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Textilien in der Medizin – Möglichkeiten bis hin zum Implantat

Medizintextilien
Aus Fasern wird ein Implantat

Medizintextilien | Fasern als Grundbausteine von Implantaten schaffen einen zunehmend wichtigen Schwerpunkt in der Medizin und Gesundheitswirtschaft. Die einstellbaren mechanischen Eigenschaften der flexiblen textilen Materialien und das Verhältnis von Oberfläche zu Volumen sind wesentliche Gründe für den Einsatz in der Medizin.

Der native Aufbau verschiedener Organe, wie Knochen und Blutgefäße, sowie die fibrillären Strukturen im menschlichen Körper, zu denen Muskeln, Sehnen und Bänder gehören, lassen sich besonders gut mittels textiler Strukturen nachahmen. Wissenschaftler des Instituts für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik der TU Dresden (ITM) forschen gemeinsam mit Kooperationspartnern aus verschiedenen Kliniken und medizintechnischen Unternehmen weltweit entlang der Wertschöpfungskette. Sie arbeiten an Biomaterialien und der (prä-)klinischen Erprobung faserbasierter Implantate, um neue Produkte zu entwickeln und diese künftig im Medizinbereich zu etablieren.

Im Mittelpunkt der aktuellen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten steht vor allem die simulationsgestützte Technologieentwicklung für die Fertigung individueller, anwendungsspezifischer und komplexer Implantate für die Regeneration von Hart- und Weichgewebedefekten. Die Herstellung soll mit Hilfe verschiedener textiler Techniken, wie Weben, Flechten, Stricken und Wirken, elektrostatischem Flocken sowie den zunehmend im Fokus stehenden additiven Herstellungsverfahren erfolgen.

Ein am ITM entwickeltes, modular aufgebautes, additives Fertigungsverfahren, die so genannte Net-Shape-Nonwoven-Technologie, ermöglicht eine lagenweise Verklebung von Kurzfaserlagen zu komplexen 3D-Strukturen mit einstellbarer Porosität. Durch den Einsatz verschiedener Module zur lokalen Ablage und definierten Ausrichtung von Kurzfasern sowie zur Integration von Endlosfasern können die Beschränkungen konventionell gefertigter konfektionierter Textilien überwunden werden. Aufgrund der Vielfalt der verwendbaren textilen Fasermaterialien kann eine biokompatible, resorbierbare und/oder nicht abbaubare Vliesstoffstruktur erzeugt werden. Durch die prozessintegrierte und extrusionsbasierte 3D-Plot-Technologie lassen sich verschiedene Materialtypen, beispielsweise Knochenzementpaste, Hydrogele und Hohlstränge integrieren. Damit wird die Herstellung von maßgeschneiderten, anforderungsgerechten Implantatstrukturen möglich, die Material- und Strukturgradienten, anisotrope Bereiche und Hohlräume enthalten können.

Die simulationsgestützte Auslegung und die modulare, additive Fertigung der Strukturen ermöglicht eine patientenindividuelle Auswahl der notwendigen Komponenten und eine gezielte Anpassung der Implantatgeometrie an komplexe Gewebedefekte. Das additive Verfahren lässt sich in einer Vielzahl von weiteren Hightech-Anwendungen einsetzen, bei denen komplexe Geometrien ohne Materialverlust realisiert werden müssen.

Hohe Funktionalität zeichnet technische Textilien aus

Der Einsatz technischer Textilien und Fasern ist facettenreich und erfolgt neben der Medizintechnik auch in anderen technischen Disziplinen, wie in der Automobilindustrie, in der Luft- und Raumfahrt, im Bauingenieurwesen, in der Architektur sowie im Gesundheits- und Sicherheitswesen.

Die Materialien zeichnen sich durch ihre hohe Diversität, Kompatibilität, Funktionalität, Flexibilität und Interaktivität aus. Diese Eigenschaften führen zu einer erheblichen Ausweitung vorhandener Einsatzgebiete und ermöglichen die Entwicklung und Erschließung völlig neuer Produktgruppen. Der Variantenreichtum und die Funktionalität der technischen Textilien sind außerordentlich groß, weil Faserart und -mischung, Garnerzeugung, Techniken der Flächenherstellung sowie Oberflächenmodifizierungen und -funktionalisierungen auf den unterschiedlichen Fertigungsebenen eine fast beliebige Vielfalt an Eigenschaftsprofilen für die Textilien ermöglichen. Diese Möglichkeiten schaffen beste Voraussetzungen für die Kompatibilität beziehungsweise für die Verbindung mit anderen nichttextilen Werkstoffen, wie Kunststoffen, Metallen, Holz und Beton. Die Kombination technischer Textilien mit der Mikrosystemtechnik führt darüber hinaus zu interaktiven Daten- und Informationsmedien ebenso wie zur Realisierung von integrierten Sensor- und Aktornetzwerken, beispielsweise für die Strukturüberwachung und Schwingungsdämpfung von Verbundbauteilen. Damit lassen sich Textilien mit ihren einstellbaren Eigenschaften flexibel einsetzen und anpassen.

Die ORW(Open Reed Weave)-Webtechnologie der Lindauer Dornier GmbH bildet mit ihrem offenen Webriet und ihrer Versatzeinheit eine gute Basis, mit deren technologischer Weiterentwicklung die Herstellung von anforderungsgerechten und endkonturnahen 2D-Geweben aus kostenintensiven Hochleistungsfaserstoffen wie Keramikfasern und Kohlenstofffasern möglich wird, so das ITM.

Die Zukunftsaussichten für antimikrobielle Textilien, funktionalisierte beziehungsweise neue Textilmaterialien für die Wundversorgung, den Textileinsatz bei der Züchtung von Haut- und Knorpelzellen aus patienteneigenem Material und die E-Health-Trends inklusive Telemedizin und -monitoring sind nach Angaben der Experten mehr als gut. Treiber dafür sind zum einen neue Forschungen und Fertigungstechnologien zum Beispiel zur Textilfunktionalisierung (wie antimikrobielle Oberflächen oder auch elektrisch leitende Fäden) sowie auf der anderen Seite innovative medizintechnische Anwendungen, die wie bei der Gesundheitsüberwachung von Patienten, Autofahrern oder Feuerwehrleuten diese neuen Möglichkeiten in und auf der Faser nutzen. Deshalb werden für das Themenfeld jährliche Zuwächse zwischen 5 und 10 % prognostiziert. (su)

https://tu-dresden.de

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