Frau Hoppe, wie schätzen Sie die aktuelle Situation des irischen Marktes
für Medizintechnik ein?
Der Bereich Medizintechnik wächst weiterhin stetig, trotz Brexit und Coronavirus. Irische Unternehmen reagierten schnell auf Covid-19, indem sie ihre Kosten reduziert und ihre Lösungen flexibel auf die neuen Gegebenheiten angepasst haben. Staatliche Unterstützungen haben es irischen Unternehmen ermöglicht, weiterhin profitabel zu wirtschaften, wenn auch erst einmal auf niedrigerem Niveau. Die Aufgabe von Enterprise Ireland ist es, einheimische Unternehmen zu stärken, zu transformieren und zu skalieren. Seit Anfang 2021 erkennt die irische Regierung, dass diese Strategie aufgeht – irische Unternehmen stellen vorübergehend freigestelltes Personal wieder ein.
Worin liegt der Anreiz für Medtech-Hersteller, auf dem irischen Markt aktiv zu werden oder Produkte aus Irland zu beziehen?
Der irische Medizintechnik-Sektor beschäftigt rund 32 000 Mitarbeiter in über 300 Unternehmen und hatte 2019 einen weltweiten Exportwert von 12,6 Milliarden Euro. Somit ist Irland, Stand 2019, der viertgrößte Exporteur von Medizinprodukten und Arzneimitteln weltweit. Dies ist vor allem auf das große „Ökosystem“ multinationaler Unternehmen zurückzuführen, die ihren Hauptsitz mit Produktions- oder F&E-Aktivitäten in Irland haben. Zudem wird Irland als Zulieferer für Deutschland durch den Brexit wichtiger, da Großbritannien erschwerten Handelsbedingungen unterliegt.
Was zeichnet die irischen Hersteller von Medizintechnik aus?
Die Medtech-Industrie in Irland verändert sich: von einer vorwiegend produzierenden zu einer komplexeren und durch F&E getriebenen Branche. Es findet eine intensive Zusammenarbeit zwischen vielen Partnern, wie Forschungseinrichtungen, Medizinern, Fertigungsunternehmen und Regierungsbehörden statt. Irische Unternehmen verfügen zudem über bemerkenswerte Kompetenzen in der Orthopädie:
75 Prozent der weltweiten Produktion von orthopädischen Kniegelenken und 33 Prozent der Kontaktlinsen werden in Irland hergestellt. In den Bereichen Connected Health, vaskuläre, neuromodulatorische und kardiovaskuläre Interventionsgeräte sowie in der Diagnostik bilden sich neue Kompetenzen.
Stichwort Coronavirus – wie hat sich der Markt in der Pandemie entwickelt?
Der irische Medtech-Sektor hat während der Pandemie durch steigende Auftragszahlen unter Hochdruck weitergearbeitet. Einige Firmen arbeiteten dabei aktiv mit The Health Service Executive, kurz HSE, dem öffentlich finanzierten Gesundheitssystem in Irland, zusammen, um den dringenden Bedarf an Beatmungs- und anderen Geräten zu decken und Fachwissen bereitzustellen. Das in Dublin ansässige Unternehmen Hibergene Diagnostics entwickelt beispielsweise neue Covid-19-Schnelltests, die auch mit dem Grippevirus kombinierbar sind. Und die von Novaerus entwickelte Plasmatechnologie wird zur Luftreinigung für Patienten und das medizinische Personal eingesetzt.
Schlägt sich diese Innovationskraft auch im Umsatz nieder?
Der Gesamtumsatz der von Enterprise Ireland betreuten Unternehmen im Life Sciences-Sektor in 2019 und 2020 betrug rund 2,4 Milliarden Euro. In 2021 stieg der Umsatz auf rund 2,8 Milliarden Euro. Viele Unternehmen konnten durch Covid ihre Expertise unter Beweis stellen und wachsen, sodass Ende 2021 wieder das Niveau von 2019 erwartet wird. Gleichzeitig wird prognostiziert, dass sich das Wachstum bis 2022 beschleunigen wird.
Wie ist der Brexit auf dem irischen Medtech-Markt spürbar?
Wir haben mit Bekanntwerden des Brexits Hilfsmaßnahmen für Unternehmen erarbeitet und angeboten. Auf diese Weise konnten sich Firmen sehr gut auf den Brexit vorbereiten. Abgesehen von dem zusätzlichen bürokratischen Aufwand und den damit verbundenen Kosten für die Geschäftsabwicklung, bleibt die Nachfrage nach irischen Lösungen bestehen, und irische Unternehmen exportieren nach wie vor stark in den britischen Markt. Darüber hinaus hilft Enterprise Ireland den interessierten Unternehmen neue Märkte in Europa zu erschließen, um eventuelle Verluste durch das Wegbleiben der Käufer aus Großbritannien zu kompensieren. Schließlich läuft der Handel mit europäischen Märkten reibungslos – es gibt eine einheitliche Währung, keine Zölle und vor allem im Medtech-Bereich übereinstimmende Richtlinien.
Warum ist der deutsche Markt für irische Medtech-Hersteller interessant? Welche weiteren Märkte stehen besonders im Fokus?
Der deutsche Markt ist aufgrund seiner Größe und des Gesundheitssystems sehr interessant. Die klinische Versorgung beeindruckt und lässt auf einen großen Absatz schließen. Die Europäische Nachbarschaft spielt weiterhin eine Rolle, die Transportwege sind überschaubar. Andere große Märkte wie die USA haben Vorteile aufgrund der Sprache, aber sie haben die Herausforderungen der Zölle und anderer Regularien. Irische Unternehmen konkurrieren größtenteils über Qualität und Innovation und nicht über den Preis, daher konzentrieren sich die Hauptbereiche in der Eurozone größtenteils auf die hochentwickelten Märkte in West- und Nordeuropa.
Über Enterprise Ireland
Enterprise Ireland ist als Regierungsorganisation für die Entwicklung und das Wachstum irischer Unternehmen auf den globalen Märkten zuständig ist. Für Unternehmen der Medizintechnikbranche wird eine breite Palette von Unterstützungsmaßnahmen angeboten, darunter auch Veranstaltungen, die irische und deutsche Branchenakteure zusammenbringen, um Innovationen und aktuelle Themen zu präsentieren. Ein Teil der Unterstützung von Enterprise Ireland umfasst Zuschüsse und Finanzmittel für die Unternehmen. Zudem werden Kontakte zu deutschen Verbänden gepflegt und Messen und Konferenzen besucht, um irische Unternehmen mit deutschen Partnern zusammenzubringen. Auch die Netzwerk-Veranstaltung „Med in Ireland“, die alle zwei Jahre nur für geladene Gäste stattfindet, gehört zum Event-Portfolio. Enterprise Ireland lädt dazu Einkäufer aus der ganzen Welt nach Irland ein, um Unternehmen an ihren Produktionsstandorten zu besuchen. Vom 3. bis 4. November findet das B2B-Event „Med in Ireland“ erstmalig virtuell statt.
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