Der offene Flügel des Ohrwurms ist mehr als zehnmal größer als der geschlossene. Die große Tragfläche erlaubt es dem Insekt zu fliegen. Dank der kompakten Packung, die der fernöstlichen Faltkunst Origami ähnelt, kann sich das Tier durch Röhren bewegen, ohne die Flügel zu beschädigen. Speziell ist allerdings noch etwas: Im offenen Zustand ist der Flügel stabil, ohne dass der Ohrwurm Muskelkraft zum Stabilisieren einsetzen muss, und mit nur einem „Klick“ faltet sich der Flügel von selbst komplett ein, ebenfalls ohne Muskelarbeit.
Forscher der ETH Zürich und der Purdue University im US-Bundesstaat Indiana sind dem Geheimnis des Ohrwurm-Origamis auf die Spur gekommen. Sie haben eine künstliche Struktur geschaffen, die nach dem gleichen Prinzip funktioniert.
Eine Computersimulation zu Aufbau und Funktionsweise des Flügels zeigte: Würde der Flügel nach dem klassischen Origami-Prinzip mit starren und geraden Falten mit einer Winkelsumme von 360 Grad in deren Schnittpunkten funktionieren, könnte ihn das Insekt nur auf ein Drittel der Größe zusammenfalten. Die Falten der Flügel sind aber elastisch und können als Zug- oder Drehfeder wirken.
Ihre Erkenntnisse übertrugen die Forscher auf einen Multimaterial-Drucker. Damit stellten sie ein 4D-Element aus Kunststoffplatten her, die miteinander über einen elastischen Kunststoff verbunden sind. Die Federfunktionen der Verbindungsfalten wurde dem Material einprogrammiert. In geöffneter Form ist das Element wie der Insektenflügel stabil. Tippt man es leicht an, faltet es sich von selbst zusammen.
Die Forscher haben das Prinzip auch auf größere Elemente übertragen und eine Origami-Greifzange gedruckt. Diese schließt sich von selbst, arretiert und kann dann Gegenstände halten. Noch sind diese Elemente Prototypen. Als Anwendung kommt aber zum Beispiel faltbare Elektronik in Frage.