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3D-Druck: Kumovis entwickelt mit Partnern neue Werkstoffe

Additive Fertigung von Implantaten
Mit 3D-Druck auch Zellen im Implantat versorgen

Mit 3D-Druck auch Zellen im Implantat versorgen
Stefan Leonhardt ist einer der Gründer und Geschäftsführer des Unternehmens Kumovis, das sich auf den 3D-Druck von Medizinprodukten spezialisiert hat (Bild: Kumovis)
2017 trat das Start-up Kumovis mit der Idee für einen 3D-Drucker an, der Implantate aus PEEK fertigt. Inzwischen ist das Unternehmen gewachsen, der Drucker seit einem Jahr auf dem Markt. Geschäftsführer Stefan Leonhardt berichtet über Perspektiven und kommende Materialien.

Dr. Birgit Oppermann
birgit.oppermann@konradin.de

Herr Leonhardt, wie entwickelt sich derzeit der Markt für 3D-gedruckte Medizinprodukte?

Obwohl die Corona-Pandemie vieles eingeschränkt hat, ist das Interesse, das die Medizinproduktehersteller an der 3D-Druck-Technologie haben, nach wie vor groß. Im August 2019 war Kumovis das erste Unternehmen, das einen FLM-3D-Drucker mit integriertem Reinraum speziell für die Medizintechnik auf den Markt gebracht hat. Anfragen dazu bekommen wir auch in der Krise.

Wofür wird Ihr System genutzt?

Wir beschäftigen uns aktuell mit Produkten aus Kunststoffen, die in engen Kontakt mit dem menschlichen Körper kommen. Das können patientenindividuelle Implantate sein, die von der Schulter aufwärts im Kopfbereich eingesetzt werden und aus belastbaren implantierbaren Werkstoffen hergestellt werden. Ein weiterer Bereich sind Instrumente und individuelle Bohrschablonen. Aber auch Implantate für die Wirbelsäule sind machbar.

Wo gibt es Neuland zu betreten?

Mit jedem neuen Werkstoff wächst die Zahl der Anwendungen. Gedruckte PEEK-Implantate wurden möglich, als Evonik das erste Filament aus implantierbarem PEEK-Material inklusive Dokumentation auf den Markt brachte. Inzwischen sorgen neue Materialien vieler Anbieter für Schwung. Resorbierbare implantierbare Werkstoffe ermöglichen Anwendungen in Richtung Tissue Engineering. PPSU oder Polycarbonat sind Kandidaten für Implantate mit kurzer Verweildauer oder für Instrumente. Auch Kumovis entwickelt mit Ensinger zum Beispiel ein PEKK-Material in Filamentform. Im Oktober haben wir beim Innovation Forum Medizintechnik in Tuttlingen mit Ensinger einen weiteren Werkstoff gelauncht: ein einfärbbares bariumsulfathaltiges PPSU. Stellt man daraus Probeimplantate für die Wirbelsäulenchirurgie her, bringen diese Vorteile gegenüber den bisherigen, aus Titan gefrästen Probeimplantaten.

Wofür werden Probeimplantate eingesetzt, und was bietet 3D-Druck hier?

So genannte Cages können als Implantat den Platz einer Bandscheibe einnehmen und sind in verschiedenen Höhen und Neigungen verfügbar. Während der Operation testet der Chirurg mit Probeimplantaten, welche Variante für den Patienten die richtige ist, bevor er das Dauerimplantat fest einsetzt. Die Probeimplantate sind wiederaufbereitbar und werden zwischen OP und Sterilgutversorgung im Krankenhaus transportiert. 3D-gedruckte Produkte aus Kunststoff sind leichter als entsprechende Teile aus Metall. Die Herstellkosten sind im 3D-Druck gegenüber dem Fräsen aus Titan um die Hälfte niedriger, da viele Varianten auf einer Platte gefertigt werden können. Die Beigabe von Bariumsulfat macht das Probeimplantat im Röntgenbild während der Operation sichtbar. Und das Einfärben erleichtert bei der Operation den Griff zu einer bestimmten Variante.

Welche Potenziale sehen Sie für Dauerimplantate aus Kunststoff?

Bisher gilt, dass poröse Titanoberflächen am besten von Zellen besiedelt werden. Denkbar wäre, auch dauerhaft eingesetzte Cages im 3D-Druck aus Kunststoff zu fertigen und die Oberflächen zu beschichten oder mit Plasma zu behandeln, um sie für Zellen attraktiver zu machen. Wir können sogar die Porosität im Innern von Kunststoff-Implantaten gestalten. Damit wird ein Nährstofftransport durch das Implantat möglich, und Zellen werden sogar im Innern des Implantates gut versorgt.

Welche Erfahrungen gibt es zum Thema Haltbarkeit der Implantate?

Wir nutzen im 3D-Druck von Implantaten Kunststoffe, die schon lange in der Medizin im Einsatz sind, aber bisher im Spritzguss oder durch Fräsen bearbeitet wurden. Daher gibt es für diese Werkstoffe durchaus Erfahrungen, auch über längere Zeiträume hinweg. Was wir nachweisen müssen, ist, dass die mit der noch neuen Fertigungstechnologie 3D-Druck hergestellten Teile die gleichen Eigenschaften aufweisen. Bisher sind die Ergebnisse viel versprechend.

Bisher las man oft von immer wieder neuen Druckergenerationen. Wie oft überarbeiten Sie bei Kumovis Ihr Gerät?

Als Ingenieur hat man natürlich immer weitere Ideen für sein Produkt und möchte diese umsetzen. Wir sind aber inzwischen mit unserem System auf einem stabilen Niveau angekommen, wo wir sagen: So ist es gut, so können wir auf einige Jahre Anwendungen in der Medizintechnik umsetzen und so qualifizieren und dokumentieren wir es. Wir wissen genau, welche Werkstoffe wo eingesetzt sind und was davon mit dem Endprodukt in Kontakt kommt. Für uns ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, mehr auf die Anwendungen zu schauen und unser Know-how den Medizinprodukteherstellern zur Verfügung zu stellen.

Ist die Drucktechnik problemlos anwendbar für Medizinprodukte?

Grundsätzlich ja, aber man muss für jedes Projekt die Details anschauen. Der Schritt aus Forschung und Entwicklung in die Produktion ist immer wieder mit Pionierarbeit verbunden, weil jeder Hersteller sein eigenes Qualitätsmanagement hat, bestimmte Schnittstellen nutzt, vielleicht Fragen zur Netzwerksicherheit beantwortet werden müssen oder ein besonderes Reinigungsverfahren erforderlich ist. Aber das Drucken an sich ist kein Problem.

Werden individuelle Implantate eines Tages im Krankenhaus gedruckt?

Diese Idee aus den Anfängen des 3D-Drucks ist immer noch interessant, und gerade das FDM-Verfahren wird sich hier wegen der einfachen Handhabung durchsetzen. Es gibt aber auch Hürden, die durch die MDR nicht kleiner werden: Eine Klinik bräuchte ein QM-System auf dem Niveau der Anforderungen der DIN EN ISO 13485. Auch sollten das Desginen eines Implantats oder das Bedienen des 3D-Druckers weder zu Lasten der Arbeitszeit des Arztes gehen noch ihm entsprechende Kompetenzen abfordern. Um Implantate im Krankenhaus zu fertigen, wird eine eigene Abteilung mit Infrastruktur, Kompetenz und Verantwortung gebraucht. Greifbarer und realistischer wären Kooperationen mit Medizinprodukteherstellern, die einen zertifizierten Produktionsprozess in oder in der Nähe von Kliniken betreiben. Es gibt dazu konkrete Modelle, und ich schätze, dass solche Projekte mit Implantaten bis 2022 umgesetzt sein werden.

Sie haben Solvay Ventures und Renolit als Investoren gewonnen. Welche Perspektive sehen Sie für Kumovis?

Kumovis ist 2017 als Start-up entstanden und beschäftigt heute alles in allem 25 Personen. Wir haben aber Pläne für Wachstum und Internationalisierung und profitieren sehr von den Erfahrungen unserer Investoren, sowohl was die globalen Märkte als auch die regulatorischen Vorgaben angeht. Aber ich möchte betonen, dass nicht der Materialhersteller Solvay, sondern Solvay Ventures als Investor eingestiegen ist. Wir bieten also weiterhin ein offenes System, auf dem die Werkstoffe vieler verschiedener Hersteller verarbeitet werden können.

Welche Bedeutung könnte der 3D-Druck künftig haben?

Der 3D-Druck wird in Nischen, wo er Vorteile bietet, mittelfristig Fertigungstechnologien wie Spritzguss oder Fräsen verdrängen. Umgekehrt wird es Anwendungen geben, wo man mit additiven Verfahren nichts gewinnt und die bewährten Technologien bleiben.

Zum Druckeranbieter:
www.kumovis.com


Kontakt zum Druckerhersteller Kumovis:

Kumovis GmbH
Trimburgstr. 2
81249 München
E-mail: info@kumovis.com
Tel.: +49 (0) 89-54029185

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