug legen und die Richtung vorgeben müsste. In Deutschland hat das Erneuerbare Energien Gesetzt (EEG) dem Markt für biobasierte Energieträger einen starken Impuls gegeben.Erst wenn die Industrie in der Breite Anreize bekommt oder die Gesellschaft sich vornimmt, vom Erdöl unabhängiger zu werden, ist mit einem deutlichen Sprung nach vorn zu rechnen. Das Beispiel der Energiefrage gibt da die Richtung vor.
Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de
Weitere Informationen Über das IfBB Die Fachzeitschrift medizin&technik hat in der Ausgabe 5/2013 ausführlich über das Thema Biokunststoffe und mögliche Anwendungen in der Medizintechnik berichtet.
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