3D-Druck | Mit dem additiven LCM-Verfahren werden Hochleistungswerkstoffe zu Prototypen oder Serienteilen verarbeitet. Was die additive Technik – auch für Medizinprodukte – leisten kann, erläutert Michael Steinbach, der den neuen Geschäftsbereich Technical Ceramics bei der Steinbach AG leitet.
Dr. Birgit Oppermannbirgit.oppermann@konradin.de
Herr Steinbach, was ist die Herausforderung beim 3D-Druck von Keramik?
Die größte Herausforderung bei der additiven Verarbeitung von Keramik ist meines Erachtens, dass wir keine fertigen Teile aus dem Drucker nehmen, sondern diese noch mehrere Schritte durchlaufen. Sie werden von anhaftenden Resten gereinigt, entbindert und gesintert. Was bei diesen Schritten passiert, muss beim Konstruieren bekannt sein und berücksichtigt werden. Das spezielle Wissen um diesen Prozess haben wir uns erarbeitet und können Anwender, die diese neue Möglichkeit nutzen wollen, beraten und unterstützen.
Welches Verfahren verwenden Sie?
Wir arbeiten mit einem Lithographie-basierten Verfahren, das die Wiener Lithoz GmbH entwickelt und unter dem Kürzel LCM auf den Markt gebracht hat. Es basiert darauf, dass UV-Licht die Strukturen aus Keramikpulver entstehen lässt. Das Pulver ist in flüssigem Kunststoff suspendiert, in den die Bauplattform eintaucht. Gehärtet wird mit UV-Licht, das von unten durch die Suspension strahlt. Wobei der Begriff härten hier relativ ist: Die Teile haben in diesem Stadium des Prozesses die Konsistenz eines Radiergummis und erlangen erst im Folgenden die Festigkeit und andere Eigenschaften, deretwegen man Keramik einsetzt.
Wofür nutzen Sie das LCM-Verfahren?
Wir bieten additive Fertigung als Dienstleistung an. Wir haben mit der Technik einige Monate experimentiert und ein Team von vier Werkstoff-Spezialisten aufgebaut, mit denen wir Einzelteile und Kleinserien herstellen. Wir beraten unsere Auftraggeber im Vorfeld und stellen die Teile dann auch her.
Was brachte Sie auf diese Idee?
Ein Geschäftsbereich unseres Unternehmens in Asien bekam viele Anfragen für das Prototyping von Keramikteilen. Die Werkzeugkosten waren jedoch oft so hoch, dass die Projekte nicht zu Stande kamen. Daher haben wir nach einem neuen Verfahren gesucht. Meines Wissens gibt es in ganz Europa nur eine Handvoll Unternehmen, die LCM bisher nutzen – meist für das eigene Prototyping. Wir aber wollen es in der Breite zugänglich machen.
Für welche Aufgaben eignet es sich?
Keramik ist mit ihren Eigenschaften vor allem für Anwendungen interessant, in denen hohe Temperaturen und viel Reibung auftreten. Ein gutes Beispiel ist die Führung von Fäden in der Textilindustrie, die mit 120 Kilometern pro Stunde über eine Rolle laufen. Das hält kein anderer Werkstoff aus. Als bioinertes Material ist Keramik auch in der Medizintechnik interessant. Und mit LCM lassen sich ohne kostspieliges Werkzeug Teile fertigen, die als Prototyp getestet werden, in geringen Stückzahlen gebraucht werden oder besondere Eigenschaften haben sollen, die mit herkömmlichen Verfahren nicht hergestellt werden können – wie zum Beispiel gebogene Kühlkanäle.
Wo sind die Kosten anzusiedeln – im Vergleich zu herkömmlichen Verfahren?
Einzelteile inklusive Beratung kosten meist 300 bis 400 Euro. Wobei oft ein erstes Gespräch zum Aha-Effekt führt, der Interessent seine Anfrage zwei Wochen später neu stellt und die Möglichkeiten des LCM dann auch ausschöpft. Für 10 bis 100 Teile liegen die Kosten deutlich niedriger, für höhere Stückzahlen lohnt sich natürlich ein Werkzeug. Bei Teilen mit besonderen Eigenschaften wiederum entfällt der Vergleich, weil diese nur generativ gefertigt werden können.
Welche Projekte laufen schon?
Wir haben seit Anfang des Jahres, seit es den Geschäftsbereich Technical Ceramics gibt, 50 Projekte für Maschinen oder auch im Elektronikbereich umgesetzt. Angefragt wurden auch Teile für medizinische Analysegeräte.
Für welche Art von Medizinprodukten eignet sich das Verfahren?
Grundsätzlich sind Anwendungen bis zum Implantat denkbar – das würden wir gern mit den Interessenten ausloten. Am spannendsten sind Projekte, an die wir noch gar nicht gedacht hatten.
Sind Forschungsprojekte geplant?
Wir wollen das Spektrum an Materialien ausweiten. Bisher stehen Aluminiumoxid, Zirkondioxid und Trikalziumphosphat zur Verfügung.
Was reizt Sie an LCM am meisten?
Dinge tun zu können, die bisher jenseits der Grenzen lagen. Stellen Sie sich einen keramischen Mischer vor, von außen ein Klotz – aber durchzogen von Kanälen und Strukturen, die neue Funktionen ermöglichen. Auch wenn 3D-Druck nicht alles kann und die Erwartungen manchmal zu hoch gesteckt werden, lässt sich damit eine Menge erreichen. Und wir sind offen für alles.
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